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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Köuigl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Achtunddreißiqster Jahrgang. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag IS Uhr. Nr. 50.Dienstag, den 25. Juni<8. Bekanntmachung. Sonnabend, den 29. Juni d. I., Worm. S Uhr, findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses Statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 21. Juni 1878. Königliche Amtshauptmannschast. von Bosse. Das silberne Ehejubiläum Ihrer Majestäten des Königs Albert und der Königin Carola von Sachsen. Ut. In dieser Zeit des Unfriedens und der Unzufriedenheit, des sozialen Verfalles und des Krieges Aller gegen Alle muß eine so erhebende Festfeier, wie die des silbernen Ehejubiläums Ihrer Majestäten des Königs Albert und der Königin Carola von Sachsen ein wahrhaft wohlthuender Lichtblick genannt werden. Das war wirklich von Herzen kommender und zu Herzen gehender Festjubel, welcher Tage lang ganz Sachsen durchbrauste und sich in der Landeshauptstadt Dresden konzentrirte. Das waren wirkliche Liebe und Anhänglichkeit zu einem edlen Fürstenpaare, welches wie gute Engel über dem Lande waltet. Unerschöpflich waren die Be weise der Liebe, welche von nah und fern herbeikamen, um die Fest- seier des erhabenen Jubelpaares zu schmücken. Voran, nach einem schönen Worte unseres Heilandes, die Kinder, die Schuljugend, welche schon vor dem 18., als dem eigentlichen Jubeltage, geführt von ihren Lehrern, dem Herrscherpaare ihre Ehrfurcht und Liebe bezeigten. Dann, wie sich gebührt, am Sonntag zur Einleitung nach dem all gemeinen Dankgottesdienste in den Kirchen eine vom Amtshauptmann von Dresden, Herrn von Berndt, schön erfundene und geleitete Huldigung des Amtsbezirkes der Hauptstadt, dargebracht am Hof lager zu Pillnitz durch einen sinnig componirten, nach Tausenden zählenden Kostümaufzug. Folgte dann am Montag der große Em pfang im Schlosse zu Dresden, zu welchem das Jubelpaar nicht weniger als 45 Deputationen aus allen Theilen des Landes empfing, alle hielten einzeln Ansprachen und alle beantwortete der König mit wahrhaft Königlicher Fassung einzeln in einer Weise, welche aufs Neue zeigte, welche wahrhaft landesväterliche Fürsorge der König allen berechtigten Lebensäußerungen des Landes widmete. Fünf Stunden dauerte dieser Empfang, ohne daß das Hohe Jubelpaar ermüdete, stets von Neuem mit'liebevoller Würde und Fassung auf alle Ansprachen zu antworten. Am selben Tage das große Festdiner im Königlichen Schlosse sür die Höchsten nnd Hohen Herrschaften, Fürsten, Botschafter, Ge sandte u. f. w., welche von nah und fern zur Jubelfeier herbeige kommen waren. Abends prachtvoller Aufzug der Freiberger Berg leute mit Fackeln von der Elbbrücke her vor dem Königlichen Schloß. Am Dienstag und Mittwoch weitere Huldigungen, schön gelungene Festfeier in den einzig prachtvollen Räumen des neuen Höftheaters mit anschließender großartiger Serenade, dargebracht von der Stadt Dresden, und entgegengenommen von den Majestäten von der klassi schen Exedra des neuen Hofthcaters aus. Einen schöneren Anblick, wie den auf den endlofen Aufzug aller Gewerke und Korporationen der Landes - Hauptstadt bei dieser Serenade, bei prachtvoller ben galischer Beleuchtung des schönen Theaterplatzes, wird man nicht leicht genießen. In schönster Ordnung von Musikchören begleitet, mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen und Abzeichen, zogen die Tausende der Gewerke rc. in Amtstrachten, bunte Lampions an Stöcken tragend an dem Jubelpaare vorüber, jedesmal ein dreifach brausendes Hoch! erschallen lassend. Zugleich hatte die ganze Residenz festlich illuminirt. Es war wirklich eine überwältigend schöne und gelungene Feier. — Dann natürlich noch (am Mittwoch) ein Hof ball im Königlichen Schlosse. Eine Parade durfte selbstredend auch nicht fehlen. Vorträge von Gesangvereinen fanden an verschiedenen Tagen statt. Zuletzt am Donnerstag großartige Höhenbeleuchtung durch brennende Holzstöße. Kurz es war eine Festfeier, wie sie Allen, welche sie mitcrlebt, unvergeßlich bleiben und wie sie auch in den Annalen Sachsens ihre bleibende Stätte haben wird. Wie herzgewinnend glücklich sah n der König und die Königin inmitten all dieser sie umwebenden Liebe ihrer Landeskinder aus! — Wer erinnert sich da nicht der großen Worte, welche der Apostel Paulus von der Liebe geschrieben hat!? — Ja, die Liebe ist es, welche erhält, die christliche Liebe, welche einem Jeden das Seine giebt und gönnt. Liebe deinen Nächsten, als dich selbst, sprach der Heiland und setzte uns dies Wort als ein oberstes Gebot, durch dessen Erfüllung wir allein jenes Verhältniß vom Menschen zum Menschen schaffen, welches Verheißung hat und Segen bringt. Möge die erhebende Jubelfeier, welche ein neues Band der Liebe um Sachsen und sein Fürstenhaus schlang uns dieses Gebot des Herrn und seiner größten Jünger und Nachfolger von Neuem erinnern. Lagesgeschichte. Die Wahlbewegung im deutschen Reiche ist in vollem Gange. In Preußen und in Sachsen sind die Wahlaufrufe fast aller Par teien erschienen; die nationalliberalen, fortschrittlichen und conscr- vativen Parteien sind in dem Eine n, Punkte in der gemeinsamen Bekämpfung der Socialdemokratie, vollständig einig und geben sich Zufagen, welche für die bevorstehende Wahlcampagne zu den besten Hoffnungen berechtigt. So haben sich z. B. die beiden Fraktionen der Fortschrittspartei und der Nationalliberalen im sächsischen Land tage geeinigt, bei den bevorstehenden Reichstagswahlen überall im Lande zufammenzugehen und sich in jeder Beziehung voll und auf richtig zu unterstützen. Bezüglich der Wahlaufrufe der Parteien verweisen wir auf die großen Tageblätter, z. B. „Dresdner Ztg.", „Chemnitzer Tgbl.", „D. Allg. Ztg." u. s. w. Berlin, 20. Juni. Aus „sicherer" Quelle wird der „Post" die telegraphisch aus Rom gemeldete Nachricht bestätigt, daß der Papst sich gegen ihm nahestehende Personen sehr mißbilligend darüber ausgesprochen hat, daß die im deutschen Reichstage und im preußischen Landtage bcstehcde Centrumspartei, die eine „konservirende" zu sei» behaupte, mit den revolutionären Sociallisten Fühlung ge nommen und sich nicht gescheut hat, bei den Wahlen Hand in Hand mit der Umsturzpartei gegen die Regierung zu gehen. Ueber sozialdemokratische Gesinnungstüchtigkeit und Ueberzeugungs- treue gibt bas Parteiblatt „Freie Presse" einen bemerkenswerthen Aufschluß. Dasselbe schreibt: „Von den verschiedensten Seiten gehen uns aus den Arbeiterkreisen Anfragen zu, was die Arbeiter thun sollen, wenn von Seiten der Arbeitgeber verlangt wird, daß die Arbeiter sich schriftlich verpflichten, keine sozialistische Zeitung mehr zu lesen, keinem sozialistischen Verein anzugehören und sür sozialistische Zwecke keine Gelder zu geben. Wir können darauf den Arbeitern, von denen Solches verlangt wird, nur den Rath geben, getrost Alles zu u n t e r s ch r e i b e n, was verlangt wird. Unsere Herren Arbeitgeber, welche sich dazu hergebeu, den brutalsten Ge wissenszwang auszuüben, müssen es sich schon gefallen lassen, wenn sie ungelogen werden." Wie haben die sozialistischen Blätter sonst so stolze Worte von der Wahrheit, Ehrlichkeit und Sittlichkeit, der sie dienen; wie wissen sie über Gesinnungs- und Charakterlosigkeit der Gegner zu schmähen, die Politik anderer Parteien als vom schnödesten Eigennutz und materiellen Vortheil eingegeben zu ver dächtigen; wie geläufig ist ihnen das Wort von der „Gesinnungs lumperei", und nun, wenn der eigene materielle Vortheil in Frage kommt, da wird mit gemeinter Offenheit empfohlen: Lügen und Heucheln! Das ist sozialdemokratische Sittlichkeit und Ueber- zeugungstreue! Die heuschreckenartig über Berlin hereingebrvchene Schaar von 80 auswärtigen B e r i ch t e r st a t t e r n befindet sich in der nicht geringen Verlegenheit, überall vor verschlossenen Thüren zu stehen und doch die Verpflichtung zu fühlen, ihren Blättern dnrch häufige Telegramme und Berichte die Nothwendigkeit ihrer Anwesenheit in Berlin begreiflich zu machen. Es werden deshalb so viele Fäden gesponnen und Enten ausgebrütet, die kein Recht darauf haben, von der Sonne beschienen zu werden. Die „Nordd. Allg. Ztg." mahnt ausdrücklich zur Vorsicht und empfiehlt, allen Mittheilungen über den Gang der Congreß-Verhandlungen, weil auf diesen zur Zeit noch der Schleier des Geheimnisses ruhe, ein vollständiges Mißtrauen ent gegenzusetzen. Die fremden Herren in Berlin können unter diesen Umständen nichts Besseres thun, als gute Miene zum bösen Spiele zu machen und sich nicht zu ärgern, wenn ihnen im Spott nachgesagt wird, daß jetzt ein Journalisten - Congreß in der Reichshauptstadt tage, zu welchem sich auch einige Diplomaten der Großmächte einge funden hätten. Breslau, 18. Juni. Mit Rücksicht auf die gegenwärtige Zeit ist das fünfte allgemeine deutsche Turnfest, welches vom 28. bis 30. i Juli stattfinden sollte, auf Beschluß des CentralausfchusseS für dieses . Jahr aufgehoben und auf das nächste Jahr verschoben worden.