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Wochenblatt für ilsdrnff, Tharandt, Stoffen, Sievenlehn und die Umgegenden * für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. ^tchtund-reißigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mnl (Dienstag und Freitag) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Inseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich L Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nr. 74. Dienstag, den 1^. September 1878. Bekanntmachung. Da in nächster Zeit die Rückgabe der wegen Vornahme der Vorarbeiten für den Bau einer Eisenbahn von Dresden über Wilsdruff nach Leipzig nebst Zweigbahn von Ostrau über Lommatzsch nach Meißen bei der Cautionscasse des Königlichen Finanzministeriums seiner erfolgen soll, werden die Besitzer der von den fraglichen Vorarbeiten betroffenen, im hiesigen amtshauptmann- schastllchen Bezirke gelegenen Grundstücke hierdurch aufgefordert, etwaige unerledigte Flurschädenansprüche spätestens bis Ende dieses Monats anher anzuzeigen. Meißen, am 9. September 1878. Königliche Amtshauptmannschaft. von Bosse. Bericht über die Hauptversammlung des landwirthschastlichen Kreisvereins zn Dresden, abgehalten am 7. September d. I. in Wilsdruff bei Gelegenheit der stattgefundenen landwirthschastlichen und Gewerbeausstellung. . (Nach stenographischer Niederschrift.) Hsrr Leutritz eröffnete die Sitzung, indem er die erschienenen Mitglieder und Gaste bewillkommnete, gedachte der allenthalben gelungenen Ausstellung zu Wilsdruff nnd hob hervor, daß Wilsdruff solche opserfrcudige Bürger habe. Der Ausschuß hatte beschlossen, die Hauptversammlung in Freiberg abzuhalten, doch verschiedene Gründe, Pferdemusterung, Dauer des Landtages, die Wahlbewegung, haben es vereitelt. Er glaubt die Versammlung mehr als locale auffassen zu können; nächstes Jahr soll sie in Freiberg abgehalten werden. Nun schritt er zur Tagesordnung. Er sprach seinen Dank aus gegen den Herrn Kreissecretär Münzner für den ausführlichen Bericht, welcher ein treues Bild der Thätigkeit des Kreisvereins giebt. Im Bestand des Kreisvereins ist «in Wachsrhum zu bemerken; es kann nicht Ausgabe sein, die Zahl der Vereine und Mitglieder zu vermehren, sondern sie zu befestigen, Anregung zu geben, daß sie etwas leisten. Das Direktorium ist unverändert geblieben. Es sind 2 Ausschußsitzungen und 7 Schul conserenzen abgehalten worden. Bezirksversammlungen sind wenig abgehalten worden. Letztere bestehen darin, daß mehrere Vereine Zusammengehen und mehrere Mitglieder auffordern, Vorträge mit anzuhören. Eine Anzahl von Versammlungen sind ab gehalten worden bei Gelegenheit der Pflugproben; Herr Leutritz selbst hat 12 Vereine, der Herr Kreissecretär 25 besucht im Laufe des Winters. Es giebt 2 Cassen; erstere fließt aus den Geldern des Ministeriums, die 2. aus eigenen Einnahmen. Bis jetzt ward pro Mann 20 Pf. bezahlt, in Leipzig werden 50 Pf. bezahlt ; die Mitglieder werden nicht unbillig sein, wenn der Ausschuß für nächstes Jahr einen Beitrag von 30 Pf. erhebt. Die Ausgaben sind bedeutend gewachsen, so die Geschäfte des Bureaus, die Kosten für den landwirthschastlichen Unterricht rc. Erkenntniß zur Erlangung reines Kleesamens. Die Kleefelder von Dresden bis Pirna sind in schauderhaftem Zustand. Sehr bedauerlich ist es, daß die Luzerne so vernachlässigt wird, wo trockene Felder sind, wo der zweite Schnitt des Klees nicht gut geräth, da sollte Luzerne angebaut werden. In den letzten Jahren sind 2 Pflug- Proben abgehalten worden, im Gebirge und an der preußischen Grenze; es wird jetzt ein Stillstand cintreten. Diese Proben haben sich gut bewährt; der Pflugbau ist ein anderer geworden, die vorhandenen Constructionen wesentlich gebessert. Im Gebiet der Viehzucht sind keine Ausstellungen gewesen. Die Creditgenossenschaften sind in Verruf gekommen; auch die Consumgenossenschaften haben keinen Fortschritt, weil nicht kaufmännisch gearbeitet wird. Wir kommen in die Lage, unsere Consumvereine als solche nicht ausrecht erhalten zu können. Ortsconsumvereine sollen gebildet werden, die sich an große Händler wenden und der Bezug von kleinen aufhört. Wir müssen es dahin bringen, daß der kleine Landwirth von großen Händlern Garantie geleistet bekommt, dann haben wir, was wir wollen. Das neuste Werk des Dresdner Kreisvereins ist: die Winterschule zu Freiberg unter Direktion des Herrn Weise; der Herr Kreissecr. hat auch mitgewirkt. Es sind tüchtige Lehrkräfte gefunden worden; billig können diese Schulen nicht sein; Privat unterricht kann es nicht ersetzen. Jin ersten Winter 47 Schüler. Ohne Disciplin kann nichts geleistet werden. Sie müssen beaufsichtigt werden im landwirthschast- lichen Verein, wo sie Vorträge zu halten haben, beaufsichtigt innerhalb der Wohnungen, im Verkehr mit den Bürgern. Es genügt nicht, daß ein junger Mann Schliff be kommt. Wo di« nöthige Zucht nicht waltet, ist auch kein Segen. Ich bin auch nicht so vcrstllrzt auf die Annahme von Hospitanten. Jetzt haben wir 28 Meldungen neuer Schüler, etwa 70 Schüler giebt es nächstes Jahr. Es ist noch zu erwähnen, daß in Pirna ein Versuch mit einer landwirthschastlichen Schule gemacht worden ist. Die Beschickung mit Schülern war zu gering. Das Maximum einer Winterschule darf höchstens 70—80 Schüler sein; die Disciplin dürste sonst nicht aufrecht erhalten werden können. .... Ich "E hier schließen und bedaure, daß ich nicht die Zeit gehabt habe, aus- N"'ch em Bild der Thätigkeit des Kreisvereins geben zu können. Es liegt in Ihrer Hand, das Werk zu fördern. Bitte, bedenken Sie, daß einer nichts kann, daß von oben herein nicht Alles gemacht werden kann. Zeigen Sie Ihre Selbstständigkeit auf dem Gebiete des landwirthschastlichen Vereins; helfen Sie dem Kreisverein in seinen Bestrebungen. Wenn einzelne Mitglieder eingedenk sind, daß einer nichts ver richten kann, so werden Sie den Weg finden, auf dem Sie den Kreisvcrein unter stützen können. Herr Bürgermeister Ficker: Hochgeehrte Anwesendes Zunächst erlaube ich mir den hochgeehrten Kreisverein und die hochgeehrten Herren Negierungsvertreter, sowie die sonstigen werthen Gäste im Namen der Stadt Wilsdruff zu begrüßen und recht herzlich willkommen zu heißen. Ferner habe ich Ihnen für die Ehre, die Sie durch Ihren werthen Besuch unserer Stadt haben zu Theil werden lassen, meinen herzlichsten und tiefgefühltesten Dank auszusp rechen. Ganz besonders aber sind wir dem Kreis- vereine zu großem Danke verpflichtet, da er cs gewesen ist. Welcher unser Ausstellungs- Werk, das zu unserer Freude allseitig einen sehr günstigen Verlauf nahm, lebhaft unterstützte. Wiederholt sage ich daher dem hochgeehrten Kreisverein meinen herz lichsten und verbindlichsten Dank und wünsche nur, daß derselbe auch ferner uns sein Wohlwollen bezeigen wolle. Sie werden heute hier gefunden haben, daß Land- wirthschast und Gewerbe, Stadt und Land, Hand in Hand gehen und eng mit einander verbunden sind, ferner Werden sie gesunden haben, daß cs sich auch hier leben läßt obwohl Wir leider noch nicht das Glück haben eine Bahn zu besitzen. Sie finden'hier zwar nicht alles, was sie wünschen, aber das hauptsächlichste, was Sie suche», finden sie doch, nämlich gute Herzen. Was die Hauptsache ist, so find bci uns die socialen Verhältnisse noch gesund und zufriedenstellend und wir hoffen und wünschen, daß dies auch für die Zukunft so bleiben möge. Bei uns weiß man noch, daß die wahre Volkswohlfahrt auf dem Gemüthe und auf der Tugend und aus Recht, Gesetz und Ordnung beruht, auf festen Fundamenten, die uns hoffentlich nicht abhanden kommen werden. Nochmals meinen herzlichsten Dank mit dem Wunsche, daß Gott die Landwirth- schaft und ihre Vertreter und Förderer schützen und segnen möge. Herr Professor Richter: Hochgeehrte Herren! Ich kann nicht leugnen, daß ich den Vortrag, den ich halten soll, nicht ohne Bangen übernommen habe; cs handelt sich um ein Thema, was sehr nahe liegt; es handelt sich hier um daS, was viele Anfechtungen erlitten hat, deren Principe in die Brüche gegangen sind. Es sind für uns Landwirthe, wie der verehrte Vorsitzende sagte, Credite nothwendig. DieLand- wirthschaft ist ein Gewerbe; wir müssen den Credit der Landwirthschaft in Anspruch nehmen. In Frankreich ist ein mächtiges Institut (Banke), welches seiner Land- wirthschaft zu Hilfe kommt. Wenn wir sehen, daß die schweren Schäden des Krieges 70 und 71 so rasch verheilt sind, so ist das wohl organisirte Creditwesen mit Schuld. Wir dürfen die Hände nicht ruhig in den Schoß legen, es kommt eine Zeit, wo abermals eine Creditnoth herantritt. Bei dem großen Verkehr schwanken die Ca- pitalzuschusse; es tritt eine Fluth ein; es kommt aber auch Ebbe. Wir sollten denken, unser Kreditsystem auszubauen. Um das zu können, muß auf die Natur aufmerksam gemacht werden. Unser Credit in 2 Theile, 1., auf unserm Boden in Form von Hypotheken» 2.» Personalcredit. Die 1. Aufgabe wird sein: Wir lernen von den andern Gewerben unsre Gelder auch dem landwirthschastlichen Credit zuwcnden. Mas hat die Landwirthschaft von den Vorschußvereinen für einen Credit gehabt? Der Nutzen wird klein sein zu der Summe, die in den Verein getragen worden ist. Bleiben die Landwirthe unter sich. Wir niüssen Aufmerksamkeit unserm landwirthschastlichen Creditverein zuwenden. Der Personalcredit führt auf das Thema, was ich heute habe, die Raiffeiscnschen Dar- lehnskassen, welche am Rhein entstanden sind. In Frankreich hat man unter Na poleon III. Aenderung getroffen, in den Rheinlanden weniger. Der kleine Landwirth konnte sehr wenig Credit erhalten. Raiffeisen sühlte sich veranlaßt, der Noth sich anzunehmcn. System der Darlehnskassenvereine: Zunächst das Prinrip, daß sie mit Hypothekarcredit sich möglichst wenig beschäftigen. Man hat den Credit auf Per sonalcredit gegeben. Es haben diese Kaffen sich nur ans kleine Districts ausgedehnt. Man hat, um den Leuten die Sache leicht zu machen, auf die Anzahlung von Gc- schäftsanleihen verzichtet. Wenn der Verein in den localsten Verhältnissen bleibt, wenn er niemals größere Darlehne gewährt, so braucht ein großes Betriebskapital nicht vorhanden zu sein; jedes große schließt eine Gefahr für den Verein ein, weil die Dividendensucht wächst. Die Darlehnskassen haben die Rückzahlungs'risten. Die Rückzahlung erfolgt in Raten, nicht mit einem Male. Sie haben sich versehen müssen, als sie auf der andern Seite eine 4wöchentliche Kündigung ausbedingcn mußten. Ferner bestimmte Raiffeisen, daß niemals an einem Beamten, mit Ausnahme des Cassirers, irgend welcher Gehalt ausgezahlt werde, es sollen Ehrenämter sein. Raiffeisen sammelt alle Ueberschüffe zu einem Capitalfond, der nicht verthellbar ist; cs werden nicht hohe Dividenden gegeben. Stammkapital dient als Reserve für Un glücksfälle rc. Wen» der Verein flch auflöst, so ging der Stammantheil an die Ge meindebehörden über, welche ihn so lange behielten, bis sich ein neuer Verein bildet, anders also als die Schulze-Delitzsch'schen Cassen. Solidare Haftbarkeit: Der Krebsschaden, das Unglück in Roßwein u. s. w. liegt nicht hierin. Werden nur hübsche Dividenden bezahlt ; so lange man 8«/„ Div. giebt, so nimmt man an, daß Alles in Ordnung ist. Es liegt in der Hand eines Mannes. Der Verein hat di« Neigung viel zu verdienen und hohe Dividenden zu geben; die Verwaltung wird nicht gehörig controlirt; das veranlaßt sie, etwas zu wagen. Das geht in 10 Fällen, im 11. bleibt der Vorschußverein hängen. Der Mann sagt: Wenn ihr mir nicht helft, werde ich bankrott; man giebt ihm ein Darlehn etliche Mal; endlich bricht der Bankrott aus, und das haben wir in Marienberg und Freiberg. Es entspringt also aus der Sucht, hohe Dividende zu geben. Der Verein ist nicht zu Grunde gegangen, daß der Vorschußverein kleineren Handwerkern geliehen hat, sondern, daß er großen Etablissements hat aushclfen wollen. Bleibt der Verein in den engen Grenzen, dann halte ich die solidare Haftbarkeit nicht so bedenklich. Würden Sie einen kleinen Verein in Ihren Dörfern gründen, dann würden Sie von der solidarn Haftbarkeit nichts zu fürchten haben, wenn als § 1 hingeschrieben wird: Nur den Landwirthe» Credit zu geben. Wir hatten in Sachsen 31 Sparkassen in Dörfern; im Dresdner Regierungsbezirk 16, im Leipzigers, im Zwickauer 7, im Bautzner 5. Wer con trolirt die Sparkassen? die Gemeinde. Hat die Gemeinde Bedenken? Nein. Ich kenne keine andere Garantie als die der Gemeinde; es sind die Mitglieder, die so- lidar haftbar sind. Gründen Sie Sparkassen auf dein Lande. Wodurch zeichnen sich die kleineren Sparkassen aus? Dadurch, daß sie kleinere Beträge annehmcn u. austhellen. Ein Crcditschler wird groß, wenn die Sparkasse 4—8000 Thlr. auf einmal annimmt und ausleiht; nur kleinere Beträge annehmen, so wird die Gefahr gemindert, weil sich solche besser einkassiren lassen, als größere. Die Schottischen Banken gelten als Muster. Wenn ich zum Schluß komme, so mache ich den Vorschlag: Gründen Sie in Ihre» Gemeinden Darlehnskassen; treten Sic zusammen; erwerben Sie Gelder; legen Sie dieselbe» wieder an zum Nutzen der Gemeinde. Geben Sie nicht Hypothek credit, sondern sichern Personalcredit. Halten Sie die Augen offen und suchen Sie sich Leute zu Spitze aus, für die sie das meiste Vertrauen haben. Es wird sich bald Ueberschuß, bald Mangel fühlbar machen; es muß dann ein Ausgleich statt- findcn; dazu bedienen Sie sich eines landwirthschastlichen Instituts. Das ersparte Geld dahin zu dirigiren, wo cs gebraucht wird. Bei derartiger Einrichtung ist keine Gefahr zu fürchten. Herr Leut ritz. Herr Prof. Richter gehört zu den Mitgliedern, die als Vor tragende jederzeit bewährt gewesen sind. Wir sind ihm dankbar für die große An hänglichkeit, für das Materielle, was er uns bietet^ wir versichern unsern Dank, in dem wir uns erheben.