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Tharandt, Nasen, Aiebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdruss. 45. «kkLlHrALNK. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 72. Dienstag, den 8. September 1883. DageSgefchichte. Der Amtsantritt des Fürsten von Hohenlohe als Statt» Halter der Reichslande soll nunmehr auf den 1. Oktober festgesetzt sein. Der jetzige Kriegsminister Bronsart v. Schellcndorff war bekannt lich als Parlamentär bei der Kapitulation der Festung Sedan im Jahre 1870 mit thätig. Hierüber machte, wie die „Kreuz-Zeitung" berichtet, am Sonntag bei der Sedanfeier im Stadtmissionshause der Hofprediger Bayer einige interessante Mittheilungen, die er aus dem Munde des Kriegsministers selbst erfahren hat und die, so viel wie wir wissen, noch nicht in vollem Umfange in die Oeffentlichkeit ge drungen sind. Als Bronsart v. Schellendorff damals mit verbundenen Augen in die Festung geführt wurde, hörte er auf den Straßen der Stadt deutsche Laute, die von elsässischen Soldaten herrührten, welche ihn, den Repräsentanten der Frankreich feindlichen Macht, auf deutsch begrüßten: „Guten Tag, Kamerad! Bald werden wir eins sein. Der Frieden wird kommen!" Man hatte im deutschen Hauptquartiere keine Ahnung, daß der Kaiser Napoleon in Sedan sei. Als Bronsart v. Schellendorff nun in ein Vorzimmer geführt worden war und nachdem man ihm die Binde von den Augen genommen hatte, hörte er immer von einem „Empereur" reden und er, dem schon vorher durch verschie dene Anzeichen die Vorahnung seltsamer, unerwarteter Ereignisse ge kommen war, fragte nun die im Zimmer anwesenden Herren: „Ist denn der Kaiser hier?" „Jawohl," wurde ihm zur Antwort: „II ost äuns lu osiumbro lä". Baid wurde der Parlamentär zum Kaiser geführt und da saß er nun, aschgrau und fahl, ein gebrochener Mann, der mächtige Kaiser, der noch ein paar Jahre vorher Paris zum Hotel der Welt gemacht hatte, der Kaiser und Könige bei sich empfing, der sich eingebildet hatte, durch seine Worte am Neujahrstage die Welt erzittern zu machen. Zusammengebrochen in seinem Sessel sitzend sagte er: „Ich muß Ihrem Könige meinen Degen geben." Moltke verlangte aber: Der Kaiser selber solle kommen. Man war danach im franzö sischen Lager in nicht geringer Sorge, ob man Napoleon ungefährdet aus der Festung bringen werde, man befürchtete eine Revolte und war der Haltung der Soldaten durchaus nicht sicher. Auf Babnhof Friedrichstraße in Berlin wurde dieser Tage in den Pariser Zug ein reservirter Schlafwagen eingestellt, den dann der bekannte Bankier Bleichröder mit Sekretär allein bestieg. Die Börsen größen fangen an, wie die regierenden Fürsten zu reisen. Ein Privattelegramm der „Krenz-Ztg." aus Paris vom 2. Sept, meldet: Die Verhältnisse in Spanien scheinen sich noch nicht zu bessern, denn die deutsch-feindlichen Kundgebungen dauern fort. Die Haltung des Marschalls Serrano wird viel kommentirt, die Republikaner spre chen es offen aus, daß der Marschall an der Spitze der Truppen die Republik proklamiren und Präsident derselben werden solle. Castelar bereist das nördliche Spanien, um ebenfalls zum Kriege zu Hetzen. Die spanische Regierung sieht sich veranlaßt, wie neuerdings be richtet wird, sich Deutschland gegenüber zu entschuldigen und zu betheuern, daß sie keinen Antheil an dem Lärm habe, welchen die Karolinenfrage aufgewirbelt. Ein offizielles Telegramm meldet nämlich aus Madrid, daß in dortigen Regierungskreisen die Ansicht obwalte, die französische Presse bezwecke mit ihrer Haltung in dieser Sache nichts weiter, als die Spanier gegen Deutschland aufzuhetzen und die guten Beziehungen zwischen beiden Staaten zu zerstören. Man hoffe, Deutschland werde dies richtig würdigen. Weiter habe kein Madrider Blatt von der Regierung die Anweisung erhalten, die Rücksichten gegen Deutschland außer Acht zu lassen. „Die spanische Regierung hat stets auf die versöhnlichen und freundschaftlichen Gesinnungen der deutschen Regie rung wie der deutschen Nation gezählt, sie hat den Straßenexzeffen vorgebeugt und sie verhindert, sie mißbilligt nicht minder die Exzesse der Presse, obgleich sie dieselben mit den bestehenden Gesetzen nicht Verhindern kann!" Ueber die Wirkung des Karolinenstreites auf die Handelsbe ziehungen zwischen Deutschland und Spanien wird aus Breslau geschrieben: „Gegenüber den Mittheilungen, daß spanische Firmen ihre Beziehungen zu deutschen Exporthäusern aus Anlaß des Konflikts wegen der Karolineninseln in brüsker Weise abgebrochen hätten, ist aus Bres lau, welcher Platz namentlich Spiritus und Sprit nach Spanien exportirt, zu konstatiren, daß derartige Aufkündigung von langjährigen Geschäfts verbindungen nicht erfolgt ist und keine einzige spanische Firma ihre Beziehungen zu den Breslauer Häusern abgebrochen hat. Indessen wirkt die Aufregung, die jenseits der Pyrenäen geflissentlich genährt wird, insoweit, als man dort in den Kreisen der Kaufleute den Aus bruch eines Krieges mit Deutschland für nicht unmöglich hält (!!) und sich in einzelnen Fällen weigert, die Wechsel, welche bei Uebergabe der Faktura und Verladungsdokumente vorgelegt werden, gemäß den kon traktlichen Abmachungen zu acceptiren, aus Furcht, daß im Kriegsfall die deutsche Waare führenden Dampfer weggenommen werden könnten. Die Spanier wollen deshalb erst nach Empfang der Waare Accepte geben, bezw. Zahlung leisten. Auf den sonstigen Verkehr mit den großen und angesehenen spanischen Firmen haben die politischen Er eignisse einen Einfluß nicht ausgeübt; jene Firmen beziehen ihren Be darf nach wie vor bei ihren alten Lieferanten in Breslau." Aus den Vorgängen der verflossenen Woche ist die in Münster abgehaltene Generalversammlung der deutschen Katholiken hervorzuheben und zwar namentlich deshalb, weil auf derselben ein sehr kampfesfreudiger Ton herrschte. Bezeichnend ist es u. A., daß der bekannte Centrumsabgeordnete Frhr. v. Schorlemer-Alst und Bischof Brinkmann die Zurückberufung der Jesuiten forderten! Befremdlich war es, daß an der Generalversammlung in der westfälischen Bischofs stadt auch belgische und holländische Katholiken Theil nahmen. Frankfurt a. M., 2. Septbr. Das „Jntelligenzblatt" berichtet: Ein junges Mädchen hatte die Bekanntschaft eines hiesigen Bankiers gemacht und dessen Versicherungen von Liebe und Treue vollen Glauben geschenkt. Nach einer kurzen Abwesenheit von Frankfurt kehrte sie vor gestern wieder hierher zurück und scheint nun Dinge erfahren zu haben, die ihr eine bittere Enttäuschung bereiteten. Sie schrieb sofort an den Geliebten einen Brief, in welchem sie ihm drohte, ihn zu tödten, wenn er sie nicht mehr liebe und verlassen wolle. Der Bankier nahm die Drohung ernst und beeilte sich, ihr ein vorläufiges Schmerzensgeld von 10,000 M. zu übermitteln. Das Mädchen fand darin eine „Un verschämtheit" und theilte ihre Entrüstung darüber in keineswegs schmeichelhaften Ausdrücken einigen Bekannten des Bankiers mit. Dieser ließ nun die ehemalige Geliebte vor den Schiedsmann laden, wo nach längerer erregter Verhandlung ein Vergleich dahin zu Stande kam, daß das Mädchen gegen sofortige Zahlung von 40,000 M. auf alle weiteren Ansprüche verzichtet und Schweigen gelobt. Bei den Manövern in Pilsen ist es wieder zu einer blutigen Rauferei zwischen Deutschen und Tschechen gekommen. Am meisten betheiligt war das Militär, darunter auch Angehörige des in Eger garnisonirenden Regiments „König von Württemberg". Die Veran lassung dazu boten tschechische Soldaten, die in einem Wirthshause tschechische Hetzlieder auf die Deutschen sangen. Ein Unteroffizier von Eger verbot den Soldaten dieses herausfordernde Benehmen, kam aber dabei schlecht weg, denn kaum hatte er seine Ermahnungen angebracht, so flogen ihm auch schon mehrere Biergläser an den Kopf. Daraus folgte eine tüchtige Prügelei zwischen den Soldaten, doch bald mischten sich auch Civilpersonen hinein, holten sich aber nur blutige Beulen. Bon den Soldaten sind 32 Mann mehr oder weniger schwer verwundet. Sechs derselben, die dem Eger Regimente angehören, wurden mit ver bundenen Köpfen nach Eger gebracht, einer aber ist so schwer verletzt, daß er nicht transportirt werden konnte. Daß die österreichischen Zeitungen den Vorfall gar nicht erwähnen, mag damit zu entschuldigen sein, daß sie dem Auslande gegenüber nicht wissen lassen wollen, daß auch bereits das Heer von dem Rasfenhaffe angesteckt ist. Wie die Stimmung in Deutschböhmen ist, das läßt sich kaum beschreiben, denn viele Aeußerungen, welche jetzt offen ausgesprochen werden, könnten als Landesverrath gelten. Sagen doch jetzt Viele ganz unverhohlen: „Wenn nur Preußen uns im Jahre 1866 annektirt hätte." Was soll noch werden, wenn schon das Heer nationale Fragen auf eigene Faust auskämpft? London. 5000 Arbeiter der großen Maschinenfabrik von Wil liam Armstrong in Elswich haben die Arbeit eingestellt, weil sie mit dem Verfahren einiger höheren Angestellten der Fabrik unzufrieden waren. Der „Times" zufolge hat das englische auswärtige Amt eine Mittheiluug erhalten, wonach die deutsche Regierung Willens sei, ihre Differenzen mit Spanien betreffs der Karolinen-Inseln dem Schieds sprüche einer befreundeten Macht zu unterbreiten. Madrid, 5. September. Gestern Abend 10Uhr wurde auf die Nachricht von Aufhissung der deutschen Flagge in Aap das deutsche Gesandschafishotel angegriffen. Es wurden Fenster eingeworfen und das Wappen zerstört. Die Polizei war zu schwach, sie mußten einen der Gefangenen herausgeben. Der Offizier, welcher den Gefangenen frei ließ, wurde seines Amtes entsetzt. Gegen Morgen war der Tu mult vorüber. Es wurden verschiedene Gefangene gemacht. Madrid, 5. September. Ein gestern Abend eingetroffenes offi zielles Telegramm von den Philippinen meldet die Ankunft des Dam pfers „Saint Quentin" daselbst, welcher von der Insel Dap die Nach richt überbrachte, daß der Dampfer „Manilla" am 24. August Abends die Besetzung der Insel vorbereitete, als ein deutsches Kanonenboot eintraf, Abends 7 Uhr seine Mannschaften ausschiffte, die deutsche Flagge aufhißte und die Insel im Namen des deutschen Reichs be setzte. Angesichts dieser Thatsachen legten die Kommandanten der spanischen Kriegsschiffe Protest ein. Vaterländisches. Wilsdruff. Vorigen Dienstag fand im Gasthofe zu Grum bach eine Versammlung von Landtagswählern der Ortschaften Grum bach, Keffelsdorf, Kaufbach, Herzogswalde und Sternbach statt, in welcher Herr vr. Calberla fein Programm als Candidat für den 17. ländlichen Wahlkreis in längerer Rede entwickelte. Die Haupt punkte desselben waren dieselben, welche wir in vorvoriger Nr. d. Bl. wiedergegeben haben und welche auch in einer Correspondenz aus Nossen (s. u.) zum Ausdruck gelangen. Eine am Schluffe der Ver sammlung vorgenommene Stimmzählung ergab ein fast einstimmiges günstiges Resultat für den Candidat. — Wie aus einem Inserat in heutiger Nr. d. Bl. ersichtlich ist, wird nächsten Sonntag auch der zweite für denselben Wahlkreis auf- I gestellte Candidat, Herr Ingenieur und Fabrikbesitzer Hahn aus