Volltext Seite (XML)
1878 35 Dienstag, den 30. April bei dem vorhandenen großen, schier unversöhnlichen Wider man m aber cs Frieden stehen. Ob streit verschiedener Interessen eine friedliche Lösung durch einen Congreß noch möglich sein wird, dürfte sich nun bald entscheiden müssen. naufürstenthümer werde für Oesterreich der Oasus boUi sein, so würde es den Krieg nach aller Voraussicht überhaupt verhindert haben. So wie die Dinge jetzt liegen, könnte die Einmischung Oesterreichs in einem ausbrechenden Krieg zwischen England und Rußland zu einer Existenzfrage für Oesterreich werden. Welche Entschließungen Wien fassen wird, kann zur Zeit wohl noch Niemand wissen, ist sicher, daß für Oesterreich, möge es sich für Krieg oder entscheiden, fast gleich große Interessen auf dem Spiele Krieg und Friede. Noch schwankt die Wagschale der Entscheidung, ob es zum Krieg kommen wird zwischen Rußland und England, hin und her, aber die tieferblickenden politischen Zeichendeuter meinen, das europäische Wetter glas deute auf Sturm. Freilich hätten sowohl England als Rußland alle Ursache, sich aber- und abermals zu besinnen, ehe sie es zu einem Kriege kommen lassen. Die wirthschaftlichen Verhältnisse Englands liegen seit den letzten Jahren keineswegs günstig. Die Gesammthandels- bewcgung des Landes ist im Rückgänge begriffen und die englischen Arbeitcrvcrhältnisse werden von Jahr zu Jahr schwieriger. Droht doch soeben wieder ein Strike von 40,000 Arbeitern der Baumwoll- iudustrie, welcher, wie die „Times" berechnet, mehr als 120,OM Menschen in Mitleidenschaft zieht. Zu den enormen Verlusten, welche das englische Kapital in den letzten Jahren an auswärtigen Anleihen und Aktiengesellschaften erlitten hat, dürften im Falle eines Krieges noch fernere, nicht unbedeutende hinzutreten, abgesehen von den Kosten, welche ein großer Krieg schon an und für sich verursachen muß. Dazu kämen die Gefahren, welche England in Indien und auf anderen auswärtigen Punkten feines Weltreiches drohen könnten. Daß die Finanzlage Rußlands keine besonders günstige ist, weiß man, und daß bei einem Kriege, wie er mit England droht, schwerlich „Milliarden" zu erobern sein werden, ist ziemlich sicher. Ebenso dürfte die innere Lage des Reiches auch in anderen Be ziehungen nicht ohne Schwierigkeiten sein, mit welchen gerechnet werden muß. Von einschneidender Wichtigkeit ist bei dieser Sachlage das Ver halten Oesterreichs, dessen Interessen sehr unmittelbar durch die Vorgänge an seinen Grenzen berührt werden. Hätte Oesterreich im richtigen Momente erklärt, der Einmarsch Rußlands in die Do Taaesgcschlchte. Handel und Industrie. Ein Blick in die Tabellen über den Export aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten in Amerika läßt hoffen, daß die Zeit des vollständigen Darniederlicgens unserer Industrie vorüber ist. Während von 1876 bis Schluß des Jahres eine stetige beträchtliche Abnahme des deutschen Exportes zu verzeichnen war, scheint der Wendepunkt zum Besseren schon mit 1877 eingetreteu zu sein. 1877 waren sür 6^ Million Mark mehr Waaren nach Amerika exportirt als 1876 und das erste Quartal 1878 läßt sich bereits so günstig an, daß auf eine weitere beträchtliche Steigerung gerechnet werden kann. So sind z. B. aus Chemnitz allein vom 1. Januar bis 31. März 1878 für 2 Millionen Mark mehr exportirt worden, als im ersten Vierteljahre des vergangenen Jahres. Berlin hat in demselben Zeitraum eine Steigerung von einer halben Million erfahren. Barmen, Düsseldorf, Hamburg, Braunschweig und andere Konsulardistrikte weisen ebenso günstige Ziffern auf. In dem Wieder erwachen seiner Industrie schreitet Deutfchland demnach jetzt den andern Nationen anscheinend voran. Der Berliner Stadthaushaltsetat balancirt nach den Fest setzungen der Stadtverordnetenversammlung in Höhe von 42,323,137 für die König!. AmtshnupLmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Achtunddreißigster Jahrgang. Dieser Blatt erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. — Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr Bekanntmachung. Der 2. Termin Grundsteuer nach Höhe von 2 und Pfennigen von jeder Einheit und der 2. Termin städtische Stnlagen, sowie Rathsgefchoß, Uachtgeld, Erb- und KaaSzinfen sind binnen 14 Tagen und spätestens bis zum 15. Mai ds. Js. bei Vermeidung von Weiterungen an die hiesige Stadtkämmerei zu entrichten. Gleichzeitig machen wir darauf aufmerksam, das laut Stadtgemeinderathsbeschluß von jetzt ab die an die hiesigen'städischen Cassen zu entrichtenden Steuern und Abgaben nicht mehr, wie bisher, durch den Stadtwachtmeister angefagt werden, sondern vielmehr wegen Be zahlung derselben Bekanntmachung im hiesigen Wochenblatte, sowie durch Anschlag in der Hausflur des Kämmereigebäudes erlassen werden wird. » Wilsdruff, am 28. April 1878. Der Stadtgemeinderalh. Ficker, Brgmstr. M. in Einnahme und Ausgabe. Der Magistrat hatte ursprünglich die aufzubringendcn Steuern auf 24,345,348 M. abgcschützt, von der Verfammlung sind dieselben um 1,219,575 M. herabgemindcrt. Durch die Einkommensteuer, welche zur Ergänzung der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben bestimmt ist, müssen hiernach 9,021,773 M. aufgebracht werden, eine Summe, die ungefähr dem bisherigen Steuerfatze entspricht. Wer der Eröffnung der Pariser Weltausstellung beiwohnen will, muß eilen; denn sie findet pünktlich am 1. Mai Mittags 12 Uhr mit großem Gepränge statt. Der Marschall-Präsident Mac Mahon erscheint dazu mit seinem ganzen militärischen Hause, den hohen Würdenträgern des Staats und dem diplomatischen Corps. 1500 Plätze sind für besonders angesehene Personen und 6000 für andere Eingeladeue Vorbehalten, die Truppen in großer Uniform bilden Spalier und hinter den Truppen nehmen 20,000 mit Karten versehene Eingeladene am Zuge Theil; die Zahl sämmtlicher Einge ladenen beträgt 27,000. Mac Mahon hält eine kurze Rede nnd er öffnet die Ausstellung. In diesem Augenblick spielen die Wasser der Kaskaden, die Militärmusik führt einen Tusch aus und die Kanonen fallen mit einer dreifachen Salve ein. In Rumänien wird von den Russen das lebende Bild auf geführt, dessen Unterschrift lautet: „Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt" oder: „Denn ich bin groß und du bist klein!" Ru mänien, der treue und tapfere Verbündete im Kriege, wird verge waltigt, weil es Bessarabien nicht abtreten will. An 100,OM Russen stehen im Lande und bis eine Stunde vor Bukarest. Fürst Carl steht auf dem Sprung. Nach den neuesten Nachrichten ist sogar schon der einstweilige Verwalter der Regierung, der Russe Herr Plato in Petersburg, ernannt. So platonisch ist die Liebe Rußlands. Plato ist Mitglied der 3. Abthcilung in Petersburg; so nennt man in Ruß land verschämt die Geheime Polizei. (Ein Brief des Kaisers Alexanders an Fürst Carl stellt folgendes Ultimatum: entweder Rumänien schließt ein Schutz- und Trutzbündniß (der Trutz ist schon lange da) mit Rußland oder die rumänische Armee wird entwaffnet und Ruß land übernimmt die Regierung. Die Kammern wollen dem Fürsten die Dictatur übertragen.) Die türkischen Verluste an Gefangenen und Geschützen be tragen nach dem „Westn. Nar. Pom." in Asien und an der Donau 33 Paschas, gegen 127,170 Militärs verschiedener Chargen und 933 Geschütze. Konstantinopel, 25. April. Bei der Einfahrt in den Bos porus ist heute ein türkischer Transportdampfer gestrandet, 95 Per sonen fanden dadurch in den Wellen ihren Tod. Deutliches und Sächsisches. Wilsdruff. In den benachbarten Kirchengemeinden Naustadt, Röhrsdorf, Sora und Taubenheim ist zur Unterstützung unserer nvth- lcidenden Bevölkerung im Vogtlaude eine Sammlung von Kartoffeln und anderen Nahrungsmitteln veranstaltet worden, welcher erfreulicher Weise viele und zahlreiche Beiträge zuflossen. Am vergangenen 23. April wurden die gesammelten Vorräthe nach der Stativ» Miltitz transportirt und zur Weiterbeförderung an das Hilfscomito in Oels- nitz übergeben. — Aus Chemnitz wird uns unten» 27. April berichtet: Eine grauenvolle That ist gestern Abend kurz vor 6 Uhr in den Mauern unserer Stadt verübt worden. Nach vorhergegangcncm Wortwechsel hat zu gedachter Zeit der in der auf hiesiger Bernsbachstraße be legenen Thierig'schen Weinhandlung als Geschäftsführer engagirte, 26 Jahre alte Hermann Graichen'die Besitzerin gedachten Lokales, die 41jährige Wilhelmine geschiedene Thierig in einem Zimmer mittelst eines scchsläufigen scharf geladenen Revolvers mehrmals in Kopf und Hand, fodann aber, als es der Thierig noch gelungen, zu flüchten, sich selbst durch den Kopf geschossen. Noch im Laufe der sofort von der Staatsanwaltschaft in die Hand genommenen Er örterungen ist pp. Graichen auf dem Transport nach dem Stadt- Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt