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Zweites Blatt. KhuM Mw, KchMch« mH Ke UmMlAn. ImlsblM !ür die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Horstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. Pro dreigefpaltene Corpuszeile. Druck und Berkay von Marli» Berger m Wilsdruff. — Lerastworttich für dre Redaktion Martin Berger daselbst. No. 123. Ssmmhend, Sem 17. Okioher 18V6. Zum 20. Sonntage nach Trinitatis. Psalm 115, 13: Er segnet, die den Herrn fürchten, beide, Kleine und Große. Die Gottesfürchtigen, Klein und Groß, sollen gesegnete Me sein. Diese alte Weisheit findet unter dem Ge- Mechtc unserer Tage nur noch wenige Gläubige. Ein bloßer Theil unserer Volksgenossen fordert mit der Ab schaffung aller irdischen Autorität auch die Lossagung von m himmlischen und spottet: - „Lang ist's her, ich hab seitdem Weisheit dieser Welt erworben, Längst in meinem klugen Kopf Ist der liebe Gott gestorben!" Ein anderer Theil unseres Volkes will zwar so weit svch nicht gehen, er ist ein wenig abergläubisch und er uiert sich dunkel des drohenden Wortes: Irret euch nicht, M läßt sich nicht spotten. Daher bezeigt man von Zeit ju Zeit — am Sylvcsterabend, am Charfreitag, am Todten- We — dem lieben Gott seine Hochachtling durch einen Drchmbesuch, wenn möglich bei einem recht berühmten Mtlichm Redner. Man läßt auch die Kinder taufen und ^nsirmiren, man geht einmal im Jahre zum Abeudmahl Dd fordert beim Begräbniß die Gegenwart eines Mannes Talar, dem man sonst aus dem Wege geht. Irgend sicher Einstuß auf das Alltagsleben, das Berufsleben M häusliche Leben wird der Religion nicht gestattet. Das sähe ja nach Muckerthum nnd Pietismus aus. Von dicklicher Gottesfurcht ist keine Rede. Doch giebt es immer ?°ch eine Handvoll sonderbarer Schwärmer, die ihr Lebeus- Mff nicht allem steuern oder dem Zufall überlassen wollen, Widern es vertrauensvoll dem himmlischen Lootsen über- Mu. Man hat auch noch nie gehört, daß solches Schiff Wraudet wäre; dagegen tönen aus dem Hafen des ewigen Medens die Danklieder der zahllosen Geretteten im Chore trüber z» den Schiffern auf dem Meere der Zeit. Nicht M ob die Fahrt weniger stürmisch wäre, im Gegentheil. Der der am Steuer unseres Schiffes sitzt — er segnet, N den Herrn fürchten, beide, Kleine und Große. Mrin der Segen besteht? Kein Segel zerreißt, kein Anker Pcht, das Schiff bekommt kein Leck, und „nach dem Sturme fahren wir sicher durch die Wellen". Kleine und Große trifft Gottes Segen. Kleine, Do die Jungen und Schwachen, aber auch die Einfältigen M Niedriggestellten. Große, also die Erwachsenen und D Alieu, aber auch die Hochgebildeten und Höchstgestellten. Df Lootse aus dem Hafen der Heimath kommt zu jedein Ziffer, der ihn an Bord nehmen will. Ist er auch auf Allein Schiffe? Ihn, Jesum Christum, bittet das Geschwader der ^'ffe, deren Flagge sein Kreuz führt: „Sprich deinen milden Segen Zu allen unsern Wegen; Laß Großen und auch Kleinen Die Gnadensonne scheinen!" Jur europäischen Lage. , Die Auslandsreise des Czaren, welche während der Mn Wochen die Aufmerksamkeit von ganz Europa in ? hohem Grade auf sich zog, ist im Wesentlichen wieder Mbigt. Um so eifriger beschäftigt sich aber die öffent- M Meinung unseres Welttheiles nunmehr mit der Frage „U den politischen Folgen und Wirkungen dieses Ereig- ZM, besonders im Hinblick auf deu Verlauf des Czareu- ZWes in Frankreich. Ist jetzt das intime Verhältniß DD.en Frankreich und Rußland durch den Abschluß eines bÄ.Den Bündnisses beider Mächte wirklich besiegelt und Zaftigt worden, hat sich ihre gegenseitige Liebelei, ihre nun in der That in eine regelrecht politische »Ian „sllisncs" verwandelt. In Frankreich bejaht natürlich fast allgemein letztere Frage, während man tz'In Auslande mehr zweifelnd verhält. Die französischen ^Düsten wollen darum Klarheit in die Sache bringen DZ, der Kammer nächstens die Anfrage au die Regie- dew c welche Bewandtnis; es denn eigentlich mit französisch-russischen Vertrage habe. Aber m - "Ug anzunchmen, daß Herr Msline auf eine Anfrage aus guten Gründen eine diplomatischeLlnt- wort geben würde, die französische Sozialistenfraktion könnte sich also ihre angekündigte Interpellation ersparen. Schließ lich muß ja immer und immer wieder betont werden, daß doch Rußland längst alle Vortheile eines Bündnisses mit Frankreich schon besitzt; das Czarenreich steht sich bei diesem eigenartigen Verhältnisse zur französischen Republik so aus gezeichnet, daß es seine politische uud diplomatische Stellung in den Welthändeln nur verschlechtern würde, wollte es nun wirklich feine Beziehungen zu Frankreich fchwarz auf weiß genau festsetzen. Auf alle Fälle hat jedoch das bisherige innige Ein vernehmen beider Mächte durch den Besuch des Czaren in Paris zweifellos eine weitere Stärkung erfahren, das sicherlich im ferneren Gange der Weltpolitik bald genug hervortreten dürfte. Wenn man aber von französischer Seite versuchen sollte, das herzliche Verhältniß zu Rußland im Sinne der Revanchepatrioten jenseits der Vogesen aus- zubeuten, so würde ein solches Bestreben gewiß nur von Mißerfolg sein. Rußland hat keinerlei Interesse daran, seinem französischen Freund zu Liebe sich mit Deutschland auf Leben und Tod zu entzweien; es erscheint darum gerade in Hinblick auf die französische Reise des Czaren bemerkenswerth, daß Geheimrath Schischkin, der Verweser des russischen Ministeriums des Auswärtigen, bei seiner Heimreise von Paris nach Petersburg vom Kaiser Wil helm im Neuen Palais empfangen wurde und hieraus Unterredungen mit dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und dem Staatssekretär des Auswärtigen v. Marschall hatte. Hieraus geht wohl schlagend hervor, daß der Besuch des Russenkaisers in Paris auf die wiederhergestellten guten Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland nicht den geringsten abschwächenden Einfluß geäußert hat. Dagegen kann sich Rußland jetzt, gestützt auf sein neu gestärktes Verhältniß zu Frankreich, vor Allem seinen asiatischen Plänen mit vergrößertem Nachdruck widmen und hierbei kann es mir ans den Widerstand einer einzigen euro päischen Großmacht stoßen, Englands; der lendenlahme britische Bau wird aber schwerlich große Neigung hegen, sich seinem kräftigen moscowitischen Nebenbuhler in Asien ernstlich entgegenzustellen. Die nur leicht verschleierten Ziele der russischen Politik in Asien bedingen es nun, daß Rußland sich in Europa den Rücken freihält und besitzt es demnach ein größeres Jnteresfe daran, daß an dem gegenwärtigen friedlichen Zustande Europas nichts geändert wird. Deshalb ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß Rußland auch in den Bal kanfragen seine bisherige vorsichtige Politik nicht anfgeben wird, dies um so weniger, als ja ohnehin im Orient Alles nach den Wünschen Rußlands geht. Erfreulicher Weise deckt sich mit der zurückhaltenden russischen Orientpolitik das Bestreben der Dreibundmächte, die Ruhe und den bis herigen Stand der Dinge im Südosten Europas mit aller Entschiedenheit aufrecht zu erhalten, vollkommen, worin die Bürgschaft liegt, daß aus der Weitergestaltung des orien talischen Problems vorläufig keine Erschütterung des euro päischen Friedens zu besorgen ist. Im Uebrigen hat be kanntlich Kaiser Franz Josef bei dem kürzlich erfolgten Schluffe des ungarischen Reichstages seine unbedingte Zu versicht in die fernere Erhaltung der Völkerharmonie Europas ausgesprochen, welche Erwartung des erlauchten Herrschers gewiß nur dem gegenwärtigen Stande der politischen Dinge in unserem Welttheile entspricht. Der Dreibund selbst aber, der nach wie vor trotz der russisch französischen Freundschaft den eigentlichen Eckpfeiler des Völkerfriedens Europas bildet, darf durch den still schweigenden Eintritt Rumäniens in die mitteleuropäische- Allianz eine bedeutungsvolle Erweiterung verzeichnen, der Besuch des Kaisers Franz Josef in Bukarest läßt an diesem Schritte Rumäniens keinen Zweifel. De,» «»«rhve UslehthmM. Roman von Gras La Rosäe. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Mein Bruder," fing Miß Petersen im Flüstertöne an, „ist Advokat und Rechtsbcistand von WRiam Stafford und ist sehr befreundet mit William* — Miß Petersen sah lauernd auf das gespannte, aufhorchende Gesicht Adelheids. „William hat eine große Verehrung, eine zärtliche Zuneigung für seine Stiefmutter und eine leidenschaftliche Liebe zu seinem jüngern Bruder. Ec wird seiner einstigen Schwägerin am Tage der Vermählung als Hochzeitsgeschenk die Summe von zehntausend Pfund Sterling geben." „Pa," machte gerinfchätzig Adelheid und zuckte verächtlich die schönen Achseln, „dann können wir zusammen betteln gehen, da Sie schon die Hälfte dieses Kapitals wollen.* „Gemach, mein Kind, vom Betteln ist keine Rede, solange William lebt, und nach seinem Tode ist Ronald sein Universal erbe. Mein Bruder hat das Testament aufgesetzt, und William hat es unterzeichnet. Also hätte ich eine Millionärin vor mir, im Falle Ronald sich mit Ihnen vermählt, und daß er es thut dazu will ich nach Kräften beitragen." „Ja aber," fing Adelheid zweifelnd an, „ein Testament kann umgestoßen werden, dieser William kann selbst heirathen." „Nie!" rief Miß Petersen. „Woher wissen Sie das?* „Er kann nicht heirathen, er hat eine schreckliche, eineun heilbare Krankheit, Epilepsie.* „Ist das auch ganz sicher?* „So sicher, als ich da vor Ihnen fitze." „Gut, so schreibe ich den Schuldschein,* und nach einigen Minuten hatte Adelheid mit kräftigen Zügen ihren Namen darunter geschrieben. Als am nächsten Tag Stafford kam, empfing ihn Miß Petersen. „Ich bin in einer sehr schlechten Stimmung," sagte sie: „meine junge Verwandte, die ich während der kurzen Zeit ihres Hierseins herzlich lieb gewonnen habe, will mich verlassen. Ihre Mutter hat ihr geschrieben, daß sie mit der Stellung, die sie m meinem Hause einnimmt, nicht zufrieden sei. Sie wünsche, daß Adelheid Gesellschafterin in einem großen, vornehmen Hause werde, oder daß sie wieder zurückkehre nach Deutschland. Im ganzen kann ich meiner Cousine nicht unrecht geben, ihre Tochter ist hier nicht am richtigen Platze. Der Verkehr mit den leicht sinnigen jungen Künstlern und Künstlerinnen, die in meinem Pmstonat wohnen, ist nicht geeignet für sie, und da die arme Adelheid eine solche Stellung, wie ihre Mutter wünscht, nicht finden kann, so hat sie sich entschlossen heimzureisen. Es kommt sic sehr schwer an, sie ist oben in ihrem Zimmer und weint. Vielleicht wüßte ihre Frau Mama irgend ein paffendes Plätzchen für die junge, feingebildete Dame? Zu repräsentieren versteht sic wie eine Königin." Während ihrer Rede bemerkte sie sehr wohl den jähen Farbenwechsel in dem schönen, offenen Gesichte Ronalds. „Soll ich mein armes Lämmchen zu bewegen suchen, daß sie herunterkommt? Ihnen wird es schon gelingen, das liebe Kind zu zerstreuen." Nach einigen Minuten befand sich Adelheid im Salon, und wieder nach einigen Minuten hatte Miß Petersen denselben verlassen, und die beiden jungen Leute waren allein. „JA es wirklich war, Fräulein Adelheid, Sic wollen fort,* fragte er. „Ja, aber nicht gern," erwiderte sie seufzend und sah traurig zu Boden, „ich kann iedoch meiner Mutter nur bei stimmen, die Gesellschaft in diesem Hause ist durchaus nicht passend für mich. Aber ach! — ich wäre so gerne geblieben." Bei diesen Worten blickten ihre großen, blauen Augen mit einem zärtlichen Ausdruck in die seinigen. „Versprechen Sie mir, keinen zu raschen Entschluß zu fassen," erwiderte Ronald. „Vielleicht findet meine Mutter — ich werde jedenfalls mit ihr darüber reden. Wollen Sie bleiben, bis ich mit —?" er verstummte und küßte ihr die Hand lange und zärtlich. * » Ungefähr eine Meile von London entfernt, befand sich, umgeben von großen englischen Parkanlagen, ein schönes, be quemes Landhaus, das William eigens für seine Stiefmutter hatte bauen lassen. Ihr jüngerer Sohn Ronald hielt sich die letzten Jahre auf dem Kontinent auf, nun aber William seit mehreren Monaten in New-Jork weilte, hatte er den Bruder gebeten, endlich zu seiner Mutter zurückzukehren. Ronald kam seiner Mutter ganz verändert vor, sie fand ihn zerstreut; denn er hörte oft gar nicht ihre Fragen. Sie saß in einem kleinen Salon, einem behaglichen Gemach, reich und komfortabel aus-