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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 26. Juni 1863. 26. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von Lieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den VierteljaSrgang beträgt Iv Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. Sämmtliche König!. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl «in der Redaclion), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach BefiuLen honorirt. Die Rcdaction. Umschau. Europa lebt so hin von einem Tag zum an dern; wie lange das dauern wird, möchten die Politiker und Geschäftsleute gern herausbringen, um sich einzurichten. Napoleon hat kürzlich zu einem alten Schweizer Bekannten gesagt: In drei Monaten werden sich in Europa so wichtige Dinge zutragen, daß die öffentliche Meinung in Frankreich sich wenig mehr um innere Angelegenheiten küm mern wird. — Das ist eine Prophezeihung, wich tig genug, wenn der Prophet aufrichtig wäre. Aengstlicher fast sind die Leute durch die öster reichische Thronrede geworden; sie malt, wie Thronreden es gern thun, Gold in Gold, aber eine Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens über nimmt sie nicht einmal mit einem Worte der Hoff nung. Der Börse und andern Leuten ist das sehr ausgefallen. Ihr Trost ist, daß Napoleon den Feld zug in Mexiko fortsetzt. Sie schließen daraus, daß er in Europa noch nichts zu versäumen haben muß. Also eine Frist. — Der König von Preußen ist nach Karlshad abgereist, nachdem er noch einige Revuen abgebal« ten hatte. Die Minister wollten von ihm noch fernere Eingriffe in die Verfassung erlangen, wur den aber adgewiesen. In seiner Umgebung befin den sich nur Hosleute und Offiziere, kein Minister. — Die Präsidenten der Regierungen haben jetzt gewaltig viel zu thun. Alle Zeitungen ihres Be zirks müssen durchgelesen werden, ob nicht eine Verwarnung nothwendig ist. Ein Berliner Blatt hat bereits die Segel gestrichen, nachdem es die zweite Verwarnung erhalten hat: es hört auf zu erscheinen. Die übrigen enthalten sich meist der Besprechung preußischer Zustände. — Kladderadatsch hat den Muth noch nicht verloren; im Verein mit" Schulze und Müller bringt ec Herrn v. Bismark ein Ständchen: Es kann ja nicht immer so bleiben! Geht man ihm in Berlin an den Kragen, so will er nach Leipzig übersiedeln. — Die dänische Regierung tritt dem deutschen Bunde gegenüber immer schroffer auf. Sie denkt nicht daran, den Vertragsbruch wieder gut zu machen und rüstet ganz offen für den Fall, daß Deutschland Ernst brauchen würde. Der Bundes tag wird wahrscheinlich die österreichischen Vorschläge genehmigen: Holstein so lange zu besetzen und durch Kommissare zu verwalten, bis die dänische Regie rung nachgiebt. — Während der Aufstand im Königreiche Polen allmalig zu erlahmen beginnt, wird er in den Pro vinzen Wolhynien, Podollen und Lilhauen immer kräftiger; die Russen gehen von der Ansicht aus, daß nur der allerdings sehr zahlreiche. Adel die Re volution hervopgerufen habe und treffen nun Ein richtungen, die Bauern dagegen aufzustacheln. Eine Bauernpolizei ist gebildet worden, welche die Edel höfe zu überwachen, Fremde anzuhalten, die Land straßen offen zu erhalten und das Militär zu führen Kat. Dafür wird ihnen jedesmal die Halste der Beute versprochen. Natürlich finden sich zu solchem Handwerke Leute genug, den Russen nützen sie je doch im Ganzen wenig, da ihr ganzes Sinnen und Trachten nur auf's Plündern gerichtet ist und sie auch die den Russen ergebenen Eoelleute nicht verschonen. — Täglich treffen in Warschau neue Truppentransporte aus dem Innern Rußlands ein,;,, ein Beweis, daß der Kaiser den Aufstand noch lange nicht für unterdrückt ansicht. Die alten Regimenter sehnen sich nach Hause, besonders die Kosacken, die ihre Beute gern in Sicherheit bringen möchten. —