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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. H — Freitag, den 4. Januar " 1878. Bekanntmachung. Rente« und LsnbeSeulturrenten, 4. Dermin, sind Sonnabend, den 5. d. MtS., bei Vermeidung der executivischen Beitreibung an die hiesige Stadtkämmerei zu bezahlen. Gleichzeitig werden diejenigen, welche noch Anlagen oder Schulgeld rc. zu den hiesigen städtische» Lasse» schulden, aufgefordert, diese Reste nunmehr bei Vermeidung von Weiterungen bis spätestens den 20. dieses Monats ebenfalls an die hiesige Stadtkämmerei ab- zuführen. Wilsdruff, am 2. Januar 1878. Der Stadtgemeinderath. Ficke», Brgmstr. Offene Nachtwächter Stellen. Die hiesigen beiden Nachtwächterstellen, mit welchen ein jährlicher Gehalt von je 300 Mark verbunden ist, sollen am 1. Februar dss. IS. anderweit besetzt werden. Geeignete Bewerber, überhaupt gesunde und kräftige junge Männer, welche sich um diese Stellen bewerben wollen, wollen ihre Gesuche bis zum 15. diese- Monats bei uns einreichen. Wilsdruff, am 2. Januar 1878. Der Stadtgemeinderath. Kicke», Brgmstr. Das 15. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1877 enthält: Na. 84. Bekanntmachung, die dermalige Zusammensetzung des Landtagsausschusses zu Verwaltung der Staatsschulden betreffend; vom 24. November 1877. No. 85. Verordnung, eine Ernennung für die erste Kammer der Ständeversammlung betreffend; vom 30. November 1877. No. 86. Bekanntmachung, die Aufhebung der amtshauptmannschaftlichcn Delegation zu Schandau betreffend; vom 4. Dec. 1877. No. 87. Gesetz, dis provisorische Forterhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1878 betreffend; vom 13. Dec. 1877. No. 88. Verordnung, die provisorische Forterhebung der Steuern und Abgabe» im Jahre 1878 betreffend; vom 13. Dec. 1877. No. 89. Verordnung, die Ausführung des Einkommensteuergesetzes vom 22. December 1874 im Jahre 1878 betreffend; vom 14. December 1877. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Rathsexpedition zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 3. Januar 1878. Der Stadtgemeinderath. Ficke». Tagesgeschichte. Das lebhafteste Interesse ist jetzt in Sachsen der künftigen Ge- richt-organisation zugcwcndet. Sechszchn Gerichtsämter sind vom Justiznnnisterium auf den Aussterbeetat für die nächsten 2 Jahre ge setzt, um die zukünftigen Amtsgerichte auf ca. 20-—30,000 Einwohner zu erheben. Hiermit wird einen, großen Theile des Landes eine der wichtigsten Existenzbedingungen wesentlich erschwert und geschädigt. Kein Wunder darum, daß der Landtag mit Gesuchen um Erhaltung der bestehenden Gerichtsamtssitze von diesen und deren Umgegenden überschüttet wird. Für die liberale Partei ist aber die Frage noch nach der Richtung hin von Wichtigkeit, daß die bisherige willkürliche Auswahl und Aushebung der Amtssitze durch ein Gesetz ersetzt werde. Ein desfallsiger Antrag ist aus fortschrittlichen Kreisen ausgcgangen. Der deutsche Militäretat für das neue Jahr, dieser Riese im Rcichshaushalte, ist vor einigen Tagen den Bundesrathsmitglicdern zugegangen. Schon sein Bericht ist riesenhaft, er umfaßt 134 Druck bogen und enthält die Einnahmen und Ausgaben der preußischen Armeeverwaltung und der in dieselbe aufgenommenen Contingente von Baden, Elsaß - Lothringen, Hessen, beiden Mecklenburg, der thüringischen Staaten, Anhalts u. s. w., endlich des königlich sächsi schen und des königl. würtembergischen Contiugent. Im großen und ganzen find die Erhöhungen der Ausgaben des Etats gegen das laufende Jahr nicht erheblich. Es betragen für Preußen und die zugehörigen Contingente die ordentlichen Ausgaben 252,533,557 M., die außerordentlichen Ausgaben 6,313,906 M., die Gesammtausgaben also 258,847,463 M. Für Sachsen belaufen sich die ordentlichen Ausgaben aus 19,077,971 M., die außerordentlichen Ausgaben auf 2,067,156 M., zusammen auf 21,145,127 M. Endlich beträgt für Würtembcmberg bas Ordinarium 974,873, die Gesammtausgabe 14,801,650 M. Der Ausgabcclat aller drei Gruppen erreicht eine Höhe von 294,794,240 M. Bei einem Blicke auf die Ereignisse des scheidenden Jahres kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß die große orientalische Krisis auf einem Höhepunkt angelangt ist, der für Las nächste Jahr eine baldige Wiederherstellung des Friedens oder eine Verallgemeinerung des Konflikts in Folge der Einmischung dritter Mächte in den zwischen Rußland und der Türkei entbrannten Kampf in Aussicht stellt. Es war besonders die Haltung Englands, welche bisher in den otlomanischen Staatsmännern die keimenden Friedens- Wünsche unterdrückte und einem Abkommen zwischen Rußland und der Pforte die äußersten Schwierigkeiten in den Weg legte. Ob ein Ein schreiten Englands der Türkei zum Heil gereichen würde, ja ob es bei demselben überhaupt nur apf die Rettung des ottomanischen Reichs abgesehen wäre, das ist allerdings eine Frage, welche selbst otto- manische Staatsmänner, soweit sie im Stande sind, die Lage der Dinge kühl und unbefangen zu beurtheilen, kaum mit einiger Zuversicht zu bejahen geneigt sein werden. War in früherer Zeit, ja selbst noch im Beginne der Verwickelung, aus welcher der gegenwärtige Krieg hervorgegangcu ist, die Erhaltung der Integrität des türkischen Reiches das politische Dogma, nach welchem England seine Beziehungen zu der orientalischen Frage regelte, so gilt diese Formel jetzt für ver altet und abgethan und an Stelle derselben ist das vieldeutige Schlag wort getreten: Wahrung der britischen Interessen. Vom Kriegsschauplätze liegen wenig neue Nachrichten vor. Wie schon mehrfach erwähnt, ist das Wetter so kalt geworden, daß fast alle militärischen Operationen haben eingestellt werden müssen. Einem Telegramm der „Times" aus Ablonowo, 22. Dec., zufolge fing es schon am Tage nach der Abreise des Kaisers an zu schneien; der Schnee liegt jetzt mehr als zwei Fuß hoch und ist stellenweise durch den scharfen Ostwind so zusammengcwcht, daß die unterirdischen Hütten der Soldaten vollständig verschüttet sind. Der Transport dienst ist unterbrochen. England hat gegenüber den Staaten des Mittelmeeres soeben wieder einen Schritt gelhan, welcher recht bezeichnend ist für das, was diese Staaten in Zukunft von einer gesteigerten Machtstellung Britanniens im Mittelmeer zu erwarten haben. Man wird sich noch erinnern, daß vor ein paar Wochen italienische Kauffahrer die russi schen Häfen im Schwarzen Meere besucht hatten und bei der that- sächlich unwirksamen und rechtlich also ungiitigen türkischen Blockade ungehindert bis z« den Meerengen gelangt waren, hier auf Grund der erklärten Blockade angchaltcn wurden. Schon diese Maßregel geschah, wie damals verlautete, auf Betreibung des englischen Ver treters in Slambul. Nun kam vor einigen Tagen aus Constanti- nopcl solgende Depesche: „Der englische Vertreter, Layard, hat der Pforte eine Note überreicht, in welcher gegen die Freigabe der mit Beschlag belegten Italienischen Schiffe protestirt und zugleich verlangt wird, daß diese Schiffe als gute Beute erklärt werden." Ein solches Verhalten Englands ist, wie die „N. Z." mit Recht hervorhebl, säst ein feindseliges zu nennen. Gerade das seefahrende England thut sich wiederum hervor durch Nichtachtung der Seerecht lichen Verordnungen und Verträge. Die Verträge erklären die türkische Blockade für rechtlich ungültig, da die türkische Blockade- flotte so unzureichend ist, daß bekanntlich fortdauernd Schiffe nach Erklärung der Blockade in den russischen Häfen aus- und enigelaufen sind, da griechische Schiffe sogar mit türkischer Erlaubniß diese Fahrten machten, da neuerdings russische Kriegsschiffe mit Erfolg vo» russi schen Häfen aus Jagd auf türkische Transportfahrzeuge machten. England aber findet es zweckmäßig, die Blockade für giltig zu er klären trotz der Pforte, und zwingt der letzteren also ein Vertrags-