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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Lieteulehn und die U»Mgc»dtn. Amtsökatt für das Königliche Gerichtsomt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Ireitag den 16. September 1870. Genugthuung gefordert werden, denn der Cannibalismus der Fran zosen ist unter den Augen der jetzigen und vorigen Machthaber durch die französische Presse fortwährend gepredigt worden. Wir haben genug Beispiele dieser Art der Tollheit angeführt und man sieht, welche herrliche Früchte die ausgestreute Saat unter den mit Unrecht als „ritterlich" geltenden Franzosen getragen hat. Die Pariser sind außer sich. Der König von Preußen bat ihre Aufforderung, binnen 24 Stunden Frankreich zu räumen, nicht einmal beantwortet; er war so bestürzt, daß er in der Verwirrung den entgegensetzten Weg nach Paris cingeschlagen hat. Sie haben doch so laut geschrieen und gewarnt und nun stehen diese deutschen Krieger mit den viereckigen Köpfen, die nicht sehen und hören, nahe vor der Stadt. Von den Thürmen der Notrc-Dame-Kirche können sie die Pariser mit ihren Ferngläsern bereits erkennen und doch sind diese Gläser nicht einmal gut, sondern haben farbige Ränder; denn diese deutschen Husaren sehen blau und roth und gelb und braun aus wie die Regenbogenfarben. Morgen sind sie schon ohne Fern rohr zu erkennen. Die Forts sind von den National- und Mobil garden besetzt, am besten ist aber, man geht den Deutschen entgegen, die so schwer hören. Es ist auch davon die Rede, daß Unterhändler zum König abgereist sind. Die Ansicht deutscher Blätter, daß man sich bei aller Tbeilnahme für das unglückliche französische Volk eines Ekels gegenüber der Hal tung der französischen Presse nicht erwehren könne, findet auch in einem Leitartikel der „Times" Ausdruck. Die französische Presse habe sich saft ohne Ausnahme der Stellung, wie der Journalismus eines gevildeten Volkes sie zu Zeilen einer nationalen Krisis einnehme, nicht gewachsen gezeigt, und es sei nur zu hoffen, daß dieses System, die Situation so angenehm als möglich zu machen und den Leser auf die Mittheilung der Wahrheit vorzubereiten, jetzt endlich einmal auf höre. Es habe bereits Unheil genug gestiftet, und wenn jeder Tag ein volles Einverständniß des nationalen Unglücks gebracht hätte, dann hätte sich vielleicht noch etwas für die Aufrechterhaltung des Kaiserreichs thun lassen. Jetzt, wo Frankreich wieder die Züge», sei nes Geschicks in die eignen Hände genommen, sollte es zu allernächst Sorge dasür tragen, daß die öffentliche Presse im Stande sei, ihre unbezweiselten Pflichten mit Ehrlichkeit und Unparteilichkeit zu er füllen, und daß sie aufhöre, das Volk unter dem Vorwande der Be lehrung und Ueberweisung zu hintergehcn. Bei dem Bekauntwerden des enormen Sieges der deutschen Waffen vor Sedan erhob sich ein Jubelgeschrei, wie es nur ein großes Heer in der Stunde des Tuumphcs erschallen läßt. Tausende von Helmen, Tschakos, Feldmützen, Tausende von Bajonetten und Säbeul wurden zum Himmel erhoben und selbst dir Verwundeten und Verstümmelten mischten ihre schwache Stimme in den Jubelruf des Sieges. Ein Offizier erzählt, er sah einen großen, mächtigen, preußischen Soldaten, der, die Rechte in d'e Seite gepreßt, im Todesrampfe lag, plötzlich, als er die Ursache des Lärms begriff, kerzengerade in die Höhe fahren mit einem lauten Hurrah. Dann fuhr er noch einen Augenblick mit den Händen in der Lust herum, bis wieder ein Strom Blutes aus seiner Wunde stürzte und er laut los und todt über einen gefallenen Franzosen zu Boden rollte. Zur Belagerung von Straßburg. Man schreibt dem „Schw. M." aus der Umgegend von Straßburg, 9. September. Nach Mitternacht machten wir uns gegen Straßbnrg auf den Weg, ein starker Brand beleuchtete die Umgebung und das Münster war auf mehrstündige Entfernung dem bloßen Auge sichtbar. Die Batterien feuerten in der Minute etwa 4 Schüße auf die Festung I ab. Es waren namentlich die gegen 2 Centner schweren Projectile, welche von Zeit zu Zeit aus den 170 schweren Mörsern geworfen wurden und die mit ihren Zündern wie feurige Kugeln die Luft durchschwirrten, um auf eine Höhe von 900 bis 1000 Fuß aufsteigend und einen weiten Boden beschreibend, etwa 15 Secunden nach dem Abseucrn in der Ciladelle einzuschlagen. Das Platzen derselben ließ sich auf eine Entfernung von mehr als zwei Stunden deutlich ver nehmen, Im Laufe des Morgens entwickelte sich das Feuer der Batterien um Straßbura zur furchtbaren Kanonade, wir zählten in der Minute bis 21 Schüsse. Gegen 400 Geschütze, theilweise sehr schweren Ca- Tageögeschichte. Wilsdruff, am 15. September 1870. i Nachstehender Feldpostbrief wird uns freundlichst zum Abdruck < gestattet: , , . : Bivouak auf dem Sieaesschlachtfeld bei Sedan, I den 3. September 1870. , Herzlichen Gruß an die verehrte Holmoi! (die Stammgchte rm , Helm'schen Gasthofe.) Die 3 Wilsdruffer Krieger Diaksnus Fl er und Gebrüder Fritzsche erfreuen sich trotz aller Gefahren mw Stra pazen einer unverwüstlichen Gesundheit. Dreimaliges Hurrah aus die glänzenden Erfolge deutscher Tapferkeit! Hoffentlich wird der große Napoleon auf seiner Vergnügungsreise nacy Berlin seinen -veg über Wilsdruff nehmen. Man reiche Ihm ein Glas Feldschlößchen zur „Erholung." ' .. Diese Zeilen schreibe ich unter einem erbeuteten französischen Lagerzclte. In der Hoffnung auf baldigen Frieden und glückliches Wiedersehen in unserer kleinen Residenz und spcciell in der Uolmoi grüßen herzlichst Otto Fritzsche. Richard Fritzsche. Einem Privatbriefe eines königl. sächsischen Artillerieoffiziers verdankt das Dr. I. nachstehende Mittheilung: Sc. königl. Hohen der Prinz Georg hat in seiner Eigenschaft cus derzeitiger komman- dirender General des k. sächsischen (12.) Armeecorps am 2. Septem ber vor Sedan folgenden Tagesbefehl erlassen: „Ein entscheidender Sieg ist gestern von den deutschen Waffen über die französischen er fochten worden. Das königlich sächsische ArmcecorpS hatte das Glück, hierbei die wichtigste, aber auch die schwierigste Ausgabe zu lösen. Es hat dieses mit der oft bewährten Ausdauer und Tapfer keit gethan. Zu dem Ruhm von St. Privat gesellt sich der von La-Moncelle und Daigny. Viele Trophäen befinden sich in unsern Händen, — sie werden unsern Nachkommen von den Thaten vor Sedan am 1. September 1870 erzählen. Ich danke allen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften für ihr ruhmwürdiges Verhalten. Ich traure mit ihnen um die beklagenswerthen großen Opfer, aber sie sind für unser deutsches Vaterland und für die Ehre der sächsischen Armee gefallen. G e o r g , Herzog zu Sachsen." Die Franzosen haben sich in dem gegenwärtigen Kriege ganz besonders dadurch ausgezeichnet, daß sie mit größter Rücksichtslosig keit die Bestimmungen des Völkerrechts verletzten. Fast in jedem Schlachtenberichte warb hier ber geklagt; wir erinnern nur an das Schießen auf die Verbaudp tze, auf die Pa lamentäre und die Be schießung von Saarbrücken und Kehl. Eine, alles das bisher Ge schehene übe.treffende Nachricht me.det uns jedoch der Telegraph aus Rheims, dem Hauptquartier des Königs Wilhelm. Heimtückische Hallunken, die nur mit Unehren den französischen Soldatenrock tragen, haben die Ciladelle von Laon in die Luft gesprengt, nachdem die selbe bereits durch Capitulation in die Hände der deutschen Truppen übergegangen rind auch von denselben besetzt worden war. Die bis jetzt' geringen Details sind aus dem betreffenden Telegramm des Königs Wilhelm an die Königin Augusta zu ersehen. Die Verluste sind jedenfalls bedeutend, auch an Offizieren. Allem Vermuthen nach hatte man es bei dieser in keinem Kriege, den civikisirte Völker bis jetzt geführt haben, vorgekommenen nicytswüroigcn That, auf die Vernichtung des preußischen Generalsiabes abgesehen, denn eine Pariser Meldung der „N. Fr. Pr." besagte schon am gestrigen Tage, daß der preußiscye Generalstab in Laon in die Lust gesprengt worden sei. Man kann kaum Worte finden, um dieses perfide Gebühren der französischen Nation richtig zu bezeichnen. Die Langmuth der deutschen Truppen wird auf eine harte Probe gestellt, wundern wir uns nicft, wenn wir endlich einmal, nach dem so schonenden Vorgehen der Deutschen von Ausschreitungen yören, i denn das große Sündenregister Frankreichs wächst mit jedem Schritte' den die deutschen Truppen in dieses verrätherische Land machen' Hoffentlich dürfte es nicht mehr lange dauern, bis in Paris die Rechnung für alles Unrecht an Deutschland überreicht wird denn unsere Truppen standen am 11. nur noch zehn Stunden n.>» Wällen der Hauptstadt und heute sind sie wohl sicher zum Schrecken der Pariser davor erschienen. Bei einem Friedensschlüsse müßte für das Geschehene von der jetzigen französischen Negierung unbedingt