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Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abvnnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. WlM N«B' Sltbkckhn imd die UmßtMdm. —— Imtsblult Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertivnspreis 10 Pf. pro dreigespaltcne Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Ag!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. ^orstrentamt zu Tharandt No. 84. Dienstag, den 21. Oktober 189«. Donnerstag, den 25. -s. Mts., Nachmittags 6 Uhr öffentliche Stadtgememderathssitzung. Wilsdruff, am 20. Oktober 1890. Der Stadtgenreinderath. Ficker, Brgmstr. Vekunntiuuehung. Alle diejenigen hiesigen G-meindemitglieder, welche das hiesige Bürgerrecht noch nicht erworben haben, aber nach der Beilage sud G unter 2 hierzu verpflichtet sind, wollen sich behufs Erlangung desselben nunmehr sofort und bis spätestens den 3. November dieses Jahres bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 2 Mark in der hiesigen Raths- expedition anmelden. Wilsdruff, am 18. Oktober 1890. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. G Nach § 17 der revidirten Städteordnung sind I., zum Erwerbe des Bürgerrechts berechtigt alle Gemeindemitglieder, welche 1 ., die Sächsische Staatsangehörigkeit besitzen, 2 ., das 25. Lebensjahr erfüllt haben, 3 ., öffentliche Armenunterstützungen weder beziehen, noch im Laufe der letzten zwei Jahre bezogen haben, 4 ., unbescholten sind, 5 ., eine direkte Staatssteuer von mindestens 3 Mark entrichten, 6 ., auf die letzen zwei Jahre ihre Staatssteuer und Gemeindeabgaben, Armen- und Schulanlagen am Orte ihres bisherigen Aufenthaltes vollständig berichtigt haben, 7., entweder, a., im Gemeindebezirke ansässig sind, oder b., daselbst seit wenigstens zwei Jahren ihren wesentlichen Wohnsitz haben, oder o., in einer anderen Stadtgemeinde des Königreichs Sachsen bis zur Aufgabe ihres bisherigen Wohnsitzes stimmberechtigte Bürger waren; 2., zum Erwerbe des Bürgerrechtes verpflichtet alle zur Bürgerrechtserwerbvng berechtigte Gemeindemitglieder, welche 1 ., männlichen Geschlechtes sind, 2 ., seit drei Jahren im GemeindeSezirk ihren wesentlichen Wohnsitz haben und 3 ., mindestens 9 Mark an direkten Staats-Steuern jährlich entrichten. Tagesgeschichte. Auf dem Gebiete der inneren Politik tritt allmählich an die Stelle der bisherigen Ruhe ein regeres Leben. Der Bundesrath und das preußische Staatsministerium halten Sitzungen ab, um sich über die Vorlagen für den Reichstag und den preußischen Landtag, der vermuthlich noch vor jenem einberufen wird, schlüssig zu machen. Der Entwurf einer Novelle zum Krankmversicherungsgesetz ist bereits durch den „Reichsanzciger" veröffentlicht worden. Da sie gegen denselben nichts anderes vorzubringen vermögen, behaupten freisinnige und sozialdemokratische Blätter, der Entwurf richte sich gegen den Bestand der freien Hülfskassen. Wer sich jedoch erinnert, Wie gering die Erfolge dieser freien Hülfskassen gewesen sind, als sie noch ohne „Konkurrenz des Staates" zu arbeiten ver mochten, der wird sofort erkennen, daß jene Behauptung nur darauf berechnet ist, dem Krankenversicherungsgesetze zur Last zu legen, was die Schuld der freien Hülfskassen selbst ist. Es handelt sich eben nur darum, das nicht mehr wegzuleug nende Fiasko der freien Kassen zu bemänteln. Wie der Ent wurf der Novelle zum KrankenvcrsicherungSgesetz, so werden ohne Zweifel auch die anderen für den Reichstag und den preußischen Landtag bestimmten Gesetzentwürfe durch den „Ncichsanzeiger" so zeitig veröffentlicht werden, daß die davon betroffenen Kreise genügenden Raum zur Begutachtung derselben gewinnen. Ueberhaupt ist das Verfahren der Regierung, falschen Anschauungen und Gerüchten durch amtliche Erklärungen im „Reichsanzeiger" entgegenzutreten, nur zu loben. Der Kaiser und die Arbeiterwohnungsfrage. — Der Kaiser soll, wie dem „Deutichen Tgbl." mitgetheilt ist, gleich nach seiner Rückkehr aus Oesterreich dem Chef der preußischen Eisenbahnverwaltung gegenüber sein lebhaftes Be dauern darüber ausgesprochen haben, daß das ihm unterstellte N ssort bis jetzt zu wenig gethan habe, um den unbemittelten Klassen in den großen Centren betreffs der Wohnungsfrage wesentliche Erleichterungen zu schaffen. Dem Monarchen liegt sehr daran, daß durch thunlichst bequeme und billige Kommuni kationen mit den Vororten eö dem kleinen Mann ermöglicht werde, sich dort für geringes Geld luftige und geräumige Wohnungen zu schaffen. Sicherlich würde dadurch ein großer Theil der jetzt über die übertriebenen Miethspreise herrschenden Unzufriedenheit gehoben werden, ohne das dem Fiskus irgend welche Belästigungen erwüchsen." Durch diese Kaiserliche Initiative wird nach unserer Ueberzeugung auf dem Gebiete der Sozialreform der Hebel an einer der allerbedeutsamsten Stellen angesetzt. Das Gesammtpräsidium des Reichstages wird dem Grafen Moltke am 26. Oktober zu seinem 90. Geburtstage mündlich namens des Reichstages beglückwünschen. Die Depu tat onen sollen möglichst gruppenweise gratulieren, um den greisen Feldmarschall nicht zu sehr zu ermüden, Wie bekannt, werden sich in der neuen Session Bundes rath und Reichstag auch mit der Einverleibung der Insel Helgoland in das deutsche Reich zu beschäftigen haben. Man sicht bei diesem Anlaß in parlamentarischen Kreisen eingehenden Debatten auch über andere Dinge entgegen, die mit dem deutsch englischen Vertrage in Verbindung stehen. Während in Halle der mit voller Reklame inszenirte sozialdemokratische Parteitag seine Berathungen eröffnete — Berathungen, auf deren Inhalt des Näheren einzugehen, sich, wie gesagt, nicht lohnt —, trat zu Karlsruhe ein konser vativer Parteitag zusammen, der zwar zunächst nur den badischen Gesinnungsgenossen galt, der aber dadurch allge meinere Bedeutung gewann, daß an den Berathungen auch aus anderen deutschen Ländern Parteimitglieder theilnahmen und daß insbesondere der Führer der konservativen Reichstags- sraktion, Freiherr v. Manteuffel, den Versammlungen bei wohnte. Hauptredner waren Graf Douglas, Hosprediger Stöcker und vr. Oertel-Leipzig; der Gesammtetndruck des Parteitages war ein erfreulicher. Es ist zu hoffen, daß der selbe auf die bisher ziemlich brach liegende Parteibewegung im Großherzogthum Baden von belebendem, förderlichen Einflüsse sein werde. Aus Berlin, 17. Oktober, wird berichtet: Eine furcht bare Blutthat ist in der vergangenen Nacht im Nordwesten unserer Stadt verübt worden. Der Zimmermeister Schaaf hat seine ganze, aus seiner Frau und vier Kindern bestehende Familie zu ermorden versucht. Das jüngste Kind ist den er haltenen Wunden erlegen. Schaaf selbst ist verschwunden. Der Schauplatz der entsetzlichen That ist das Haus Nr. 16 der beim Coubiere-Platz auf dem Wedding von der Müller straße abzweigenden noch unbenannten Straße Nr. 6. Als heute früh der Polier des Schaas'schen Geschäfts, wie üblich, bei seinem Meister erschien, wurde ihm befremdlicherweise nicht geöffnet. Nach einiger Zeit fand sich auch der Arbeitsbursche Hermann Heß ein, und da die nunmehr gemeinsam ange stellten Versuche, die Schaaf'sche Familie zu wecken, ohne Erfolg blieben, wurde man ängstlich und begab sich nach dem am Weddingplatz befindlichen Polizeibureau. Als auf polizeiliche Veranlassung die Wohnung gewaltsam geöffnet war, bot sich den Eintretenden ein schauriger Anblick dar. Die Frau und die vier Kinder lagen mit klaffenden Schädelwunden in ihrem Blute. Das jüngste Kind, ein Mädchen, im jugendlichen Alter, lag todt in der Wiege, das zweite Mädchen zu Füßen des am Fenster stehenden Kinderbettes, die übrigen zwei Kinder und die Frau waren in ihren Betten von den verhängnißvollen Schlägen ereilt worden. Der Mann, in dem man mit Be stimmtheit den Thäter vermuthet, war verschwunden. Das todte Kind wurde sofort zur Morgue überführt und die Schwer verletzten nach dem Krankenhause gebracht. Wie verlautet, ist es gelungen, die Frau zum Bewußtsein zurückzubringen. Nach ihren Aussagen, die allerdings sehr verworren waren, will sie gegen Morgen erwacht sein, ihren Mann vermißt und die blutüberströmten Kinder gesehen, dann aber das Bewußt sein wieder verloren haben. „Wie der „Lokalanzeiger" berichtet, wurde Schaaf auf dem Anhalter Bahnhof, als er im Begriff stand, nach Halle zu fahren, verhaftet. Der ostafrikanische Küstenstrich, welcher bisher der ostafrikanischen Gesellschaft verpachtet war, ist, wie der „Reichsanzciger" amtlich mittheilt, gegen eine Entschädigung von 4 Millionen Mark an das deutsche Reich abgetreten worden. Die Frage, wer diese Entschädigung zu zahlen hat, das Reich oder die ostafrikanische Gesellschaft, hängt auf's engste mit der gesammten Neuordnung des ostafrikanischen Schutzgebietes zusammen. Die Verhandlungen hierüber sind noch nicht abgeschlossen. Die sogenannten alten Lassalleaner, eine seit Jahren in Hamburg bestehende sozialistische Gruppe, welche die Gothaer Vereinigung nicht mitmachte, wird nach dem Kongreß zu Halle mit einem Aufruf an die deutschen Arbeiter hervortreten, der eine Unterstützung der Regierung bei Durchführung ihrer sozial politischen Maßnahmen fordert. Ein Berliner Korrespondent der „Hamb. Nachr." erinnert daran, daß dcr letzte Handelsvertrag mit Oesterreich unter dem 23. Mai 1881 abgeschlossen wurde; er sollte bis zum 31. Dezember 1887 in Geltung bleiben, und wurde 1887 ver längert. Dieser Vertrag war, den damaligen allgemeinen handelspolitischen Verhältnissen entsprechend, ein Meistbegünstig ungsvertrag, während man jetzt den Versuch machen will, wieder -inen Tarifvertrag zu Stande zu bringen. Wien. Bezüglich der handelspolitischen Annäherung zwischen Deutschland und Oesterreich wird hierhervor gehoben, daß ein reiner Tarifvertrag den Intentionen, Wieden Interessen beider Staaten am meisten konveniren müßte, daß aber möglicherweise auch ein Meistbegünstigungsvertrag mit Rücksicht alif die handelspolitischen Verhältnisse zu anderen Staaten opportum erscheinen kann. Wien, 19. Oktober. In allen hiesigen Tramway-Re misen, eine ausgenommen, ist der Streik ausgebrochen. In Folge dessen ist der Verkehr auf allen Tramwaylinien eingestellt. In Frankreich nimmt der Streik der Grubenarbeiter von Ftrminy täglich einen ernsteren Umfang an. Das Wasser beginnt in die Gruben einzudringcn und schlagende Wetter, Brand und Einsturz der Gruben stehen zu befürchten. Der Präfekt hat daher den Vorsitzenden des Streikkomitees zu sich beschieden und ihm erklärt, daß, wenn die Streikenden nicht einwilligten, daß eine Anzahl von Arbeitern wieder in die Gruben Hineinstiegen, um das Nöthige zur Verhinderung einer Zerstörung der Gruben zu thun, er von dem ihm zustehendcn gesetzlichen Rechte Gebrauch machen, die nöthigen Arbeiter aus St. Etienne rcquirircn und die Stadt Firminy militärisch