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Freitag den 12. Juli Wmtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. 1872 für lsdruff, Tharaudt, Nossen Sievenlehn und die Umgegenden. Verordnung, Maßregeln wegen der Rinderpest betreffend. Da officiellen Mittheilungen zufolge die Rinderpest neuerdings auch in Niederösterreich sich wieder verbreitet, fo sieht sich das Ministerium des Innern veranlaßt, in gleicher Weise, wie dies durch die Verordnung vom 5. vorigen Monats in Betreff Galiziens ge schehen ist, nach Maßgabe der Bestimmungen in 1 bis 4 der Instruction zu dem'Reichsgesetze vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, hiermit Folgendes anzuordnen: Bis auf Weiteres dürfen aus Niederösterreich nach Sachsen nicht ein- und durchgeführt werden: Rindvieh aller Art, Schafe und Ziegen; ferner frische Rindshäute, Hörner und Klauen, Talg, wenn Letzteres nicht in Fässern, ungewaschene Wolle, welche nicht in Säcken verpackt ist, und Lumpen. Schweine aus dem genannten österreichischen Kronlande dürfen nur in Etagenwagen eingeführt werden. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Bestimmungen werden nach Z 328 des Ncichsstrafgesetzbuches mit Gefängnitz bis zu Einem Jahre bezichendlich bis zu zwei Jahren bestraft. Dresden, am 6. Juli 1872. Ministerium des Innern. > Für den Minister: Körner. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 12. Juli 1872. Wir machen an dieser Stelle noch ganz besonders auf das heute Nachmittag in der Struth zu Limbach stattfindende große Militair-Concert aufmerksam. — Eilenden Schrittes naht nun das unsern geehrten Lesern schon bekannt gegebene Gauturnfest heran; wie wir hören, finden von allen Seiten Vorkehrungen statt, dasselbe zu einem wirklich schönen Feste zu gestalten; der Festausschuß seinerseits scheut weder Mühe noch Opfer, um den in unsere Stadt einziehenden Turngästen sowohl, als überhaupt allen für das Fest sich Jnteressirendcn gegen ein geringes dafür zu entrichtendes Entree (am 1. Tage) so viel Genuß als nur möglich zu bieten, während sich andererseits schon Hunderte von schönen Händen rühren, um den Häusern und Straßen der Stadt den rechten Festschmuck auzulegen. Die Zahl der am Feste sich betheiligenden fremden Turner dürfte leicht die Zahl 500 erreichen. Nun, sie mögen kommen, die lieben Gäste; wir haben die Gewißheit, sie finden offene Häuser und herzlichen Empfang darin. Wir haben nur noch den Wunsch, daß das Fest von freundlichem Wetter begünstigt und durch keinen Unfall getrübt werden möge. — Das in der Nacht vom Dienstag zur Mittwoch sich entladende, außerordentlich heftige Gewitter, während dessen Verlauf Blitz und Donner fast ununterbrochen aufeinander folgten, hat auch mehrfache Schadenfeuer zur Folge gehabt. So ist in Strehlen ein Scheune des Gutsbesitzers Scheibner und in Pieschen eine dergl. des Gutsbesitzers Klotzsche nicdergcbrannt; bei letzterem Feuer soll ein Schwein mit verbrannt sein. In Niederhermsdorf äscherte der Blitz 1 Bauern gut und 1 Wohnhaus und im Städtchen Rabenau ein von 6 Familien bewohntes Haus ein. Am 1. Juli des Jahres 1867 ereignete sich bekanntlich in dem Kohlenwerke „Neue Fundgrube" zu Lugau das furchtbare Unglück, daß durch Bruch des Förderschachtes 102 Bergleute» der Ausweg nach oben abgcschnitten wurde und dieselben trotz aller Anstrengungen nicht gerettet werden konnten. Das Grubenfeld ist seitdem in die Hände einer neuen Gesellschaft übergegangen, welche neben dem zu sammengestürzten Schachte einen neuen abteufcn ließ, um die Kohlen förderung wieder aufzunehmen. Hierbei stieß man bereits zuerst im November, dann im December v. I. auf die Ueberreste zweier Ver unglückten, die auf sogenannten Bühnen aufgefunden wurden und jedenfalls bei dem Versuche, auszufahrcn, von den einbrechenden Massen erdrückt worden waren. Am 8. d. nun kam man bei den weiteren Arbeiten in einer Tiefe von 748 Ellen an einen Querschlag. In diesem lagen, vom Füllvrte an bis zur Länge von 16 Lachtern zerstreut die Ueberreste von 50 bis 60 der verunglückten Bergleute. Der Querschlag ist eingebrochen, so daß ein weiteres Vordringen jetzt als unmöglich war. I» den meisten Füllen sind von den Ver schütteten nur die Knochenthcile, zerstreut umherliegcnd, erhalten; bei zweien der bis jetzt zu Tage Geförderten war die Verbindung vom Rumpf, Becken und Oberschenkel erhalten, auch waren an einigen Stellen die wachsartig veränderten Muskeln an ihren strcifartigen Ansehen noch zu erkennen. Am besten erhalten sind die Kleidungs stoffe, namentlich das Lederzcug. Außerdem wurden noch eine An zahl Lampen, Blenden, Füllhörner u. s. w. aufgefunden. Bei allen Lampen war der Docht weit hcrausgezogcn, auch waren Neste von Oel noch vorhanden. Alles läßt darauf schließen, daß der Tod der Unglücklichen sehr bald nach der schauerlichen Katastrophe erfolgt ist. Die Hcrausbeförderung der noch in der Grube befindlichen Ueberreste kann nur langsam vor sich gehen, da bei Aufräumung des Quer schlags mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden sind. Die Leipziger Nachrichten schreiben aus Leipzig vom 6. Juli: „Nachdem heute Vormittag 8V, Uhr noch eine Hauptverhandlung gegen Herrn August Bebel wegen Majestätsbelcidigung stattfindet, wird derselbe nächsten Montag Mittag die Reise nach Hubertusburg antreten. Herrn Bebel sowohl als Herrn Liebknecht ist vom Mini sterium die Erlaubniß, journalistisch thätig sein zu dürfen, ver weigert worden." Am 6. d. verunglückten bei Pirna durch Anstößen der Schluppe 6 Mann, darunter der Capitän, von der in der Nähe des Haidenaucr Chaufseehauses aufgestellten Baggermaschine in der Elbe. Vier Personen gelang es, sich zu retten, zwei hingegen aber wurden ein Opfer des Stromes. Der Leichnam des Einen, Kühnert aus Birk witz, wurde kurz darauf aufgefunden; der Leichnam des Andern, Kegel ebendaher, ist bis jetzt nicht aufgefunden worden. Beide Ver unglückte sind verheirathet und hinterlassen Familie. Berlin, 10. Juli. Der „Rcichsanzeiger" publicirt das Gesetz, betreffend die Ausweisung des Jesuitenordens von dem Deutschen Reich, ferner die Ausführungsverordnung, wonach den Jesuiten die Ausübung jeder Ordensthütigkeit, namentlich in Kirche und Schule, sowie die Abhaltung von Missionen versagt wird, die Auflösung der Ordensniederlassungeu binnen 6 Monaten wird ebenfalls angeordnet. Sonstige Anordnungen werden der Landespolizei überwiesen. Wie aus Essen gemeldet wird, soll das dortige Jesuitennest bald leer werden. Fünf dieser Nachtvögel haben sich bereits Aus landspässe und und zwar für Holland, England, Frankreich, Spanien, Portugal und Nordamerika ausstellen lassen. Der Pater-Superior hat sich mit einem Passe für Dänemark und Nordamerika versehen. Niemand sieht sich gerne getäuscht in seinen Erwartungen, drum sollte man in allen Fallen sich hüten, seine Erwartungen zu hoch zu spannen; denn darüber geht der rechte Maßstab zu vorurtheilsfreier Beurtheilung stets verloren. Die franz. Zeitungen können sich aus diesen Gründen üoch immer kein unbefangenes Urtheil bilden über den mit uns abgeschlossenen Vertrag. Man hatte vorher den Mund zu voll genommen und von einer gänzlichen Räumung binnen Jahres frist, sowie von einer bedeutenden Verminderung des Occupations- heeres als von einer ausgemachten Sache geredet. Nun es aber doch anders gekommen ist, will der erwartete Jubel nicht überall durch brechen. Die Feinde des Hrn. Thiers freuen sich natürlich darüber. Trotzdem aber wird Frankreich bald einsehcn, wie viel es durch den neuen Vertrag gewonnen hat — die frühere Räumung von 4 Depar tements und die verlängerte Zahlungsfrist — und wie nachgiebig wir im Interesse des Friedens gewesen sind. Die Feinde des Herrn Mac Mahon auf der rechten Seite der Nationalversammlung, d. h. dort, wo es bis zum Königthume nicht mehr weit ist, fangen an zu rebelliren gegen den Präsidenten. Sie wollen ihn absetzen und den Marschall Mac Mahon an die Spitze der Regierung stellen. Die Frau Marschallin hat sich bereit erklärt, während der Herr Gemahl bis jetzt nur den Schutzengel der Ordnung spielt, die er im Falle eines Umsturzes aufrecht erhalten will. Thiers hat von der ganzen Verschwörung gehört und den Marschall auf vier Wochen in's Bad geschickt, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.