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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebmlchn und die Umgegenden. Amtsblatt fiir die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet dierteljährlich 1 Mark. — Annoncsn-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. 1ß. Freitag, den 22. Februar 1878. Bekanntmachung. Herr Grundstücksbesitzer Wilhelm ILeippenstapsI svn. in Wilsdruff beabsichtigt, auf dem unter Nr. 410 des Flurbuchs für Wils druff gelegenen Grundstück eine Leimsiederei zu errichten. In Gemäßheit K 17 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869 wird dies mit der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf besondern Privatrechts-Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Meißen, am 15. Februar 1878. Die Königliche Amtshauptmannschast. j. V. von Mayer. Tagesgeschichte. Bismarck hat im Reichstage am Dienstage eine lange und bedeutungsvolle Rede aus Anlaß der Orientinterpellation ge sprochen, welche nach allen Seiten hin den besten Eindruck nicht ver fehlen wird. Die „Nordd. Allg. Zlg." bespricht Bismarcks Rede. Sie sagt: Vergeblich wird auch der engherzigste Parteigeist darin eine Abweichung von der Linie zu entdecken sich hcmühen, welche die deutsche Politik gegenüber den Orientereignissen bis jetzt festgehaltcn hat und welcher das deutsche Volk ebensowohl die Erhaltung des Friedens für sich verdankt, als dieselbe in entscheidender Weise be wirkte, daß der Kampf des südöstlichen Europas ein lokaler geblieben ist und hoffentlich diesen Charakter auch bewahren wird. — Die „Kreuz-Zeitung" konstatirt den erfreulichen und beruhigenden Eindruck der Bismarck'sche Rede. — Die „Post" hebt hervor, Fürst Bismarck untersuchte die Wahrscheinlichkeit eines Krieges und verneinte sie. Fürst Bismarck habe das Thema von der Neutralität Deutschlands in seiner Rede in einer Weise vertieft, die es für Generationen deutscher Politiker zum Kanon erheben wird. Aus Wien schreibt man: Die Jnterpellationsverhandlung im deutschen Reichstage, speziell die Erklärungen des Fürsten Bismarck, werden hier mit Befriedigung ausgenommen. Man schöpft aus der Verhandlung die Zuversicht, daß die Interessen Oesterreichs im Orient von Deutschland in voller Bedeutung gewürdigt werden und man weit davon entfernt sei, Oesterreich-Ungarn in entschiedener Vertretung derselben entgegenzutreten. Die „Times" charaklerisiren die Rede Bismarck's von ihrem Standpunkte aus und meinen, Deutschland werde sich jedweder Ein mischung möglichst enthalten, es sei stark genug zu einer Haltung, die, wenn sie auch nicht die Friedensaussichten verstärke, doch auch nicht in entgegengesetzter Richtung wirke. Die „Times" äußern sich besonders darüber befriedigt, daß Bismarck und Auersperg den Glauben ausdrückten, es werde kein Hinderniß gegen den Zusammen tritt des Kongresses hcrvortreten. Der am 17. Februar in Berlin angelangte modifizirte Vorschlag Oesterreich-Ungarns, betreffend den Zusammentritt eines formellen Kongresses in Baden-Baden, hat nach einer Berliner Mittheilung der „P. K." in den diplomatischen Kreisen Berlins volle Zustimmung gefunden, es soll auch die hierauf bezügliche Rückäußerung bereits nach Wien abgegangeu sein. Die sozialdemokratschen Abgeordneten kündigen zu den Steuer vorlagen im Reichstage einen Antrag an, wonach neue Steuern und Steuererhöhungen von einer Urabstimmung des Volkes abhängig zu machen sind! Die „B. B.-Ztg. berichtet: Die schon wiederholt in Aussicht ge stellte Außercourssetzung der Scchstel-Thalerstücke wird nunmehr wirklich ersolgen. Dem Bundesrathe ist soeben der Entwurf einer hierauf bezüglichen Verordnung zngegangen, deren Publikation in nächster Zeit erfolgen soll, da die formelle Einziehung bereits mit dem Monat März ihren Anfang nehmen und möglichst innerhalb dreier Monate beendet sein soll. Bekanntlich weilen schon seit mehreren Wochen deutsche Spezial- Bevollmächtigte in Petersburg, um mit der russischen Negierung über Milderung der mannigfachen Erschwernisse, unter denen der wirth- schaftliche Verkehr Deutschlands mit Rußland leidet, zu unterhandeln. Die an diese Besprechung geknüpften Hoffnungen der deutschen In teressenten werden sich aber kaum verwirklichen, denn übereinstimmende Meldungen stellen so gut wie fest, daß die diesseitigen Bevollmächtigten wenig oder gar nichts erreichen werden; die Russen schützen ihre im Entstehen begriffene Industrie eben durch Zölle. Seit dem 18. Februar scheint die Kriegsgefahr vorüber zu sein. Die Russen sind nicht nach Konstantinopel hinein, scheinens auch nicht mehr zu wollen, und die englische Flotte ist nach Modania, 40 engl. Meilen von Konstantinopel entfernt, zurückgegangen. Cs ist auf dringenden Wunsch des Sultans geschehen. Ein Konstantinopeler Brief der „Pol. Korresp." berichtet über eine Unterredung Server Pascha's mit dem griechischen Bankier Zarifi, welcher seine Verwunderung über den russenfreundlichen Umschwung bei der Pforte ausdrückte, worauf Server Pascha das Folgende sagte: „Europa hat uns verlassen, nachdem es uns direkt oder indirekt zum Widerstande gegen Rußland aufgemuntert hat. Wenn wir das spätere Verhalten Europas vermuthet hätten, würden wir die Bedingungen der Londoner Konferenz (des Protokolls vom 31. März 1877) angenommen haben. Jetzt erübrigt uns nichts, als uns in die Arme Rußlands zu werfen. Dadurch erreichen wir viel leicht noch Manches. Tritt dadurch eine europäische Komplikation ein, desto besser. Wir haben nichts mehr zu verlieren und man würde sich nur um unsere Theilung streiten. Wenn man aber, was wahrscheinlicher ist, Rußland gewähren läßt, dann ist unser wohl verstandenes Interesse, uns an dasselbe anzulehnen. Rußland hat uns in Europa noch nöthig; es wird eine schwache Türkei am Bos porus einer von ganz Europa garantirten neuen Staatsbildung vor ziehen. Unsere Existenz war bis jetzt eine europäische Nothwendigkeit, heute ist sie eine russische Nothwendigkeit geworden. Der Schwer punkt der türkischen Macht ist von jetzt ab nach Asien verlegt. Man hat den Sultan nicht als europäischen Souverän fortbestehen lassen wollen; er wird als asiatischer Herrscher namentlich als Khalif über 100 Millionen Asiaten herrschen. Als asiatische Macht kann sich die Türkei keinen besseren Alliirten wünschen wie Rußland, und als solche Macht hat sie keinen größeren Gegner als England, bei welchem cs m Vergessenheit gerathen ist, daß es sich durch Erhaltung der Türkei selbst erhalten hätte. In Europa brauchten wir England, in Asien braucht England uns. Der Sultan ist religiöses Oberhaupt des indo-englischen Reiches. Von jetzt ab stehen sich „Lmxross ok Inäiu," und Islam gegenüber." Oertliche und sächsische Htngelegenheiten. Dresden. Das 25jährige Stadtverordnetenjubiläum des Stadtverord- netenvorstehcrsHofrath Ackermann fand am 17. Februar durch Fest- aktus im Stadtverordnetensaale in Anwesenheit des Kreishauptmanns v. Einsiedel, Generalstaatsanwalts v. Schwarze, des geh. Reg.- Rath Häpe, Polizeidirectors Schwauß, des Vorstehers des Stadt- verorduetenkoll. zu Chemnitz, Adv. vr. Enzmann, und der Ange hörigen der Familie des Jubilars unter allseitiger Betheiligung der Mitglieder beider städtischer Kollegien und starker Besetzung der Tri bünen seitens des Publikums statt. Bemerkt sei, daß dem Jubilar durch Oberbürgermeister Or. Stübel auf einstimmigen Beschluß von Rath und Stadtverordneten die höchste kommunale Auszeichnung, die Würde des Ehrenbürgers, durch Kreishauptmann v. Einsiedel im Auf trage Sr. Maj. des Königs das Komthur 2. Klasse des Albrechts ordens ertheilt wurde; außerdem wurde der Jubilar geehrt durch Vizevorsteher Jordan mit einem silbernen Hammer nebst Untersatz als Geschenk der gegenwärtigen Stadtverordneten, durch Stadtrath Teucher mit dem Album und großem Tableau früherer und gegen wärtiger Mitglieder der städtischen Kollegien, und endlich durch den Archivar und Kanzleivorstand, Assessor Thienemaun, mit einer statistischen interessanten Zusammenstellung und Sammlung von Ver zeichnissen und Berichten der unter Bctheiligung und Vorsitz des Jubilars abgehaltenen 1050 Plenarsitzungen in den vergangenen 25 Jahren. Schandau. Am 13. Februar ist das einhalbjährige Kind eines Maurers, während die Mutter auf kurze Zeit die Stube verlassen hat, von dem darin mitzurückgebliebenen zweijährigen Kinde mit einer Milchflasche auf den Kopf geschlagen worden, so daß von der zurück- gekehrten Mutter die Flasche zerbrochen, das Kindchen aber mit Glas splittern im Kopfe todt im Bette ausgefunden worden ist. Gespräch über eine socialdemokratische Versammlung. Heinrich. Siehst du, Karl, gestern solltest du mit dabei sein. Da ging's laut. Da hat uns der Vorstand des Socialistenvereins drinnen in der Stadt alles gesagt, wo's uns fehlt und wo's anders und besser werden muß. Karl. Das muß schön gewesen sein. Schade, daß ich nicht dabei war. Aber ich denke nur, das wissen wir doch schon selber, wo's uns fehlt und wo wir's anders haben wollen, und dazu brauchte man uns keinen Volksredner zu schicken. Heinrich. Ja, aber das klang doch noch ganz anders und nun wissen wir doch eigentlich erst, wie schlecht wir's haben, wie wir aus genutzt werden und wie wir mit allen Kräften nach besseren Zeiten arbeiten müssen. Karl. Hilft uns das etwas? macht uns das nicht erst recht un zufrieden und unglücklich?