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Wochenblatt für siir die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich L Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Tine einzelne Nummer kostet 10 Pf. MM Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden ^kchtund-reißigster Jahrgang. Rr. 66. Dienstag, den 20. Anguß 1878. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte soll den 18. October 1878 das der ledigen Clara Hulda Augustina Ebart in Kleinschönberg zugehörige Zweihufengut Nr. 18 des Katasters und Nr. 16 des Grund- und Hypothekeubuches für Kleinschönberg, welches Grundstück am 2. August 1878 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 20,878 Mark -- gewürdert worden ist, uothwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle anshängenden An schlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 10. August 1878. König!. Gerichtsamt. vr. Gangloff. Am 24. Juli dieses Jahres ist aus einem Pferdestalle zu Blankenstein eine ueusilberne Spindeluhr, auf welcher sich zwischen den deutschen Stundenzahlen noch die Zahlen 1—31, als die Tage eines Monats, befunden haben, und welche mit drei Zeigern versehen ge wesen ist, sammt der daran befindlichen gewöhnlichen Metallkette mit gelbem Haken nebst Uhrschlüssel spurlos entwendet worden, was be hufs Ermittelung des Thaters und Wiedererlangung des Gestohlenen hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, °m 17. August 1373. vr Gangloff Zur politischen Lage in Deutschland. Die letzten Tage haben Wichtiges gebracht. Der Entwurf des Sozialistengesetzes ist bekannt geworden. — Ferner äußerte sich die offiziöse „Prov. - Korr." auch über die bisher durchaus heimlich ge haltenen Resultate der Verhandlungen mit Rom, sowie der Minister konferenz in Heidelberg. Was das Sozialistengesetz betrifft, so besagt dasselbe im allge meinen so viel, als daß die Sozialdemokratie überhaupt bei Strafe verboten wird. Ob sich das so wird durchführen lassen, wird die Erfahrung allerdings lehren. Es dürfte unter allen Umständen ein Jrrthum sein, wenn man annimmt, die Sozialdemokratie von heute sei nur ein künstliches Product agitatorischer Verhetzung der Massen und werde verschwinden, sobald diese Verhetzung aufhöre. Allem Anscheine nach geht der Gesetzentwurf jedoch von dieser Annahme aus. Ist man dagegen der Ansicht, daß die heutige Sozialdemokratie in erster Linie durch thatsächliche Uebelstände der bestehenden Ver hältnisse erzeugt sei, und daß die Agitation der sozialdemokratischen Führer auf einer an und für sich vorhandenen unzufriedenen Stimmung der Massen fuße, um die dann weiterhin allerdings eben so sehr zu steigern, als zu verwirren, so wird man von der Gesetzvorlage um so weniger befriedigt sein, als bis jetzt nirgendwo Anstalten gemacht zu werden scheinen, um die wirklichen Wurzeln der Sozialdemokratie abzugraben. In Betreff der von dem Reichskanzler in Kissingen persönlich geführten Verhandlungen mit der Römischen Kurie stellt sich heraus, daß bis jetzt ein greifbares Resultat überhaupt noch nicht erzielt ist, sondern daß vorerst nur eine beiderseitige Geneigtheit zur Herstellung eines inoäus vivsucki konstatirt ist. Eine wesentliche Aenderung in der Haltung des Centrums dürfte im bevorstehenden Reichstage kaum zu erwarten sein. Es entsteht die Frage, ob der sich abzweigende rechte Flügel der nationalliberalen Partei zahlreich genug sein wird, um der konservativen in entscheidenden Fragen die Majorität zu sichern, oder ob das Centruin eine ausschlaggebende Stellung im nächsten Reichstage annehmen wird. Ueber das Resultat der Heidelberger Mimsterkonferenz hat sich die „Prov.-Korr." allerdings nur in sehr allgemein gehaltenen Aus drücken geäußert. Es soll das System der indirekten Steuern für das deutsche Reich eine systematische Ausbildung erfahren. Was da- mit gemeint sei, läßt sich eben noch nicht beurtheilen. Vielleicht — und das ist nicht unwahrscheinlich haben die bezüglichen Finanz projekte überhaupt noch nicht hinreichend feste Gestalt angcnommcn. Tagesgeschichtl Dem Bundesrath ist von Preußen der Entwurf eines So« cialdemokratenges etzes zugegangen, dessen erste Para graphen lauten: „Vereine, welche socialdemokratischen, socialistischen oder communistischen, auf Untergrabung der bestehenden Staats- oder Genossenschafts-Ordnung gerichteten Bestrebungen dienen, sind zu ver bieten. Den Vereinen stehen gleich Verbindungen jeder Art, insbe sondere genossenschaftliche Kassen. Zuständig für das Verbot sind die Centralbehörden der Bundesstaaten. Das Verbot ist durch den Reichsanzeiger bekannt zu machen. Dasselbe ist für das ganze Bundesgebiet wirksam und umfaßt alle Verzweigungen des Vereins, sowie jeden vorgeblich neuen Verein, welcher thatsächlich als der alte sich darstellt. Auf Grund des Verbots sind die Vereinskassen sowie alle für den Zweck des Vereins bestimmte Gegenstände durch die Polizeibehörde in Beschlag zu nehmen. Nachdem das Verbot ent- gültig geworden, ist das beschlagnahmte Geld sowie der Erlös der andern Gegenstände der Armenkasse des Orts zu überweisen. Gegen das Verbot steht dem Vereinsvorstande die Beschwerde an das Reichs- aint für Beteinswesen und Presse offen. Dieselbe ist innerhalb einer Woche anzubringen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Das Neichsamt für Vereinswesen und Presse hat seinen Sitz in Berlin und besteht aus 9 Mitgliedern, von denen wenigstens 5 an- gestellte Richter sein müssen." Der Gesetzentwurf richtet sich nicht blos gegen die Agitationen der Vereine, der Versammlungen und der Presse, sondern auch gegen die geschäftsmäßig betriebene Agitation überhaupt, sowie gegen Vas Einsammeln von Beiträgen zu social- demokratischen Zwecken. Weiter sollen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Gesetzes außer der Strase noch gewisse Be schränkungen zur Folge haben, namentlich die Versagung des Aufent haltes in bestimmten Bezirken. Das betr. Gesetz enthält 23 Para graphen, die von den Mitgliedern des Reichstages eifrig studirt werden. Gleichsam im Schatten des Socialdemokratengcsctzcs hat die Kaiserstadt Berlin um die letzte Stimme im Reichstag gekämpft und die Socialdcmokratie hat gesiegt. Berlin führt wiederum den Reigen der Socialdcmokratie. Der socialdemokratische Führer Fritzsche siegte bei der Stichwahl im 4. Wahlkreis mit 22,019 Stimmen über seinen Gegner Stadtrath Zelle, den Candidateu der vereinigten li beralen Parteien, der nur 20,l82 Stimmen erhielt. Beide Parteien hatten ihre» ganzen Heerbann aufgeboten, aber nur von den Social- Demokraten konnte mau sagen: und alle, alle kamen! Der hundertjährige Geburtstag des Altmeisters des deutschen Turnmesens, Friedrich Ludwig Jahn, ist in ganz Deutschland von der Turnerschast festlich begangen worden, meist unter reger Be theiligung der Bevölkerung. Es liegen darüber Berichte aus allen Theilen des Reiches vor. Zugleich ist denselben zu entnehmen, daß diese Feier sich vielfach zu einer, durch die Zeitverhältnisse besonders nahegelegten patriotischen Kundgebung gestaltete. Ebenso dürfte, nach den in fast allen größeren Städten bereits getroffenen Anord nungen zu schließen, die diesjährige Begehung des Sedantagcs eine womöglich noch erhebendere und allgemeinere werden, als dies in den letzten Jahren ohnehin der Fall gewesen. Ein militärischer Spaziergang war die Besetzung Bosniens durch die O e st e r r e i ch e r nicht, sondern ein blutsaurer Gebirgskrieg mit allen Mühen, Tücken und Wechselfällen eines solchen. Die Oester reicher wußten nie, wer Freund oder Feind war, und kamen langsam vorwärts. Da ist ihnen Bismarck zu Hülfe gekommen. Er schickte ein paar Blitze und Donnerwetter nach Constantinopel, welche zündeten. Er erklärte dem Sultau kurz und gut, es handle sich um Sein oder Nichtsein der Türkei, wenn der Berliner Friedensvertrag nicht schnell und pünktlich erfüllt werde; man werde ihn kennen. Das half. Mehemed Ali Pascha wurde sofort beauftragt, mit dem österreichischen Cowmandirendcn F.-Z.-M. Philippovich einen Friedens- Vertrag abzuschließen und die widerspänstige Bevölkerung zur Ruhe zu bringen. OertlicheS und Sächsisches. Im 15. Wahlkreise hat der Sozialist Vahlteich den Handcls- kammersekretär I)r. Gensel bei der Stichwahl besiegt. — Auch im 20. Wahlkreise (Zschopau rc.) hat der Sozialist Wiemer die meisten Stimmen (gegen Staatsanwalt v. Mangoldt in Dresden) erhalten. — Auch Kayser scheint im 9. Wahlkreis die meisten Stimmen erhalten zu haben. Die „Berl. Fr. Pr." beziffert die bei den Reichstagswahlen im Königreich Sachsen abgegebenen sozialdemokratischen Stimmen auf 132,805. Das Blatt fügt hinzu: Bei der Wahl am 10. Januar 1877 entfielen auf unsere Partei in Sachsen nur 123,467 Stimmen. Wir haben daher, trotz der allseitigen Maßregelungen, und trotzdem von uns in vielen Wahlkreisen auch nicht die geringste Agitation ent wickelt wurde, in Sachsen allein einen Zuwacks von 9338 Stimmen zu verzeichnen.