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1872. Freitag den 8. März 2V. Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlchn und die Umgegenden. Amtsölalt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 7. März 1872. Gestern Nachmittag wenige Minuten vor 4 Uhr erregte ein Erdstoß bei einem großen Theil der Bewohner Angst und Schrecken; der Stoß war so stark, und hauptsächlich in den oberen Etagen der Häuser, daß es klang, als wollte Alles Zusammenstürzen, aber auch in den Parterrelokalitätcn wurden die schwersten Gegenstände er schüttert, in einem Hause stürzte infolge des Erdstoßes eine Wand ein, ja, aus vielen Häusern stürzten die Bewohner, dasselbe fürchtend, heraus, sich fragend: was war das? bis es ihnen klar war, daß es eine Erderschütterung gewesen sein müsse. Die ältesten hiesigen Be wohner können sich eines so starken Erdstoßes nicht entsinnen. — Das „Chemn. Tgbl." berichtet, daß auch in Chemnitz, sowie in der ganzen dortigen Gegend dieser außergewöhnliche Erdstoß wahrgenom men wurde; der Thürmer des Stadtthurmes daselbst hat versichert, daß die Schwankungen in seiner Wohnung viel stärker gewesen seien, als die gelegentlich des starken Orkans, welcher am 7. Dec. 1868 die dortige Gegend heimsuchte. Weiter enthält dasselbe Blatt Meldungen über das Naturereigniß aus Freiberg, Stollberg, Cossen, Geilhain, Hof, Schneeberg, woselbst Bilder von den Wänden sielen, ferner aus Narsdorf, dort konnte man in der Bahnhvfsexpeditiön kaum auf den Füßen stehen. In Meerane flüchteten die Beamten der Bahnstation ins Freie, auch zerbrachen einige Fensterscheiben, in Hohenstein fiel in dem Saale einer Fabrik der Kalk von der Decke, ebenso in Lugau m einem Zimmer des Bahnhofes. In Penig soll eine Esse einge stürzt sei,,, ebenso in Glaucha ein Schornstein des Nathhauses. Ferner sind anläßlich dieses Naturereignisses demselben Blatte noch folgende Telegramme zugegangen: Leipzig, 6. März. Hier wurde 3 Uhr 55 Minuten ein Erd- stoß von West nach Ost mit starkem Geräusch, gleich Wagenrollcn, bemerkt. Alle Wasserwaagen der Sternwarte bewegten sich mehrmals hin und her. Eine Verrückung der Instrumente fand nicht statt. Bruhns. — Zwickau, 6. März. Kurz vor 4 Uhr heftiger Erdstoß, daß die Einwohner aus den Häusern liefen und Einsturz befürchteten. — Annaberg, 6. März. Gegen 4 Uhr Nachmittags heftigen, mit donnerähnlichem Geräusch anhaltende» Erdstoß. Schwanken der Kronleuchter und Lampen. Lichtenstein, 6. März. 3 Uhr 50 Minuten wurde hier vcrmuthlich starker Erdstoß verspürt. Erschütterung der Häuser allgemein und stark. — Berlin, 6. März. Aus Pirna, Schandau, Bodenbach, Weimar, Rudolstadt werden fast gleichzeitige Erdstöße hierher gemeldet. Wahrgcnommen Nachmittags zwischen drei und vier. Schließlich lassen wir den Bericht der „Dr. N." aus Dresden folgen, derselbe lautet: Gestern Nachmittag, wenige Minuten nach 4 Uhr, erfolgte ein Erdstoß., wie er in so intensiver Art seit langen Jahren, vielleicht hier' noch nie, bemerkt worden ist. Die Wirkung des Stoßes ist hauptsächlich in den Etagen der Häuser, weniger in Parterreräum- lichkeitcn bemerkbar gewesen. In unseren, in der ersten Etage gele genen Nedactionszimmern erschütterten die Tische und Stühle und die von der Decke hcrabhängendcn Gasröhrenarme wackelten, daß die Gasglocken klirrten. Die Erschütterung muß eine bedeutende Aus dehnung gehabt haben, denn von vielen sich ganz entgegen liegenden Punkten der Stadt ward uns die Mittheilung gemacht, daß der Erd stoß in verschiedener Stärke bemerkt worden. Auf der Seestraße, Kirchgasse, Breitestraße, Zahnsgasse und andren Gassen und Gäßchen liefen die Leute zusammen und fragten sich: „Haben Sie was gehört, es gab einen Kunks vorhin in der Erde, Hcrrjeses nee, was ist denn das gewesen, die Bilder an der Wand haben Sie gewackelt." Solche Redensarten gingen hinüber und herüber. — Selbst in Plauen haben die Gebäude gebebt, so daß, wie uns von dort mitgetheilt wird, die Leute gedacht haben, die Häuser fliegen zusammen. Der Chef einer hiesigen Eisenhandlung versicherte uns, daß in seinem Comptoir nicht allein das schwere Eisen aneinander angeklungen, sondern daß sogar ein aufeinander gebauter Posten eiserner Pfannen zusammengefallen sei. — Das ist wieder Etwas für Gespensterseher! Den 12. August soll die Welt untergehen und gestern so ein Stoß — nun spreche einmal Einer dagegen; 's ist bestimmt, die Erde geht unter! Dresden, 6. Mürz. Wie das „Dr. I." meldet, hat der Deutsche Kaiser bei der am 2. März erfolgten Vertheilung der Do tationen beschlossen, unserem Kriegsminister General-Lieutenant v. Fabrice 100,000 Thlr. zu überweisen, um damit, wie das von Sr. Majestät dem Kaiser an Se. Majestät den König gerichtete bezügliche Handschreiben ausspricht, den hervorragenden Verdiensten desselben um die Organisation und bewährte Kriegstüchtigkeit des sächsischen Armeecorps Seine dankbare Anerkennung zu bethätigen. Der als Jugendschriftsteller weit und breit bekannte Gustav Nieritz feierte am 2. März in Dresden sein vierzigjähriges Schrift steller-Jubiläum. Herr Nieritz, der jetzt bereits hier 76 Jahr zurück- gelegt hat, aber geistig und körperlich noch frisch ist, erhielt an die sem Tage von Sr. Maj. dem Könige das Ehrenkreuz des Verdienst ordens. Aus der Saydaer Gegend erfährt der „Bote vom Geising" von einem Gaunerstückchcn, das sich auch anderwärts wiederholen dürfte. Bei einem Gutsbesitzer erschienen zwei böhmische Viehhändler und feilschten um dessen beste Kuh. Man wurde handelseins, die Käufer hatten jedoch kein anderes Geld, als eine Tausendthalerbank note. Sie wollten bescheidener Weise diese Note nur als Pfand da lassen, der Bauer aber in übertriebener Gutmüthigkeit bringt bei Freunden und Bekannten das Geld zusammen und giebt den Händ lern das nach Abrechnung des Werthes der Kuh verbleibende Sümm chen auf 1000 Thlr. heraus. Daß die Gauner mit Kuh und Geld verschwanden und der Geprellte ein völlig werthloses Stück Papier besaß, reimt sich Wohl Jeder selbst zusammen. Die Berliner Oberbürgermeisterstclle ist bekanntlich nicht die schlechteste, sie beträgt ca. 8000 Thlr. Und doch giebt's Leute, die sie ausschlagcn, aber nicht etwa, wie der Fuchs die Trauben verschmähte. Der Bürgermeister van Danzig, v. Winter, früher Po lizeipräsident in Berlin, hat erklärt, er werde eine etwa auf ihn fallende Wahl nicht annehmen. Die Stadtverordneten kamen dadurch dermaßen aus dein Conccpt, daß sie sich vier Wochen Zeit ausbatcn, um wieder zur Besinnung zu kommen. Erbtheilungshalber sollen die zum Nachlasse des Auszüglers Johann Gottlieb Grellmann in Grumbach gehörigen Grundstücke und zwar 1 ., das Hausgrundstück Fol. 150 des Tharandter Grund- und Hypotheken-Buchs, welches auf 850 Thlr. — Ngr. — Pf. taxirt und 2 ., das Hausgrundstück Fol. 114 des Grund- und Hypotheken-Buchs für Coschütz, welches auf 1813 Thlr. — Ngr. — Pf. gewürdert worden ist, verkauft werden, weshalb man Kaufslustige mit dem Bemerken, daß die Kaufs- bedingüngen an hiesiger Amtsstelle einzusehen sind, ersucht, ihre Offerten bis längstens den 1«. März 1872 mündlich oder schriftlich hier anzubringen. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, den 22. Februar 1372. Leonhardi.