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WtlM für Wkuss Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. TharM DD. Menlkhn md die UmgeMden. Imtsölatt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 71. Freitag, den 5. September 18W. Gvl « fz an die Gemeindebehörden des hiesigen Verwaltungsbezirkes, ihre Obliegenheiten hinsichtlich der Unfallversicherung der bei dem Wegebaus beschäftigten Personen betreffend. Wie die Königliche Amtshauptmannschaft aus einer von dem Vorstände der Tiefbauberufsgenossenschaft ihr zugegangenen Mittheilung ersehen hat, sind eine große Anzahl von Landgemeinden des hiesigen Verwaltungsbezirkes, welche Wegebau- und Wegeunterhaltungsarbeiten in eigener Regie ausführen, den nach dem Bauunfallversicherungsgesetze vom 11. Juli 1887 ihnen obliegenden Verpflichtungen ungeachtet des diesseitigen Erlasses vom 20. Juni 1889 nicht nachgekommen, indem sie weder ihren Beitritt als Mitglied zu der Tiesbauberufs- genossenschaft erklärt noch die anderenfalls ihnen obliegende Einrichtung von Nachweisungen über die von ihnen ausgeführten Regiebauarbciten bewirkt haben. Die Königliche Amtshauptmannschaft nimmt hieraus Veranlassung, den vorstehend gedachten Erlaß unter gleich; itigem Hinweise auf die in § 104 des Unfallversicherungs- gesetzes vom 6. Juli 1884 verbunden mit 8 49 Abs. 2 des Bauunfallversicherunaszesetzes vom 11. Juli 1887 enthaltene Strafbestimmung in Erinnerung zu dringen. Soweit die betreffenden Gemeinden jetzt noch Entschließung dahin fassen sollten, der Tiefbauberufszenossenschaft als Mitglied beizutretm, ist — unbeschadet der an den Vor stand der Genossenschaft zu richtenden Erklärung — hierüber binnen vierzehn Tagen vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, Anzeige an die Königliche AmtShaupt- mannschast zu erstatten; soweit der Beitritt aber nicht erfolgt, sind von den Gememdevorständen der betreffenden Gemeinden die rückständigen Nachweisungen, und zwar vom 1. Januar 1888 an bis einschließlich des zweiten Vierteljahres des Jahres 1890, binnen gleicher Frist anher einzurcichen. In Zukunft aber sind die Nachweisungen von den Gemeindevorständen unerinnert rechtzeitig (zu vergleichen Zufertigung an die Gemeindebehörden vom 3. Januar 1888) dem Vorstands der Ttcfbaubrrufsgenossenschaft (Berlin W., Kleiststraße No. 14) zuzu- stcllen. Meißen, am 25. August 1890. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Airctzbach. Vskanntnraehttng, die Wahl eines Bezirkstags-Abgeordneten ans de« Höchstbesteuerte« betreffend. An Stelle des im Lause dieses Jahres verstorbenen Herrn Kammerherrn v. Larlswktz aus Proschwitz ist für hiesige Bezirksversammlung ein Vertreter Ler Höchstbesteuerten zu wählen. Zu dieser Wahl wird Dienstag, der 7. October ds Js., Vormittags 11 Uhr hiermit anberaumt. Die stimmberechtigten Höchstbesteuerten hiesigen Bezirkes werden daher hiermit eingeladen, zu nurgedachtcm Zeitpunkte im Sitzungssaals -er ^königlichen Anrts- hauptsnannschaft hier sich einzufinden und die Wahl unter Leitung des unterzeichneten Amtshauptmanns vorzunehmen, wobei bemerkt wird, daß diejenigen Stimmberechtigten, welche bis Mittag« 12 Uhr des obengedachten Tages in dem Wahllocale sich nicht einzefunden haben, von der Theilnahme an dieser Wahl ausgeschlossen sind. Endlich wird gemäß § 7 des Gesetzes, die Bildung von Vczirksverbändcn und deren Vertretung betreffend, vom 21. April 1873 noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Liste der obenbemerkten Stimmberechtigten an hiesiger Kanzleistells znr Einsicht ausliegt, und daß etwaige Einsprüche gegen diese Liste bei deren Verlust spätestens bis zum 22. dieses Monats hier anzubringen sind. Meißen, am 1. September 1890. Königliche Amtshanptmannschaft. v. Airehbach. Tagesgeschichte. Die Presse ergeht sich in Betrachtungen über die muth- maßl'chen Folgen^ der Aufhebung des Sozialisten gesetzes. Die widersprechendsten Voraussagungen laufen da bunt durcheinander. Da die Sache nun doch einmal nicht mehr zu ändern ist, so wird man am besten thun, sich nicht weiter den Kopf über dos zu zerbrechen, was nach dem 1. Oktober möglicherweise geschehen kann, sondern die Entwickelung der Dinge abzuwarten und sich auf alle Fälle zu rüsten, lieber daS Endziel, den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung, ist man sich innerhalb der Sozial demokratie des In- und Auslandes völlig einig; nur über den Zeitpunkt des Losbrechens herrscht noch Meinungsv.r- schiedenheit. Inzwischen arbeiten aber die „Alten" und die „Jungen" mit vereinten Kräften darauf hin, das Endziel näher zu rücken, und leider wird ihnen dies vielfach dadurch erleichtert, daß die bürgerlichen Parteien diesem Beginnen nicht in voller Einigkeit entgegentretm, daß vielmehr insbesondere die bürgerliche Demokratie trotz aller üblen Erfahrungen immer noch sortsährt, ter Umsturzpropaganda, beispielsweise in ihren Ausführungen über dis Fleischvertheuerung, die brauchbarsten Waffen zu liefern. WaS übrigens die Frage der Abwehr der gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie auf dem Boden des gemeinen Rechts betrifft, so treten diese Be strebungen vornehmlich auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungslebens und der Presse in die Erscheinung. Die Verhältnisse der Presse sind durch ReichSgejetzs geregelt, ein gemeines Recht für ganz Deutschland ist in dieser Beziehung also zweifellos vorhanden. Anders verhält es sich aber, wie wir bereits hervorgehoben haben, mit dem Vereins- und Ver- sammlungörecht. Die Gesetzgebung über dasselbe steht zwar dem Reiche zu, welches aber von dieser Bcfugniß noch keinen Gebrauch gemacht hat. Es kommen also lediglich dis ein schlägigen Landesgesetze in Betracht. Diese aber sind unter einander sehr verschieden; in einzelnen Bundesstaaten fehlt es überhaupt an einer gesetzlichen Regelung des Vereins- und Versammlnngswescns. Die Folge kann nur sein, daß sich nach 1- Oktober in Deutschland eine sehr verschieden artige Behandlung der Sozialdemokratie herausstellen wird. Besonders augenfällig ist der Unterschied zwischen der preußischen und unserer sächsischen Gesetzgebung. In Preußen fehlt eine Handhabe für das präventive Verbot einer Versammlung, bei uns in Sachsen dagegen kann jede Versammlung untersagt werden, deren Zweck es ist, „Gesetzesübertretungen zu begehen, dazu auffordern, oder dazu geneigt zu machen." — Zahlreichen Ankündigungen zufolge werden vom 1. Oktober ab, nach dem Erlöschen des Sozialistengesetzes, die sozialdemokratische Presse in bisher unbekannter und ungeahnter Ueppigkeit aufwuchern sehen. Nicht nur die größeren, jetzt schon bestehenden Blätter der Partei werden einer Erweiterung, Auffrischung und Aus stattung mit neuen Kräften unterzogen werden, es werden euch, wie von verschiedenen Seiten berichtet wird, in vielen klei neren Städten, wo früher an eine eigene Zeitung dieser Richtung nicht gedacht wurde, Vorbereitungen zur demnächstigcn Her ausgabe sozialdemokratischer Agitationsblätter getroffen, ebenso sollen frühere« literarische Unternehmungen, die unter der Herrschaft des Sozialistengesetzes erdrückt worden waren, nw mentlich populär-wissenschaftliche und unterhaltende Schriften mit sozialistischer Tendenz wiederum kräftig in Aufnahme kommen. In allen diesen Richtungen sind, wie man hört, sehrumfassende Vorbereitungen getroffen und man wird sich auf eine äußerst intensive Preßarbeit gefaßt machen müssen, von deren wühlender und hetzender Wirkung wir wohl jetzt noch kaum eine richtige Vorstellung haben. Es ist gut, wenn sich auch die bürgerlichen Parteien bei Zeiten dagegen rüsten. Auf dem Koblenzer Katholikentag sind in dieser Beziehung be- achtenswerthe Worte gesprochen worden. Ein geistlicher Redner führte aus, das am 1. Oktober eine Fluth von sozialdemo kratischen Blättern und Flugschriften erscheinen werde und daß dem von katholischer Seite durch eine weil regere und wirksamere Thätigkeit in der populären Bearbeitung der sozialen Fragen entgegengetrcten werden müsse. Was das Centrum für nöthig hält, gilt noch weit mehr für dis anderen bürger lichen Parteien. Wir verkennen nicht, was in neuerer Zeit bereits ans diesem Gebiete geschehen ist, aber die verstärkte Thätigkeit der Gegner wird auch unsererseits noch erhöhte Anstrengungen nothwendig machen. Der Ueberfluthung mit der sozialdemokratischen Azitationspresse muß, in Zeitungen sowohl als in volkstümlichen Schriften, in höherem Grad, als es bisher geschehen, in einer gemeinverständlichen, auf- klärcnden, humanen und wohlmeinenden Behandlung der so zialen Fragen entgegengcwirkt werden. Die Presse ist um so wichtiger, je weniger in den lärmenden Versammlungen, in denen die Sozialdemokraten vorherrrschen, vernünftige Wort« durchzudringen vermögen. Eine überaus stürmische Fahrt hat die königliche Dacht „Hohenzollern", wie nachträglich berichtet wird, bei der Rück kehr aus Rußland zu bestehen gehabt. Erst saft ein Zu sammenstoß mit einem Feuerschiff, dann ein solcher Wind, daß das Haus auf Deck wie ein Kartenhaus hinweggehoben und zwischen Maschine und Radkasten eingeklemmt wurde. Einer von den wachthabenden Offizieren wurde wohl die Hälfte des Schiffes entlang geschleudert; di« Matrosen wurden aus ihren Hängematten weit weggeschüttelt. Eine Weile er wies sich sogar di- Arbeit der Maschine als ohnmächtig. Der Kaiser kam aus seinem Schlafzimmer, nur den Mantel schnell übergeworfen, auf Deck um in dem entsetzlichen Unwetter und in der nicht unbedenklichen Sitation seine Befehle zu crtheilen; trotz der Ermahnungen seiner Umgebung, trotz der Ge fahr, über Bord geschleudert zu werden, war er nicht zu be wegen, sich eher in seine Gemächer zu begeben, als bis daS Sckiff seinen CourS wieder einhalten konnte. Au« den Petersburger Kaisertagen. Eine selt same Erzählung über die Petersburger Kaisertage bringt di« „Germania". Dem Blatte wird geschrieben: „Trotz allen Sträubens giebt man in den offiziellen Kreisen zu, daß die Entrevue in Narwa für die demnächstige Gestaltung der euro päischen Politik ein wichtiges Ergebniß gezeitigt habe. Ueber die darauf bezügliche Unterredung der beiden Kaiser wird in Petersburg eine Version verbreitet, deren Echtheit zwar nicht gerade bewiesen werden kann, die aber doch nicht für unwahr- lich gehalten wird. Man erzählt, Kaiser Wilhelm habe am ersten Tage der Zusammenkunft im Laufe der Unterhaltung den Wunsch ausgesprochen, recht häufig mit dem Zaren Be-