Volltext Seite (XML)
für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. ^7 57. 1872. Dienstag den 23. Juli Z Wochenblatt für ilsdruff, Tharandt, Nossen Liebknlchu und die Umgegnidtn. Amtsblatt Tagesgeschichte. Wilsdruff, 23. Juli 1872. Am gestrigen Tuge fand im hiesigen Königl. Gerichisamt die erste gerichtliche Trauung eines dasigcn Brautpaares statt. Herr Ge- richtsämtmann Leonhardi machte die mit 2 Zeugen erschienenen Brautleute auf die gesetzlichen Conscqueuzen, die für sie aus ihrer Verbindung hervorgehen, aufmerksam, ermahnte sie in kurzer Rede zu gegcnseiligcr Liebe und Treue, und nacbdem sie auf die Frage, ob sie sich gegenseitig angeboren wollten, mit deutlichem Ja geantwortet und sie das über die Verhandlung aufgcnommene Protokoll untere zeichnet hatten, erklärte Herr Gerichtsamtmann Leonhardi sie Kraft der Gesetze für ehelich verbunden. Mit dem gestrigen Tage begannen die bei den Gerichten, mit Ausnahme der Staatsanwaltschaften, cingeführten Gerichtsfcrieu und endigen mit dem 31. August. Wahrend dieser Zeit hat der Betrieb aller nicht dringlichen Sachen zu ruhen, dringliche Sachen jedoch und die Cassengeschäfte nehmen nach wie vor ihren Fortgang. Als solche dringliche Sachen werden im Gesetz vom 10. März 1859 bezeichnet : gerichtSpolizciliche Vorerörterungen und Untersuchungshand- lungcn jeder Art, dasern der Angcsebuldigte sich in Hast befindet oder die Untersuchung-Handlungen nach dem Ermessen des Staatsanwaltes oder des Geriäts ohne Nachtheil für die Sache nicht ausgesetzt bleiben kann; Wechselsachen, Arreststrassachen, Hilfsvollstreckungen, Eröffnung von Coucursen nebst den zur Sicherung der Blasse erfor derlichen Maßregeln, Versiegelungen von Verlasscnschaften, An- oder Aufnahme, Zurückgabe oder Publikation letztwilliger Verordnungen, Grund- und Hypothekensachen, insoweit es auf Verlautbarungen im Grund- und Hypothekenbuche ankommt; die Ausnahme von Recogni- tionen von Urkunden; alle andern Justiz- und Verwaltungssachen, welche als der Beschleunigung bedürf.ig von den Gerichten anerkannt resp. bezeichnet werden. Dresden, 20. Juli. Gestern fand, begünstigt vom herrlichsten Wetter, die Feier deS ersten Spatenstiches zur Eröffnung und die Taufe des von der Kleiuopitzcr Steinkohlenbau - Äctien- gesellschaft auf den Kohlenfeldern zu teufenden Schachtes .statt, der wir bcizuwohnen Gelegenheit hatten. Eine Anzahl von Actionären und Gästen, unter denen wir auch den Direktor des benachbarten königlichen Steiukohlenwerks bemerkten, sowie der Verwaltungsrath der Gesellschaft begaben sich mit dem Dreiuhrzugc der Eisenbahn nach Tharandt, von wo bereitstehende Wagen die Gesellschaft nach dem Dorfe Klcinopitz brachten. Hier wurden die Ankommenden von dem Herrn Pastor Wehnert aus Kesselsdorf, sowie von den Vertretern des Orts und der umliegenden Dörfer begrüßt, worauf unter Vor tritt der festlich geschmückten Schulkinder und eines Musikcorps sich der stattliche Zug, begleitet von Hunderten der Bewohner der um liegenden Dörfer, nach dem Schachte in Bewegung setzte. Der für den Schachtbau abgegrenzte Raum und die freilich noch nicht vollendete Kaue über dem Schachte waren reich geschmückt, während ein sinnig verziertes, von GPrlauden eingefaßtes Viereck den Naum des neu- abzuteufcnden Schachtes umgab/ Hierhinein begaben sich der Geistliche, sowie die Mitglieder deS Verwaliungsrathcs der Gesellschaft. Nach Absingung eines Liedes durch die Schule des Ortes ergriff Herr Ad- vocat A. Pscilschmidt, der Vorsitzende des Verwaltungsrathcs, das Wort und wies, beginnend mit Schiller: „Zum Werke, das wir ernst bereiten rc.", in kräftiger Rede darauf hin, welche Schwierigkeiten im Allgemeinen bei Beginn eines reuen Werkes und insbesondere bei dem gegenwärtigen, zu überw nden seien, er wünschte sich und der Gesellschaft Glück, daß dieß hier geschehen, brachte auf das neue Unternehmen ein Glückauf! auS m d gab dem Geistlichen das Wort, welcher in ansprechender Rede darauf aufmerksam machte, daß gerade in jetziger so vorwaltend materieller Zeit es einen erhebenden Eindruck mache, wenn ein neues Unternehmen mit einer religiösen Feierlichkeit begonnen werde. Der Redner wie-Z ferner auf die Gefahren des Bergmannsstandes im Allg meinen hin und sprach die Hoffnung aus, das dieselben durch ein inniges Zusammenhalten von Arbeitern und Arbeitgebern, wenn auch nicht ganz unschädlich gemacht, so doch ge mildert werden könnten. Er forderte sodann die Anwesenden auf, die Arbeit durch die ersten Spatenstiche zu beginnen, was durch die Mitglieder des Verwaltungsraths ausgeführt ward. Der Redner verglich hierauf den angefangenen Schacht mit einem neugeborenen Kinde und vollzog an demselben die, wenn auch wasserlose Taufe, indem er denselben, erhaltenen Auftrags zufolge, „Kaiserschacht" benannte. Er segnete hierauf das neue Werk und schloß mit einem Gebet die anspruchslose, aber sinnige Feier, bei welcher nur arge Mißtöne auS den Instrumenten der die Choräle begleitenden Musik die Harmonie störten. Die bereitstehendcn Wagen brachten sodann die Verwaltungsrathsmitgliedcr, Aktionäre und Gäste wieder nach Tharandt, wo im Albcrtsalon ein heiteres Abendessen den Tag be schloß. Die Bergleute, sowie die Gemeinde von Kleinopitz versammelten sich zu gleichem Zwecke in dem dortigen Gasthofe. Wir aber wünschen dem neuen Unternehmen alles Gute und zwar dies um so herzlicher, als un-Z die Schwierigkeiten recht Wohl bekannt sind, mit welchen gerade dieses in seinem Beginnen zu kämpfen hatte und rufen daher der Kleiuopitzcr Steinkohlenbau-Aktiengesellschaft, sowie deren neuem Schachte ein herzliches Glückauf zu. (Dr. B. u. H.-Bl.) Aus Dresden schreibt das „Dr. Journ." unterm 18. Juli: Heute Mittag ist die zur Begutachtung deS Schulgesctzcntwurfs von der I. Kammer gewählte außerordentliche Deputation, von ihrem Präsidenten, Herrn Kammerhern von Erdmannsdorf, ei>,berufen, ZN einer Sitzung zusammengctreten, um die Hauptgrundsätzc des Ent wurfs zu erörtern und ihren Referenten zu bestellen. Voraussichtlich wird die Commission jetzt nur wenige S.tzungeu halten. Ihre Mit glieder sind bekanntlich außer Herrn Kammerherrn von Erdmanns dorf die Herren: Superintendent Ur. Lechler, die Bürgermeister Löhr, Müller und Clauß und die Rittergutsbesitzer v. Forbre und Meinhold. Hart ha u in der Lausitz, 14. Juli. Infolge epidemisch auf- trctendcm Scharlachsieber in hiesigem Orte, welchem innerhalb 14 Tagen schon 10 Kinder zum Opfer gefallen, ist die Schule seit gestern auf höhere Weisung geschlossen worden. Die Knechte und Mägde aus vielen Rittergütern im Königreich Sachseit haben Arm in Arm Strike gemacht. Sie wollen besser essen und länger schlafen und zur Entschädigung weniger arbeiten und mehr Lohn haben. NiederkunnerSdorf, 16. Juli. Vergangenen Sonnabend Abend verunglückte der hier wohnende 80 Jahr alte A. Nohr dadurch, daß er den Pferden des Geschirres, welches er begleitete, den Berg hinan die Last erleichtern wollte und in die Räder griff. Dabei siel er und der mit Kohlcn beladene Wagen ging ihm quer über Hüfte, Brust und Schulter. Nach vier schmetzvollen Stunden verschied er au den erlittenen Verletzungen. I)r. Bock in Leipzig batte in der Gartenlaube das Publikum vor einer gewissen Sorte von Verlegern medicinischer Schriften ge warnt und sie „Unholde und Scbundbnchvcrlegcr" genannt. Da ihn Buchhändler Biereh (Pönick'scbe Schulbuck,Handlung) wegen Beleidig ung verklagt hat, so will Bock den Beweis der Wahrheit vor Gericht I antreten. Lugau, 18. Juli. Von den am I. Juli 1867 in der ehemali gen Fundgrube verschütteten Bergleuten wurden heute wiederum die Uebcrreste von vier Mann unter dem Bruch im Querschlag aufgefun den und zu Tage gefördert. Hoffentlich ist es möglich, die noch feb- lendeu 13 auch'bald an'S TageAichl fördern zu können. Die Ueber- reste derer, welche bereits vorige Woche herausgeschaffl werden konnten, sind bald unter einfacher Feierlichkeit in die für sie bestimmte große Gruft auf hiesigem Gottesacker begraben worden. Eine größere Todtenfeier, sowie die Enthüllung des bei der Gruft aufgestellteil Denkmals soll erst beim Begräbnis; deS Letzten stattfinden. MU" Ju der großen Politik Europas scheint sich ein Umschwung zu vollziehen. Von Berlin auS gehen nenerdings Berichte durch die Zeitungen, die mit diplomat. Aktenstücken frappante Aehnlichkeit haben und unsere Aufmerksamkeit deshalb besonders in Anspruch nehmen, l Ihr Inhalt wendet sich nachdrücklich gegen die in Norddeutschland i eingebürgerte Furcht und Kriecherei vor Rußland und daS gehässige