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Wochenblatt für Ms-rust WeM Kch», Siebenlehn mb die Umsesenden raume Stadtgemeinderath I. V. Görne. stadt augelangten Mutter, der Prinzessin Clementine von Coburg, zusammen. Am Mittwoch reiste Fürst Ferdinand nach Tegernsee weiter. Auch das alte Uebel Deutschlands, der im Laufs der Jahr hunderte Erzogene Partikularismus, von jeher gefördert und gestützt vom begehrlichen Nachbar des Auslandes, trat oft genug noch in die Erscheinung und, wenn man ehrlich sein will, er wird erst ganz mit der nächsten Generation erlöschen. Aber das Beste und Wichtigste, cs wurde doch erreicht: Einigkeit, völlige Embeit nach außen hin, ein so festes Gefüge der Zu sammengehörigkeit Alldeutschlands, daß diese zu stören kein äußerer Feind mehr wagen darf. Und im Innern des neuen Reiches ist denn doch auch gar Manches anders und besser geworden. Die avstumpfende Gewohnheit läßt unser neues Geschlecht kaum noch die Be deutung der wichtigen Neuerungen erkennen, welche das letzte Vierteljahrhundert uns gebracht hat: gleiches Maß, gleiches Ge wicht, einheitliche Münze, ein einheitliches Reichsheer, einheit liches Recht und das allgemeine gleiche deutsche Wahlrecht, freie Bewegung in allen deutschen Landen ohne hindernde Zoll schranken. Zahlreich und um so schwerer, als es sich oft um das Prinzip handelte, sind die inneren Kämpfe der letzten fünf undzwanzig Jahre gewesen; aber es beweist die Kraft und Stärke des Reiches, daß alle diese Kämpfe, an denen wahr» lich nicht die schlechtesten Männer Deutschlands theilnahmen, auch nicht einen Stein des deutschen Reichsgebäudes zu er schüttern vermochten. Den Mittelpunkt des deutschen Reich^- lebens, wo sich alle Wünsche und Hoffnungen, alle Gedanken der Volksseele kundgeben, bildet, wie von Anfang an, der deutsche Reichstag, neben ihm als Vertretung der Regierungen der Bundesrath und über beiden als der Fels, der fest und sicher, dem ganzen Volke sichtbar, emporragt, der deutsche Kaiser. In unveränderlicher Verehrung hat das deutsche Volk emporgesehen zu Kaiser Wilhelm I. und zum zweiten deutschen Kaiser Fried rich III., zu den beiden Helden, welche an der Spitze der Heere die großen Schlachten geschlagen, welche im Krieg und Frieden gleich groß eine Zierde des deutschen Kaisertumes gewesen. Und in gleicher Verehrung schaut es empor zum dritten Kaiser, zu Kaiser Wilhelm II., dem würdigen Nachfolger seiner großen Ahnen. Dis große und würdige Gedenkfeier jener großen Zeit vor fünfundzwanzig Jahren, sie hat der ganzen Welt die Ein heit Deutschlands machtvoll vor Augen geführt. Sie hat aber auch gezeigt, daß es Deutschlands, seines Kaisers und seiner Räthe Bestreben ist, in Europa das theuerste Gut der Völker, den Frieden zu erhalten. Nicht vermindert, sondern noch ge wachsen ist das Ansehen des Reiches im Laufe deL Vierteljahr- Hunderts, nachdem es gezeigt hat, daß es gesonnen ist, auch in den Werken des Friedens an der Spitze der Cwilisation zu marschiren. Schon neigt sich zu Ende das neunzehnte Jahr hundert, ereignißreich und bedeutungsvoll für den Fortschritt der Menschheit wie keines zuvor; und wenn nicht alle Zeichen trügen, ist das Centrum Europas, Deutschland, berufen, im neuen Jahrhundert die Hauptrolle, weil der Vertreter aufrich tigen Friedens, im Raths der Völker zu spielsn. Mögen denn immer, wie in Zeiten dec Noth Demschlands Söhne treu zum Reiche und Könige und Kaiser standen, Alldeutschlands Be völkerung treu zu des Friedens heiligen Werken stehen und möge für ewig in alle deutschen Herzen eingegraben sein als oberster, testender Gedanke die Treue zum Vaterlande, daß es überall heiße in Wahrheit Deutschland, Deutschland über Alles! Rückblick auf die große Zeil — Ausbliö auf unsere Zeit. Fast jedes Dorf im weiten deutschen Vaterlande hat seine 'm Kriege gefallenen Markgenossen mit einem Denkmal geehrt, welches dem Heranwachsenden Geschlecht Kunde giebt von den wunderbaren Ereignissen der acht Monate der Jahre 1870,71. lind hoch empor über all' diesen Denkmälern ragt auf des Niederwaldes Gipfel Germanien'S Heldengestalt, Deutschlands Wacht am Rhein, den Blick gen Westen gewendet und ge wappnet, um etwaigen erneuten Angriff abzuwehren. Fünfundzwanzig Fahre sind seit jenen großen Tagen, dis wir in den letzten Monaten in engem Rahmen dem Leser schildern durften, vergangen und in großartiger Weise sind von einem jüngeren Geschlechte die großen Siege und vor Allem die Einheit Deutschlands gefeiert worden. Die Genugthuung über das glücklich geführte Schwert, sie war diesmal geadelr durch das Bewußtsein, daß der Feind sich diesem Schwerte so zusagen aufgedrungen hatte, daß der Krieg garnicht Sache der Wahl, sondern eine einfache Nothwendigkeit gewesen war. Diese kriegerische Genugthuung aber, allgemein wie sie war und ist, sie wurde ergänzt und fruchtbar gemacht durch die Freude über den großartigen politischen E'folg, der aus diesem Kriege her vorgegangen: die Rückeroberung der alten Reichslande Elsaß- Lolhringen und die Aufrichtung eines deutschen Bundesstaates von 41 Millionen. Und nicht allein, daß dornst die verworrene Zeil, die üblen Tage seit 1848, 1830, seit 1815, und wie weit man noch zurückgreifen will, ihr E -de gefunden hatten; nicht bloß ein bescheidenes Plätzchen für ruhiges Dohinleben hatte die Nation sich erobert: eö war die ihrer Lage in der Mitte des Erdtheilcs, ihrer Volkszahl und ihrer Kultur ge bührend-, es war die centrale und für die nächste Zukunft zum Mindesten die führende Stellung, welch- sie sich errungen hatte. Nicht sich allein zum Heile, sondern ganz Europa zur Wohl fahrt. Eine ungeheure Wendung lag in d-m Frieden und in der Gründung des deutschen Reiche« für die Weltgeschichte. Die größte Macht hatte bisher in den Händen von Staaten gelegen, in deren innerer Beschaffenheit der Trieb zur Macht erweiterung, zur Eroberung, zur Weltherrschaft lebendig gewesen war, als eine Erbschaft des alten römischen Reiches. Unauf- börliche Kriege der großen Mächte waren die Folge davon. Aus diesem Schwanken konnte die Welt nur gerettet werden, wenn ein Reich, dessen innerstes Wesen das Prinzip des Friedens und der inneren Wohlfahrt ist, und das niemals daran denken kann, Eroberungskriege zu führen, zugleich in den Besitz der genügenden Macht kam, um es gegen jeden Angreifer, ja gegen mehrere zugleich schirmen und frevelhaften Friedensstörern ein .Halt" gebieten zu können. Dadurch allein kann auch das Problem gelöst werden, daß Staaten und Mächte von ver schiedener Größe und Stärke neben einander bestehen können, ohne daß ängstlich auf daS Gleichgewicht der vorwiegenden Mächte geachtet und, sobald es gestört erscheint, ein Krieg ge führt zu werden braucht. Waren auch die Verträge von 1815 von größerer Verträglichkeit und christlicherer Gesinnung durch weht als früher, so lasteten doch die Hand Rußlands und Oesterreichs schwer auf Deutschland, und sie beugten nach wie vor dos Recht der Völker nach ihrem Interesse. Erst der Krieg von 1870 71 hat Germanien frei gemacht und eS sich selbst zurückgcgeben, so daß eS frei seinem Gewissen, seinem Recht, seiner Ueberzeugung und seinem Glauben leben kann. Mit Deutschland hatten auch die himmlischen Mächte in des Menschen Brust gesiegt. Der Name „Kaiser" hat einen neuen Sinn erhalten; er hat Bedeutung für die ganze Wslt, aber nicht durch Krieg, Eroberung und Herrschaft; er bringt ihr den Frieden und da« Genügen. „Setzen wir Deutschland in den Sattel, reiten wird eö schon lernen," das war einer der kernigen Aussprüche B«S- marck's, der deutsche Art und Weise besser wie irgend ein Anderer, zu beurtheilen verstand. Nicht ohne Weiteres und nicht ohne Kämpfe fand man sich in deutschen Landen in die Neuordnung der Dinge. Selbst das Beste braucht Zeit, um sich Badu zu brechen. Parte,kämpfe, wie sie in konstitutionellen Claalen nun einmal selbstverständlich sind, haben oft genug Deutschland durchtobt, wenn es sich um innere Fragen handelte, VekEntMKslMttg. Wegen des morgen Sonnabend, den 9. Mai c. stattfindenden Begräbnisses des Herrn Bürgermeister Ficker bleiben die Stadt-Kämmerei- nud Raths-Erpedilioncn für diesen Tag geschlossen. Wilsdruff, den 8. Mai 1898. " Der Reichstag befaßte sich am Dienstag nach den Jnterpellationsdebatten der beiden vorangegangenen Sitz ungen wieder mit einer der wichtigeren Vorlagen der laufen den Session, mit dem zur zweiten Lesung stehenden M a r- gariuegesetz. Die Berathung gestaltete sich ungemein langwierig; Mar gelangte § 1 (Vorschriften über Geschäfts räume und Verkaufsstellen) debattelos zur Annahme, dafür mtspann sich jedoch über 8 2 eine stundenlange Debatte. Derselbe spricht in seinem Kernpunkte das Verbot der ImlsbluU für die Agl. Amtshauptmannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Znjerate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck uns «erlag von Murern Berger m LilSdniff. — Verantwortlich für d.e ReLaitw» H A. Berger dn.ecbp. Mischung von Butter mit Margarine aus, während aber die Regierungsvorlage diese Bestimmung nur in beschränkter Weise enthält, hat die Kommission einen erheblich verschärfen den Zusatz beschlossen, wonach von Milcherzeugnissen nur Magermilch mit einem vom Bundesrath festzusetzenden Fett gehalt zur Herstelluug vou Margarine verwendet werden darf. Von antisemitischer Seite liegt durch Abg. Binde wald und Genossen ein Antrag auf Verbot des Margarine käses vor, die Sozialdemokraten beantragen durch die Ab geordneten Herbert und Wurm die Wiederherstellung der Regierungsfasfung. Die Debatte, in welcher die Butter freunde wie die Margarinefreunde kräftigst für ihre respek- tiven Meinungen eintraten, wurde durch den Centrumsab geordneten Fusangel eröffnet, welcher die gewichtige Er klärung abgab, daß seine politischen Freunde gegen die Comimssionsfassung stimmen würden, da dieselbe die Re gierungsvorlage verschlechtere! Im Allgemeinen in dem selben Sinne und demnach zu Gunsten der Annahme des 8 2 in der Regierungsfassung äußerten sich die Abgeordneten Clemm (nat.-ttb.), Weiß (fr. Volksp.), Herbert (Soz.), Dr. Krzyminski (Pole), Molkenbuhr (Soz.), — welcher den gesummten 8 2 als überflüssig bezeichnete — Barth (fr. Berg.), Casselmann (fr. Volksp.). Der Centrumsabgeord nete Dr. Bachem seinerseits verwahrte die Commission ener gisch gegen den ihr gemachten Vorwurf, daß sie dem Pu blikum den Genuß der Margarine „verekeln" wolle, sie habe lediglich aus sachlichen Erwägungen ihren Beschluß gefaßt. Als Befürworter der Kommissionsfassung traten lediglich die konservativen Redner, die Abgeordneten v. Plötz und Rettich, sowie der Antisemit Jskraut auf. Abg. Müller-Waldeck (Antis.) vertheidigte das vou seiner Partei beantragte Verbot des Margariuekäses. Regierungsseitig griff der preußische Landwirthschaftsminister in die Debatte ein, um sich persönlich gegen die Kommissionsbeschlüsse aus zusprechen, im Uebrigen aber zu erkläre», daß die ver bündeten Regierungen erst die Plenarbeschlüsse in der vor liegenden Frage abwarten müßten. Namens der verbündeten Regierungen äußerte der Minister auch gegen das bean tragte Verbot des Margarinekäses Bedenken. In den nun folgenden Abstimmungen wurde der Antrag der Antisemiten wegen Verbotes des Margarinekäses w e auch 8 2 in der Kommissionsfassung gegen die Stimmen der Konservativen und der Antisemiten abgelehnt, worauf mit großer Mehr heit 8 2 in der Regierungsfassung zur Annahme gelangte. Der von der Kommission beschlossene neue 8 2s, welcher das Färben der Margarine verbietet, wurde nach langem Reden für und wider die genannte Maßregel in nament licher Abstimmung mit 136 gegen 97 Stimmen angenommen, dagegen lehnte das Haus den von der Kommission bean tragten neuen 8 2t> (Zusatz von mindestens 1 Gramm Phenolphtaleiu auf je 100 Kgr. Margarine) ab. Im weiteren Verlauf der Sitzung gelangten noch 8 3, 8 4 (Befugniß der Polizeiorgane und beauftragten Sachver ständigen zum jederzeitigen Eintritt und zur Revision in sie Räume der Margarinefabrikanten und Verkäufer) und 8 5 zur Erledigung und Annahme der Commissionsfassung. Heidelberg, 7. Mai. Das hiesige Universitäts- Reitinstitut ist in der vergangenen Nacht niedergebrannt. Zwei Kinder, eine Verwandte und das Dienstmädchen des Besitzers sind erstickt; die Frau des Besitzers und drei Tagesgeschichte. Berlin, 6. Mai. Der Kaiser hat am 3. Mai dem Schah Musaffer-Eddin Mirza telegraphisch sein Beileid iber die Ermordung des Schah Nasser-Eddin und seine besten Wünsche für die nene Regierung ausgedrückt. Der Schah hat darauf mit einem Danktelegramm an den Kaffer erwidert. Fürst Ferdinand von Bulgarien hat sich nach Er ledigung seines Berliner Aufenthaltes nach Coburg und dann nach München begeben. Dort tauschte der Bulgarenfürst Besuche mit dem Herzog Siegfried von Bayern und mit dem russischen Gesandten aus uud traf dort ferner mit seiner am Dienstag Nachmittag in der bayerischen Haupt- No. SS. Sonnabend, de« 9. Mai 1886.