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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Gievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das KöniglicheGerichtsamtWilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 92. Freitag, den Tagesgeschichte. Das neue deutsche Strafgesetzbuch wird nächstens wieder verbessert werden. So hat sich beispielsweise die Beurlaubung der Strafgefangenen in keiner Weise bewährt. Von den meisten beur laubte» Zuchthäuslern ist die wieder erlangte Freiheit sogar zur Ver übung neuer schwerer Verbrechen benutzt worden. Noch schlimmere Früchte hat die Bestimmung getragen, daß Kinder unter 13 Jahren wegen Diebstahls u. s. w. nicht bestraft werden können. Die Folge davon ist gewesen, daß Kinder systematisch zum Diebshandwerk ange lernt worden sind und daß die Berliner Gefangenenanstalten seit Jahr und Tag von Knaben und Mädchen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren wimmeln, die es auf der Bahn des Lasters und des Ver brechens zu einer entsetzlichen Virtuosität gebracht haben. Als nicht minder verfehlt hat sich die Vorschrift erwiesen, daß Dienstboten diebstahl nur auf Antrag des Bestohlenen bestraft werden kann. Bezeichnend für die gänzliche Unhaltbarkeit dieser Beschränkung ist folgender Fall. Im Nachlaß eines Oberstlieutenants fehlen Werth- papiere. ES wird in unzweifelhafter Weise festgestcllt, daß sie von einem früheren Diener des Verstorbenen gestohlen worden sind. Der selbe hat neulich einige der gestohlenen Papiere bei einem Bankier umgcsetzt und den Nest findet die Polizei in seinen Händen. Gleich wohl muß der Staatsanwalt den Antrag auf gerichtliche Verfolgung nnd Bestrafung des spitzbübischen Dieners ablehnen, weil die Dieb stähle bei Lebzeiten des Obcrstlientenants verübt worden sind, ein Strafantrag des letzteren aber mangelt und eine Ergänzung dieses Strafantrages durch die Erben unzulässig ist. Der Bediente wird darauf frcigelassen und erscheint zum Hohn der Erben und aller ehr lichen Leute bei der Versteigerung des Nachlasses seines früheren Herrn, und kauft davon mit dem gestohlenen Geld nach Herzenslust. Die Gesummt - Ausprägung von Goldmünzen stellt sich bis 2. Novbr. d. I. auf 365,699,890 Mark, wovon 326,173,940 Mark in Zwanzigmarkstücken und 39,526,050 Mark in Zehnmarkstücken bestehen. Dem Vernehmen nach ist laut Verordnung sämmtlichen Ober bahnwärtern in Sachsen das Prädicat Bahnmeister .bcigelegt worden. Dem Landtage soll noch eine Vorlage, betreffs mehrerer neuer Eisenbahnlinien zugehen. Die bezüglichen LandcSthcile blicken mit Spannung auf dieses königl. Decret. Die Eiscnbahnabtheilung der Finanz-Deputation der II. Kammer hat in Erwartung dieser Vorlage bisher noch keine Sitzung abhallen können. In der „Sächs. Schulzeitung" vom 17. November steht die Notiz, daß das Directorium deS Zwickauer Vvlksschriften-Vereins beschlossen hat, seine Thätigkeit einzustellen und den Verein aufzulösen. Dieser Verein hat nahe an 30 Jahre bestanden, gegen 200 Schriften des verschiedensten Inhalts verbreitet und zu Verbreitung der Volks bildung das Seinigc redlich beigelragcn. Eckernförde, 15. November. lieber die Verwüstungen durch Nordost-Sturm und Ueberscbwcmmung entnehmen wir noch der Eckern- fördcr Zeitung: „Der starke Nordostwind hatte schon am Abend des 12. dss., am Dienstag Abend, die neuen Anlagen in Borbye und den ganzen Weg unter Wasser gesetzt. Bis 8 Uhr nahm das Wasser fortwährend zu. Da auf einmal hörte das Steigen auf, es fiel mit rapider Schnelligkeit und in kurzer Zeit waren die Straßen trocken. Der Sturm hatte nicht nachgelassen — es mußte der Damm durch brochen sein. Und so war es. Mit furchtbarer Schnelligkeit erweiterte sich die anfangs schmale Oeffnung und das Wasser schoß in gewaltigem Strome ins Noor hinab. Bald Ivar das durch den Dammdurchbruch geöffnete neue Becken gefüllt und nun stieg die Fluth rapide in den Straßen. Bis Nachmittag den 13. November 4 Uhr nahm die Fluth ununterbrochen zu und während dieser Zeit richteten die Wellen eine schreckliche Verwüstung an. Der folgende Morgen zeigte uns das ganze traurige Bild. Ganz zerstört sind ca. 87, arg verwüstet ca. 138 Hauser der Stadt. In Borbye ist die Verwüstung von Häusern verhältnißmäßig ebenso groß. 22. November 1872. Kopenhagen, 18. November. Provinzialnachrichten schildern den Ueberschwemmungsschaden außerordentlich erheblich. Viele Häfen- dämme der Austrocknungsanlagen sind zerstört, viele Verluste von Menschenleben zu beklagen. Der Schaden auf der Falster wird über 1 Million geschätzt. Der König sandte sofort den beschädigten Städten Unterstützung Die Königin stellte sich an die Spitze des Vereins zur Hilfsleistung der Nothleidenden. Der Marineministcr ordnete an, für die Schiffbrüchigen Sorge zu tragen. Der „Sp. Ztg." werden von kundiger Seite einige Thatsachen mitgetheilt, welche auf die Thiers'sche Reorganisation der französischen Armee ein grelles Licht werfen. Nicht weniger als der vierte bis fünfte Theil sämmtlichcr französischen Offiziere ist um seinen Abschied eingekommen, vorzugsweise deshalb, weil ihm das Lagerleben uner träglich geworden ist. Das Lager schneidet sie von jeder Möglichkeit eines geistigen Verkehrs und einer Fortbildung ab. Allerdings sind den Lagern Bibliotheken zugetheilt, aber dieselben bestehen vorzugs weise aus der Literatur, welche die Periode von Ludwig XIV. bis zur Revolution hervorbrachte Romane, belletristische, historische und militärische Werke aus dieser Zeit sollen die Offiziere in den Studium ihres Berufes fördern. Die wissenschaftlichen Erfahrungen der jüngsten Jahrzehnte auf militärischem Gebiet sind fast gar nicht vertreten. Unter solchen Verhältnissen ist es begreiflich, daß gerade die Personen ihren Abschied fordern, welche die Mittel und die ge sellschaftlichen Verbindungen haben, um sich in anderen Lebens stellungen zu versuchen. Zurück bleibt vorzugsweise die große Zahl der Subalternossiziere, welche auf ihre Gage angewiesen ist und aus Noth den Beruf nicht wechseln kann. Ein sehr großer Theil der Militaircffecten, so weit sie sich auf Kleidungsstücke, Lederzeug rc. erstrecken, die in den französischen Magazinen vorgefundcn wurden und den Siegern als Beute zufielen, wurde einem Consortium, bestehend ans drei Personen, für 180,000 Thaler überlassen. Das Consortium leitete nun mit der französischen Regierung Unterhandlungen ein wegen Rückkaufs dieser Effecten, welche jetzt zum Abschluß gekommen sind, indem die französische Regierung dafür 1,200,000 Francs zu zahlen sich verpflichtet. Versailles, 20. November, Morgens. Thiers empfing gestern Abend die Deputieren der Linken und drückte gegen dieselben den Wunsch aus, infolge seiner angegriffenen Gesundheit die Last der ihm verliehenen, durch das Treiben der Rechten erschwerten Gewalten niederzulegcn. Die Uebertragung der Gewalt werde, Dank der be wunderungswürdig organisirten Gesetze und der der Negierung treu anhängendcn Armee, ohne Unordnung erfolgen. Auf seinem Platze werde er nur verbleiben, wenn er durch ein formelles Vertrauens votum die Zusicherung der Durchführung gewisser Reformen erhalte. Die Rechte beharrt auf ihrem Widerstande gegen die Proclamirung der definitiven Republik und weist augenblicklich jede monarchische Combination zurück, doch ist sie, dem Vernehmen nach, geneigt, durch besondere Maßnahmen innerhalb der Schranken des Vertrags von Bordeaux die Gewalten ThierS zu befestigen. England. Ein furchtbares Unglück hat sich in der Kohlen grube Pelsall Hall in Staffordshire ereignet. Eine ungeheure Wasser- maffe, ans einer alten bereits erschöpften Mine kommend, strömte in eine Grube, in der 40 Arbeiter beschäftigt waren. Nur 17 konnten sich retten, die übrigen sind noch nicht aufgesunden nnd vermuthlich todt. Die Kunde von dem Unglück verbreitete sich schnell und ob wohl Pumpen, durch die 60,000 Gallonen Wasser per Minute ent fernt werden konnten, sofort in Thätigkeit gesetzt wurden, stieg das Wasser fortwährend und war bald 33 Fuß hoch. Als man sah, daß das Pumpen vergeblich war, versuchte man auf andere Weise zu den Verunglückten zu gelangen, aber vergebens. Mehrere der auf diese Weise Umgekommcnen sind vcrheirathet nnd die Hinter bliebenen sind in den größten Jammer versetzt. Uebcrhaupt ist die Aufregung eine sehr große, da auch von den Geretteten, die einer mehr oder minder großen Gefahr entgangen sind, einige nicht un bedenklich erkrankt sind. Nach einem etwas später» Bericht werden alle erdenklichen Anstrengungen fortgesetzt, um die verunglückten