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Wochenblatt für vierteljährlich 1 Mark Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag Abonnementspreis Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich i Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pj. Znseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die König!. Amtshanptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdrufs. Aweiun-vierzigfier Jahrgang. Eine einzelne Nummer — für kostet 10 Pf Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Rr. «1. 1882. Dienstag, den 1. Augnst Tagesgeschichte. Interessant ist es, daß die Volksschullehrer aus dem Lehrertage in Cassel erklärt haben, sie wünschten nicht wie bisher 6 Wochen im Militär zu dienen, sondern wollten Einjährig-Freiwillige werden. Die Kwöchentliche Dienstzeit, sagt ihr Referent (Wilke-Schwerin), sei keine Bevorzugung, sondern eine Benachtheiligung für sie; denn ausgebildet könnten sie in 6 Wochen nicht werden, ihre gesellschaftliche Stellung aber werde dadurch heruntergedrückt. Die Versammlung nahm die Thesen an: „Die kwöchentliche aktive Militärdienstpflicht der Lehrer fördert nicht das Wohl der Volksschule, sondern übt durch die dadurch geschädigte berufliche Stellung der Lehrer einen nachthei ligen Einfluß aus. 2) Der deutsche Volksschullehrer muß gleiche Rechte und Pflichten mit jedem andern Deutschen gemeinsam haben und tragen und muß berechtigt fein, auf Grund der Befähigung für das Volksfchulamt seiner Militärdienstpflicht durch den Einjährig- Freiwilligen-Dienst zu genügen." — Auch gegen die Schulspar kasfen sprach sich der Lehrertag sehr entschieden aus. Die angenom menen Thesen erklären diese Kassen aus einer Reihe von Gründen (Störung des Unterrichts, falscher Entwickelung des Karakters der Kinder, Unzulässigkeit eines Filial-Sparkassenwesens in der Schule rc.) für Verwerflich und empfehlen die Einrichtung der Kinder- und Pfennig- Sparkassen ohne Verbindung mit der Schule und ohne die amtliche Betheiligung — der Lehrer. An das Bureau des Reichstages sind wieder mehrere Petitionen gelangt, welche den Erlaß eines Gesetzes gegen die WeillfÜIschUIIg ver langen. Bekanntlich hatte der Abg. Buhl in der letzten Session der vorigen Legislaturperiode des Reichstags einen vollständig ansgear beiteten Gesetzentwurf, welcher sich mit dieser Materie beschäftigt, ein gebracht. Derselbe war auch bereits in einer besonderen Kommission durchberathen worden, schließlich aber nicht mehr an das Plenum gekommen. In der Einkommensteuer in Preußen sind in diesem Jahre am höchsten eingeschätzt die Frankfurter Rothschilde, Freiherr Mayer Carl, der Chef des Hauses, mit 136,800 Mk. und Wilhelm v. Roth schild mit 143,640 Rik. Bei dem einen bedeutet das ein reines jähr liches Einkommen von mindestens 4,560,000, bei dem andern ein solches von mindestens 4,788,000 Mk. Wie gewaltig fallen dagegen gleich die übrigen Höchstbesteuerten in der reichen Stadt Frankfurt ab. Von 136,800 Mk. springt der Steuersatz sofort auf 17,100 Mk., die ein Fabrikant Zimmer bezahlt, dann kommt Baron Ludwig v. Erlanger mit 13,680 Mk. Mehrere Beamte scheinen sich auch eines ganz hübschen Privatvermögcns zu erfreuen, das ist erstlich der Inspektor des Dia konissenhauses, Pfarrer Lübecker, der 4788 Mk. Staatseinkommensteuer bezahlt, dann der Oberbürgermeister Miquel mit 2052 Mk. Auf mehr als 4 Millionen Gulden schätzt man die Verluste, die der Wiener Platz allein in Alexandrien erlitten hat, und noch schwerer dürften die Verluste sein, welche er in Kairo erleiden wird, da diese Stadt die wichtigsten und reichsten Niederlagen für Südegypten und für Abessynien umschloß. Deshalb vertröstet man sich in Oesterreich noch immer auf eine türkische Intervention, welche den bevorstehenden Kämpfen in Egypten wenigstens den Charakter eines Glaubenskrieges nehmen würde. Unter solchen für den österreichischen Handel höchst ungünstigen Verhältnissen geht die Triester Ausstellung ihrer Eröffnung entgegen, die bei der Rücksichtslosigkeit der dortigen italienisch Gesinnten kaum einen recht feierlichen Charakter tragen dürfte. Das Gerücht, man habe Dynamitpatronen im Ausstellungsgebäude gefunden, war von den Italienern selbst in Szene gesetzt worden. Eine erfolgreiche anti-österreichische Demonstration zur Zeit des kaiserlichen Besuches in Triest wäre aber ein so unangenehmes Ereigniß, daß man wohl re gierungsseitig alles daran setzen wird, dieselbe zu verhüten. Zögernden Schrittes und nach langer Ueberlegung ist die Pforte endlich an dem Punkte angekommen, wo Europa sie haben wollte: sie hat sich bereit erklärt, unter den von der Konferenz festgesetzten und in der identischen Note vom 15. d. M. angegebenen Modalitäten tür kische Truppen nach Egypten zu senden, nachdem sie zuerst gegen den Zusammentritt der Konferenz protestirt, dann, als die Westinüchte sie zur Entscheidung drängten, an den Berathungen der Botschafter Theil genommen, und hierauf sich zur militärischen Intervention in Egypten im Prinzip, d. h. ohne sich an die von den Mächten vereinbarten Bedingungen zu binden, bereit erklärt hatten. Letztere ver langen die Wiederherstellung der Ordnung und des Zustandes wie vorher, verwehren der Pforte die Einmischung in die innere Admini stration Egyptens und fetzten die Dauer der Okkupation auf drei Mo nate fest. Dieselbe kann jedoch verlängert werden, wenn die Verhält nisse es erfordern sollten und der Khedive dazu seine Zustimmung giebt. Zur allgemeinen Ueberraschung, die wohl nirgends größer sein wird als in England, hat die Pforte diese Bedingungen angenommen, "bereinige Wünsche geäußert, welche sich „auf die Behandlung D->r wi^^btailfragen beziehen", wie der Telegraph lakonisch meldet, lii-be dieser Wünsche dürfte darauf abzielen, daß eine mög. von °"b^ung der Anwesenheit der türkischen Truppen in Egypten " da vorherigen Zustimmung des Khedive abhängig gemacht Ä °ls em Eingriff in die Souveränetätsrechte des Sul ¬ tans ve cyret werden müsse. Diese Folgerung ist klar und stichhaltig, und daher werden sich die Mächte dem geäußerten Wunsche nicht wi dersetzen können. Noch ist es nicht bekannt, welchen Eindruck das un verhoffte Nachgeben der Pforte und ihr plötzliches Eingehen auf das von den europäischen Mächten aufgestellte Programm auf die englischen Staatsmänner gemacht hat und wie sich diese in die neue Lage, welche den ganzen kriegerischen Apparat Großbritanniens überflüssig macht, finden werden. Wenn England, das augenblicklich vollständig isolirt ist, fein Interesse richtig auffaßt und nicht falsch verstandene selbst süchtige Interessen verfolgt, wird es der türkischen Mitwirkung keine unübersteiglichen Schwierigkeiten bieten und die Gelegenheit, wieder in das europäische Konzert einzutreten, bereitwillig ergreifen müssen, zumal es sich nicht darüber täuschen kann, daß auch bei vereinzeltem Vorgehen bezüglich der Endergebnisse Europa sein entscheidendes Wort zu sprechen hätte. Das französische Kabinet kann dem Sultan für diesen Entschluß dank bar sein, da hierdurch die Krisis, welche durch die Verweigerung des verlangten Kredites demnächst heraufbeschworen werden sollte, wenn nicht ganz beseitigt, so doch vertagt worden ist. Der Ministerpräsident Freycinet theilte denn auch gestern dem Ministerrathe und der Depu- tirtenkammer die veränderte Lage mit und beantragte Verschiebung der Debatte über die neue Kreditforderung, die gewährt wurde. Ebenso ist Italien der Nothwendigkeit enthoben, sich für die West- oder Ost mächte zn erklären nud entweder an der Expedition nach dem Suez- kaual theilzunehmen oder bis auf weiteres neutral zu bleiben. Die plötzliche Wandlung, welche die politische Lage durch den Entschluß der Pforte, in Egypten bewaffnet interveniren zu wollen, erfahren, wird in diplomatischen Kreisen vorwiegend dem Einfluß des deutschen Vertreters in Konstantinopel zugefchrieben. Die Pforte scheint durch die drohende Haltung Englands in der That etwas eingeschüch tert gewesen zu sein und befürchtet zu haben, daß eine türkische Inter vention nunmehr englischerseits zum Scheitern gebracht werden würde. Jndeß soll Herr von Hirschfeld dem Premierminister des Sultans Kutschuk Said Pascha, sowie dem Minister des Aeußern Mehemed Said Pascha nach dieser Richtung hin durchaus beruhigende Zusiche rungen gemacht haben, indem er den türkischen Staatsmännern erklärte, daß, welcher Art auch immer die englischen Erfolge sein mögen, Eu ropa beim Friedensschluß darauf sehen werde, daß nicht nur seine In teressen, sondern auch die der souveränen Macht, also die des Sultans gewahrt bleiben. Darauf habe nun die Pforte in die bedingungslose Entsendung des Expeditionskorps gewilligt. England wirft der tür kischen Intervention abermals ein Hinderniß entgegen, dadurch, daß es noch, ehe ein türkisches Korps eingeschifft wird, vom Sultan den Erlaß einer Proklamation verlangt, durch welche Arabi Pascha als Rebell erklärt wird. Es werde schon mehrfach hervorgehoben, daß es Abdul Hamid fast unmöglich ist, in diese Forderung der britischen Regierung zu willigen, und er will denn auch eine diesbezügliche Pro klamation nicht erlassen, wenn das türkische Jnterventionskorps auf egyptischen Boden steht. Ein Telegramm des Londoner „Daily Telegraph" aus Alexan drien vom 28. d., Vormittag 10 Uhr meldet: Arabi Pascha tele- graphirte heute früh dem Khedive den Vorschlag zum Frieden; er erbietet sich, sich in ein Kloster zurückzuziehen, und fordert für sich Gehalt und Rang eines Obersten und die nämlichen Ver- günstigungeu für Ali Fehmi, Abdallah, Tulba, Mehmed, Samy Pascha, sowie für fünf andere feiner Hauptanhänger. Der Khedive hat die Vorschläge Arabi Paschas dem britischen General Alison mitgetheilt und um dessen Meinungsäußerungen gebeten. Kapitän Halton und zwei Adjutanten des Generals Alison begaben sich heute früh nach Matedla zu einer Besprechung mit dem egyptischen Premierminister Reouf Pascha und zwei Ulemas, die aus Kafrdawar eingetroffen sind, um über die Vorschläge zu verhandeln. England will Alexandrien als Faustpfand für einen recht zeitigen Wiederabzug der türkischen Truppen besetzt halten. Die Unter werfungs-Verhandlungen Arabis bezweckten, die Proklamation des Sultans, die ihn als Rebellen erklären soll, überflüssig zu machen. Die Aussichten zu einer friedlichen Beilegung der egyptischen National-Erhebung sind somit im Steigen. Jedenfalls wäre die jetzt auftauchende Lösung die angenehmste. Daß die Engländer so lange „Gewehr im Anschlag" stehen, bis Arabi Pascha wirklich ins Kloster gegangen ist, wird ihnen angesichts der bisherigen Kostspieligkeit Nie mand verdenken können. Uebrigens wird angesichts der früheren „Politik der Bestechung", welche das Kabinet Gladstone den Afghanen gegenüber anwandte, im Falle Arabi wirklich gutwillig abdankt, wohl niemals der Verdacht ganz schwinden, daß der Rückzug Arabis in ein Kloster den Engländern sehr viel Geld kostete. Gladstone und Genossen waren stets Freunde — goldener Waffen. Arabi bietet übrigens seine Unterwerfung in einem Augenblicke an, da die Lage der Engländer in Alexandrien vorübergehend recht kritisch zu werden droht. Denn Admiral Seymour hat letzten Freitag die Komman danten der fremden Kriegsschiffe ersucht, die Angehörigen ihrer Natio nalität, welche etwa nach Alexandrien zurückzukehren beabsichtigen, da rauf aufmerksam zu machen, daß der Eintritt von Wassermangel in Alexandrien unmittelbar bevorstehe, da Arabi Pascha den Mamudiehkanal abgedämmt habe. Ein Wassermangel der Engländer wäre kein schlechter Alliirter für Arabi Pascha und dessen Wünsche.