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scheMM für . für Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. Abonnementsprcis vierteljährlich 1 M ark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Inseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. .ilsdruff, ThamM, Siebenlehn und die Umgegenden. Nossen, Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonneinentSpreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Inseratcnannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die Königl. Amtshlmptnimmschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. ZweiunLvierzigfter Ashrgsng. Nr. 8. Freitag, den 27. Januar 1882. AucLions - Bekanntmachung. Montag, den ZU. Januar d. I., NacktmitLagS S Uhr, sollen im Börnsr^schen Gafthofe zrr Neukirchen 1 Wagen mit eisernen Axen, 1 Renn- und l Lastschlitten gegen sofortige Baar zahlung meistbietend versteigert werden. Wilsdruff, am 18. Januar 1882. Der Gerichtsvollzieher des .Königlichen Amtsgerichts. Matthes. T agtsgeschichte. Berlin. Abermals verursachte ein Geisteskranker am letzten Sonnabend vor dem Palais des Kaisers einen größeren Auflauf. Derselbe, ein Gutsbesitzer Friedrich Wilhelm Müller aus Leipzig, war nach seiner Angabe besonders nach Berlin gekommen, um dem Kaiser eine wichtige Mittheilung zu machen, und um die sündigen Berliner zu bekehren. Obwohl dem Manne wiederholt bedeutet wurde, daß er den Kaiser nicht sprechen könne, so versuchte er doch, mit Gewalt in das Palais cinzudringen. Die dort stationirten Exekutivbeamten mußten daher zu der Verhaftung des Mannes schreiten und brachten ihn nach der Wache des Polizeireviers. Nachdem hier von einem Arzte die Gemeingefährlichkeit des augenscheinlich an religiösem Wahnsinn lei denden Mannes festgestellt war, wurde seine sofortige Ueberführung in die Jrrcnabtheilnng der Neuen Charito verfügt. Eine Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 21. Jan. erklärt, die Rinderpest sei im ganzen Reichsgebiete als erloschen anznsehen. Wie der „Nat.-Ztg." von gutunterrichteter Seite berichtet wird, ist der Entwurf des Gesetzes zur Einführung des Tabakmonopvls den Bundesregierungen mit der Motivirung nun bereits mitgetheilt worden, daß von dem Ertrage für das Reich nur die dem jetzigen Ertrage der Tabakbcsteuerung entsprechende Summe in Anspruch ge nommen, der Nest aber den Einzelstaaten behufs der Steuerreform überwiesen werden soll; speziell in Preußen soll er zum vollständigen Erlaß der Klassensteuer und zur Ueberwcisnng der halben Grund- und Gcbäudesteucr an die Kommunalverbäudc verwendet werden. Vom „Patrimonium der Enterbten" sei in dieser Miltheilung ebensowenig die Rede. Die letzt: Woche des Reichstags würde ohne Anstrengung und Aufregung mit der formellen und selbstverständlichen Erledigung des Etats und der anderen Restsachen in dritter Lesung fertig werden, wenn nicht liberalerseits bei Gelegenheit der letzten Budgetdebatte der königliche Erlaß vom 4. Januar im Reichstage zur Sprache ge bracht werden sollte. Ein äußerer Anlaß dazu liegt, wie auch die „Germania" meint, freilich jetzt vor, „nachdem man versucht hat, den Erlaß auch in den Reichslanden und gegenüber einigen Reichsbeamten zur Geltung zu bringen." Doch möchten wir", schreibt das genannte Blatt, „der Linken rathen, sich auf die Verwahrung gegen die Hcrein- zichung des preußischen Staatsrechls in die Reichsaugelcgenhesten zu beschränken und die Erörterung der preußischen Rechtszustäude der kompetenten Stelle, dem Landtage der Monarchie zu überlassen. Es wird das um so mehr angezeigt sein, als voraussichtlich der Kanzler wegen seines leidenden Zustandes diese Woche an der Diskussion nicht theilnehmen kann; die Debatte würde also voraussichtlich auf einen Zank zwischen Herrn Richter und Herrn v. Minnigerode hinauslaufen, dessen Nothwendigkeit und Ersprießlichkeit jedenfalls nicht außer Zweifel steht." Der Kanzler ist aber doch, wie aus den neuesten Mittheiluugen zu ersehen, vom Krankenbett in den Reichstag gekommen und hat die Verthcidignng des Erlasses in einer effcktrcichen Rede selbst geführt. Der Abgeordnete Or. Haencl sagte: Wenn auch an das preu ßische Ministerium gerichtet, berühre dieser Erlas; doch auch die Rechte des Reichstags, denn er beziehe sich auch auf die Stellung der Beamten zu den Reichstagstvahlen und sei auch in den Reichslanden veröffent licht worden. Die Stellung des Königs von Preußen sei auch un trennbar von der gejammten Organisation des Reichs. Der Redner bezeichnet es als Kindermärcheu und Winkelzüge, wenn man behaupte, es handle sich um Abwehr von Angriffen auf die Rechte des Königs, viel mehr befinde sich die Volksvertretung in der Defensive gegen die Angriffe, denen siefortmähreudausgesetzt sei. Es sei uen die Person des Königs hiueinzuziehen in die leidenschaftlichen Debatten der Wahlbewegung und er beklage deshalb den königl. Erlaß im Interesse der höchsten Macht und höchsten Würde der Krone. Es widerspreche der Ver fassung, wenn der Minister Deckung suche durch die Berufung auf die Person des Königs; das fei nichts Anderes, als daß man den König verantwortlich mache, so weit es in Parlamentarischen Formen möglich sei. -Nicht der König gewinne dadurch an Machtstellung, sondern der Minister und es entspreche nicht der Devise: „Dem Könige jeder Ruhm, dem Minister jede Gefahr". Er könne keine andere Veranlassung zu dem Erlasse finden, als den: die Verantwortlichkeit der Minister zu decken mit der Person des Königs. Was den zweiten Theil des Er lasses betrifft, so dürfte derselbe als abschreckendes Mittel auf die Be amten wirken, deren politische Uebexzeugung nicht mit seinem Inhalt übereinstimmt. Fürst Bismarck erklärte dagegen, der Erlaß bean spruche keine neuen Rechte für das Königthum. Er selbst mache sich verantwortlich für alle Handlungen seines Königs, in der Verfassung sei von den Ministern gar keine Rede; ob die Rechte des Königs m die konstitutionellen Formen passen, sei ihm gleichgiltig, sie stehen in der preußischen Verfassung und der König von Preußen habe das Be- dürfniß gefühlt, dieselben einmal in Erinnerung zu bringen. Die preußischen Könige faßten ihre Stellung in erster Linie niemals vom Gesichtspunkte der Rechte, sondern stets von demjenigen der Pflichten auf und dieser Regenteupflicht gab Friedrich der Große dadurch Aus druck, daß er sich selbst als den ersten Diener des Staates bezeichnete. Faktischer Ministerpräsident sei Se. Majestät der Kaiser. „Wenn Sie behaupten, daß sich die Minister gegenüber den Parlaments reden zu decken und zu schlitzen suchen durch die Person des Königs, so überschätzen Sie sich. So gefährlich sind Sie nicht. (Beifall rechts.) Wenn Sie aber mir, nachdem ich meinem Kö nige zwanzig Jahre diene, den Vorwurf der Feigheit machen, so müßte Ihnen dieser Vorwurf die Rothe ins Gesicht treiben." (Leb hafte Unruhe links; Richter ruft: selber die Röthc!) — Der Reichs kanzler ging alsdann ans den zweiten Theil des Erlasses bezüg lich der Beamten ein und schloß mit den Worten: „Ich habe im Namen Sr. Majestät zu erklären, daß er sich seine verfassungs mäßigen Rechte weder nehmen, noch verkümmern lassen wird, sofern entschlossen ist, seine Regenteupflicht zu üben und ich bin entschlossen, dem Könige zn helfen, aber als Diener und nicht als Vormund." (Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Dr. Hänel bestritt, dem Kanzler den Vorwurf der Feigheit gemacht zu haben. Das sei eine reine Phantasie des Herrn Reichskanzlers; er habe auch nicht eine Andeutung dahin gemacht und müsse vermntheu, daß der Reichs kanzler einen solchen Passus brauchte und ihn deshalb erfand. (Leb hafte Zustimmung links, großer Widerspruch rechts.) Reichskanzler Fürst Bismarck (aufgesprungen und an die Rednertribüne getreten): Ich lasse mir das nicht ausredeu. Wenn mau Jemand beschuldigt, in seinem Dienste sich mit der Person seines angestammten Königs und Herrn decken zu wollen, um sich einer Verantwortlichkeit zn ent ziehen, so ist das der Vorwurf der Feigheit im Dienst. Ich bin an Beleidigungen hier gewöhnt. (Rufe links: Wir auch!) Fürst Bismarck verließ hierauf iu großer Erregung den Saal. Berlin, 20. Januar. Die Sozialisten, welche im November vor. Jahres in Marienborn bei Mainz tumultuirte» und gegen Ortsbe wohner und die Polizei Ausschreitungen begingen, standen gestern vor dem Mainzer Landgericht. Sämmtliche sieben Angeklagte wurden, wie das „B. T." erfährt, vcrurtheilt, und zwar einer zu 40, einer zn 38 Tagen, einer zn vier, drei zn drei Wochen Gcfängniß und einer zn 25 Mark Geldstrafe. Die Herren Richter und Günther von der Fortschrittspartei im 5. Reichstagswahlkreise in Berlin durchzubriugen, hat 8000 Mk. gekostet. In Frankreich hat das gewissenlose, wilde Börsenspiel un geheure Opfer gekostet und auch Oestreich in den Unglückswirbel hinein-- gerissen. Die großen Börsen in Paris, Lyon und Wien glichen einem Schlachtfeld. Eine hervorragende Rolle spielte der Pariser Börsen- matadvr Bontoux; die größten Bnnkierhäuser spielten gegen einander mit allen Finessen der großen und kleinen Börseukuiffc; und Hundert- taujende vonkleinen und mitllerenLeuten, die den modernen Rattenfängern von Hameln folgten, ohne von der Börse etwas zn verstehen, verloren ihr Vermögen. In Lyon, wo sich das Börsenspiel um die dortige Bank austvbie, herrscht die tiefste Trauer, alle Lustbarkeiten für den Karneval sind eingestellt. Der Krach geht durch alle Häuser und Familien. In Wien ein wahres Chaos an der Börse, jeder sucht von seinen Papiere zu retten, was noch zu retten ist, aber nirgends Käufer. Ein Frankfurter Börsenbericht vom 22. Januar klagt: Eine Schreckens- wochc liegt hinter uns! Wie viele werden Nachfolgen? Aus der Bibel wissen wir, daß es vor der Sündfluth 40 Tage laug geregnet hat, aber kein Geologe vermag uns zu sagen, wie lange die Vulkane getobt und gewüthet haben, bis sie zusammengebrocheu und eingestürzt sind, sodaß sich in ihren erloschenen Kratern die Seen bilden, die wir in den Hochlanden austauuen. Rasenden, wütheuden Vulkanen sind gegenwärtig die Börsen vergleichbar. Gambetta spielt ein hohes Spiel. Er will die Verfassung rc- vidiren, aber nur nach seinem Sinne, und in die Versassuna soll die Abstimmung nach Listen ausgenommen werden. Diese Art Abstimmung würde ihm zu einer Diktatur verhelfen und deshalb sind Kammer, Senat und der größte Theil des Volkes dagegen. Das Mißtrauen gegen die ehrgeizigen und herrschsüchligen Pläne Gambettas ist allge mein, man sagt ihm nach, er wolle unumschränkte Macht erlangen, nm einen Rachekrieg gegen Deutschland zu entzünden, das Volk aber will keinen Krieg. Der österreichische Botschafter Graf Beust soll in diese Pläne verwickelt und deshalb nach Wien gerufen worden fein. Der alte Ränkeschmied wird schwerlich nach Paris zurückkehren.