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Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag» und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 38. Dienstag, den 12. Mai 1885. Bekanntmachung, das Baden in der Clbe betreffend. Die unterzeichnete Königliche Amtshauptmannschaft bringt hierdurch in Erinnerung, daß durch Bekanntmachung vom 15. Mai 1880 bei Geldstrafe bis zu 60 M. —. oder entsprechender Haftstrafe verboten worden ist, in der freien Elbe an nicht besonders abgesteckten Bade- Plätzen sowie ohne Badehosen zu baden. Die Ortspolizeibehörden der an der Elbe gelegenen Ortschaften haben nicht nur die Aufrechterhaltung dieses Verbotes zu überwachen, sondern auch für Beschaffung geeigneter Badeplätze zu sorgen und die Absteckung derselben durch schifffahnskundige Personen bez. unter Mit wirkung der hierzu beauftragten Elbstromaufseher ausführen zu lassen. Meißen, am 4. Mai 1885. Königliche Amtshauptmannschaft als Elbstromamt. v. Bosse. Bekanntmachung. Der Handarbeiter Friedrich Oswald Mager aus Altfranken, welcher in den Ortschaften zwischen Dresden und Meißen vagirt, ist als Zeuge zu einer auf den 19. Mai o. anberaumten Hauptverhandlung zu laden. Um schleunigste Mittheilung des derzeitigen Aufenthalts Mager's wird ersucht. Königliche Staatsanwaltschaft Dresden, am 7. Mai 1885. I. A. vr Hartman«,, Ass. Aa geSgefchichte. Berlin, 9. Mai. Ueber das Befinden Sr. Maj. des Kaisers lauten die Nachrichten durchaus erfreulich. Der Kaiser ist andauernd in guter Stimmung und hat sogar die Mittheilungen von den Stein würfen in die Fenster seines Arbeitszimmers mit gutem Humor aus genommen. Der Kaiser gedenkt am 16. Juni in Ems einzutreffen, und von dort aus dürfte auch Wiesbaden ein kurzer Besuch zugedacht sein. Auch in diesem Sommer ist ein Kuraufenthalt des Kaisers in Gastein geplant, doch ist über die Zeit desselben noch keine Bestimmung getroffen. Endlich ist am Freitag im Reichstage ein Gegenstand zum Abschluß gebracht worden, der diese hohe Körperschaft und die Börsen- UNd Geschäftswelt lange und viel beschäftigt hat: der aus derJnitia- tive einer konservativ-liberalen Majorität hervorgegangene Entwurf ei nes Börsensteuergesetzes, das auf der Grundlage einer prozentualen Abgabe für Börsengeschäfte ruht, ist mit einer überraschend großen Mehrheit zur Annahme gelangt und bedarf nur noch der Genehmigung des Bundesrathes, die nach der Haltung, welche die Vertreter der Re gierungen und insbesondere der Reichskanzler in der Hauptsache dem selben gegenüber eingenommen haben, mit ziemlicher Sicherheit zu er warten steht. Der Wunsch nach einer stärkeren Besteuerung der Bör sengeschäfte war ein allgemeiner, so daß dem Erlaß eines solchen Ge setzes die innere und äußere Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Der Hoffnung darf indeß Ausdruck aegeben werden, daß durch die Bestimmungen des Gesetzes diejenigen Börsengeschäfte, die Speku lationsgeschäfte vor Allem, wirklich getroffen werden, die man hat tref fen wollen, und daß nicht der reelle Waaren- und Effektenverkehr be engt und geschädigt wird. Die nationalliberale Partei hat im Reichstage einen Antrag ein gebracht, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, für den Fall, daß die Arbeitcrgesetzgebung nicht mehr neu geordnet wird, folgende Er hebungen zu veranlassen: 1) ob und in welchem Umsange die Sonn tagsarbeit verboten werden kann; 2) ob Kinder zwischen 12 und 14 Jahren von der Fabrikarbeit auszuschließen sind; 3) ob und in welchem Umfange eine Einschränkung der Frauenarbeit statifinden kann; 4) ob die Einführung einer Maximalarbeitszeit für männliche Arbeiter gebo ten ist. Die Mitglieder des Reichstags sind auf eine eigenthümliche Weise überrascht worden. Sie haben jeder ein Schreiben der interna tionalen Friedensliga erhalten, in welchem diese Gesellschaft zum Beitritt auffordert. Das Schreiben setzt auseinander, daß der russisch englische Conflikt in seinem ganzen Verlauf gezeigt habe, wie einfluß reich die Presse wirken könne, und wie ersprießlich es wäre, wenn lo kale Vereinigungen existirten, die gleichsam als Filialen der Friedens liga dafür zu sorgen hätten, daß die öffentliche Meinung in versöhn lichem Geiste belehrt werde. Am Schluß wird die Bitte um zustim mende Antwort ausgesprochen. Man wird annehmen dürfen, daß nicht viele Mitglieder des Reichstags diesem Ersuchen, geschweige denn dem jenigen um Beitritt zur Liga entsprechen werden. Was ist zu thun gegen derartige unnütze und ungezogene Burschen? Kürzlich wurde aus Berlin berichtet, daß ein junger Mensch, ein stellenloser Commis, des Nachts im kaiserlichen Palais eine Fensterscheibe eingeworfen habe. Er wurde für geistig gestört er klärt. Wenige Tage darauf versuchte ein anderer junger Mensch, sich in den Wagen des Kaisers zu setzen, der vor der englischen Botschaft hielt. Auch von ihm hieß es, er sei nicht zurechnungsfähig. Und nun kommt der Dritte. Ein Strolch, der am Hellen Nachmittag, am Mitt woch, durch einen Steinwurf die Scheibe des bekannten Eckfensters, an dem der Kaiser so oft steht, zertrümmert hat. Ist der auch wahnsin nig? Dann scheint die Sache epidemisch zu sein! Man darf wohl aber fragen: wäre für solche Streiche denn nicht eine Tracht Prügel am Platze?! Wer es den Sommer über nicht aushalten kann, ohne eine Aus stellung mit seiner Gegenwart beglückt zu haben, der hat auch in die sem Jahr wieder die Auswahl: In Pest die Ungarische Landesausstel lung, in Antwerpen eine Weltausstellung und in London eine Ausstel lung der neuesten Erfindungen. Außerdem sind sowohl in London wie in Paris bereits die „Salons", die Ausstellungen der neuesten Gemälde, eröffnet worden. Endlich sind, dahin transportirt auf 5 Möbelwagen, im Architektenhaus in Berlin sämmtliche Geschenke aus gestellt, die Fürst Bisnarck cm seinem Ehrentag erhalten hat. Die Kriegsgefahr wird als beseitigt betrachtet, schreibt aus Ber lin ein gewöhnlich gut unterrichteter Korrespondent der „Köln. Ztg." „Die Meinungsverschiedenheiten und Streitpunkte, welche noch nicht ganz ausgeglichen sind, erscheinen so unbedeutend, im Vergleich zu denen, über die man nun glücklich hinweggekommen ist, daß die Be fürchtung für unbegründet gilt, es könnte im letzten Augenblick noch etwas auftauchen, wodurch die Gefahr eines Krieges wieder herauf beschworen würde. Anscheinend hat England in den Thatsachen, Ruß land in der Form während der letzten Tage größere Versöhnlichkeit gezeigt, als bis dahin vermuthet wurde. Bemerkenswerth erscheint es, daß man in den Berliner diplomatischen Kreisen bis letzten Donners tag noch an den Krieg geglaubt, oder richtiger gesagt, den Krieg für weit wahrscheinlicher gehalten hatte, als die Aufrechterhaltung des Frie dens. Es erklärt sich dies dadurch, daß die betreffende Berichterstattung aus London und Petersburg auch nur Vermuthungen aussprechen konnte, welche durch die Haltung und Aeußerungen russischer und englischer Staatsmänner begründet waren; diese aber haben bis zum letzten Au genblick die einander entgegenstehenden englischen und russischen Auf fassungen mit solcher Entschiedenheit vertreten, daß ein Ausgleich zwi schen beiden außerhalb des Bereiches der Wahrscheinlichkeit lag. Der Ausgleich hat nun aber doch stattgefunden, und derjenige Theil der öffentlichen Meinung, welcher mit kaltblütiger Berechnung das Ver trauen auf die Wahrung des Friedens nicht hat fahren lassen, hat der zunftmäßigen Politik gegenüber schließlich Recht behalten. Die Ent täuschung der letzteren ist übrigens eine freudige; denn hier ist die Aufrechterhaltung des Friedens sicherlich von Anfang an mit vollster Aufrichtigkeit gewünscht worden." Die pariser Blätt:r berichten jetzt, es sei nicht an dem, daß das Ministerium Brisson die Prinzen aus Frankreich ausweisen wolle. Dann hat man sich eben eines Besseren besonnen und daran hat man gut gethan, denn es wäre unerhört gewesen, wenn es geschehen sein würde. Auf den bloßen Verdacht hin, Verschwörer gegen die bestehende Staatsordnung zu sein, darf niemand ausgewiesen werden, aus keinem Staate, am allerwenigsten aber eine ganze Klaffe von Leuten, denn sonst müsten ja die Sozialdemokraten sämmtlich hinaus aus ihrem Vaterland. Beweise gehören dazu und diese hat die französische Regierung nicht. In Paris haben die Schneidergesellen die Arbeit eingestellt und der Strike nimmt einen sehr großen Umfang an. Schon sind 111 Geschäfte geschlossen, an den großen Boulevards fast sämmtliche, so daß eS den Herren in Paris bang zu werden beginnt, wo sie sich klei-