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MeMnkl ßs Kilsürllss Tharandt, Nossen, Sieöentehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tbarandt. Lor«tbt»t» für Wtworun, Älttanneberg, Birkenhain, Blankeustri», Braunsdorf, BurkhüMswalde, Groitzsch, Grumbach, Srrmd bei R-dom, HeMMorf, HerzogSAalde mit Landberg, Hüh«do»i, «aufbach, KeffelSdorf, Klemschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohors, Miltitz-Roitzschen, Malzig, Neukirchen, Neutanueber«, Niederwartha, OberhermSdorf Pohrsdorf, RöhrSdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, SachSdorf, Schmtedewaldr, Sora, Steinbach bei KeffelSdorf, Steinbach bei Mohorn Seeligstadt, Spechishausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weisuopp, Wilooerg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Diendtags, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich l Mk. 30 Pfg., durch die Post be zogen 1 Mk. 54 Pfg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. Druck und Verlag von Martin Berger S- Friedrich, Wilsdruff. Für Politik und Feuilleton verantwortlich: Hugo Friedrich, für Oertliches und den Inseratenteil: Martin Berger. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommm. Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Korpuszeile. No. 123 Dienstag, den 17. Oktober 1W5. 64. Jahrg. Mit Rücksicht auf den am 19. und 20. d. Mts. hier stattfindenden Jahrmarkt hat die vorgesetzte Regierungsbehörde genehmigt, daß die Verkaufszeit in den Läden, sowie in den Verkaufsständen auf dem Markte am 19. Oktober d. I. bis abends 1« Uhr ausgevehnt werde. Wilsdruff, am 13. Oktober 1905. Der Bürgermeister. Kahlenberger. politische Rundschau. Wilsdruff, 16. Oktober 1905. Deutsches Reich. Die englisch-französischen Angriffspläne gegen Deutschland. Jetzt endlich liegt eine hatboifisiöse englische Aeußerung zu den DelcaffSschen Indiskretionen vor. Es wird näm lich gemeldet: London, 14. Okt. Das Reutersche Bureau ist in den Stand gesetzt worden, bezüglich der sensationellen Enthüllungen in der französischen Presse autoritativ milzuteilen, daß Deutschland von Großbritan nien informiert worden ist, daß die Frage eines Beistandsangebotes an Frankreich seitens Englands niemals entstanden ist und daß Frankreich niemals den Beistand nachge sucht hat. Ferner, daß England niemals einen solchen angeboten hat. Auf Anfragen in englischen Rrgierungskreisen ist dem Reuter'schen Bureau mitgeteilt worden, daß die britische Regierung keine amtliche Erklärung über den Gegenstand abgebe. Man hat also in London einer Anstandspflicht genügt und auf dem nicht ungewöhnlichen aber zu nichts ver pflichtenden Wege durch das Reutersche Bureau erklärt, daß eine förmliche Verständigung zwischen England und Frankreich über einen Angriff auf Deutschland nicht be standen habe. Weder England noch Frankreich wollen um Beistand gebeten, noch ihn angeboten haben. Damit wäre die Sache abgemacht, und man könnte annehmen, Herr Delcassä habe der Welt einen riesengroßen Bären aufgebunden. Nun aber ist es doch wohl undenkbar, daß sich der eitle Exminister die ganze Geschichte aus den Fingern gesogen hat, und andererseits ist man gewohnt, auch zwischen den Zeilen Rmterscher Erklärungen lesen zu müssen. Und die obige Meldung läßt immer noch die Möglichkeit offen, daß formelle schriftliche Angebote und Abmachungen zwar nicht bestanden haben mögen, daß aber unverbindliche mündliche Erörterungen stattge funden haben. Vielleicht wissen die Akten der diplomatischen Archive über einen solchen Plan viel weniger zu erzählen, als die persönlichen Erinnerungen der leitenden Staats männer und Botschafter in beiden Ländern. Die obige Reutersche Erklärung hat keine Beweiskraft gegenüber der Annahme, daß der Angriffsplan von beiden Seiten be sprochen worden ist, daß er aber noch nicht fertig war, und noch keinen Niederschlag in Form eines schriftlichen Vertrages gefunden hatte, als Herr Delcasss vom Amte zurücklrat. Wären die Indiskretionen des „Malin" nichts als eitel Wind und Flunkerei, so würde sich auch wohl die französische Regierung geäußert haben- „Gegangen worden" ist der preußische Handersunntster Möller, „der lange Möller". Die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Formen der Mmisterverabschiedung. Bisher bestand hier zu Lande die Einleitung zu dem mehr oder minder un freiwilligen Rücktritt eines Ministers in einer Visite, die ber Chef des Zivilkabinetts des Kaisers, Herr v. Lucanus, dem zukünftigen Minister a. D. abstattste. Nunmehr aber ist eine Aenverung dieses Brauches zu verzeichnen. Herr v. Lucanus hat dem preußischen Handelsminister Möller keinen Besuch abgestattet, sondern hat ihm eine Ein- ladung zu einer Visite bet Lucanus übermittelt. Ob diese Aeuderung der Methode auf das vorgerückte Alter des Herrn v. Lucanvs zurückzuführen ist oder auf andere Gründe, kann natürlich niemand wissen. Von Belang aber ist nur die Tatsache, daß Herr Möller eine Einladung von Herrn v. Lncanus erhalten und ihr Folge geleistet hat. Der preußische Handelsminister wird also sein Demissionsgesuch einreichen, wenn er es noch nicht getan haben sollte. Die Vorgeschichte des unmittelbar bevorstehenden Rück tritts Möllers entbehrt nicht eines gewissen pikanten Bei geschmacks. Beim Bergardeiterstreik harte der Reichs- kanzler Fürst Bülow den Handelsminister Möller vor die Alternative gestellt, entweder sein Amt niederzulegen, oder die Bülowsme Politik entschlossen miizumachen. Der Minister entschied sich damals schweren Herzens für das Letztere und geriet dadurch naturgemäß bald in schärfsten Gegensatz zu seinen früheren Freunden, den „Schlot baronen", wie auch zu der den westlichen Großindustriellen sehr unbequemen, weil arbeiterfreundlichen Berggesetznovelle. Der damalige Entschluß Möllers bedeutete sein eigenes Todesurteil für seine ministerielle Tätigkeit. Bei den weiteren Verhandlungen in der Hibernia-An gelegenheit wie bei dem Begehren des Fiskus, in das Kohlensyndikat einzutreten, wurden dem abtrünnigen Minister denn auch von seinen einstmaligen Freunden so erhebliche und so deutlich gegen seine Person gerichtete Schwierigkeiten bereitet, daß Herr Möller zu der Erkenntnis kam, er sei dieser übermächtigen Partei seiner Gegner nicht gewachsen. Als Nachfolger Möllers gilt der jetzige Oberpcäsioent von Wcstpreußen, ClemensDelbrück, der 1856 in Halle a. S. als Sohn des Kreisphysikus Dr. Delbrück geboren ist. Das Ende des Streiks in der Berliner Elektrizitätsindustrie. In dem Streck der Berliner Elekmzitätsarbeiter ist am Sonnabend der Friede geschlossen worden. Kurz nach 12 Uhr mittags fanden sich die Obmänner der Arbeiter ausschüsse im Direktionsbureau derAllgemeinenElektrizitäts- gesellschaft ein und teilten mit, daß die Schraubendreher und Lagerarbeiter bereit seien, die Arbeit zu den vor dem Ausstand angebotenen Bedingungen wieder aufzunehmen. Dann begannen die Besprechungen ber Obmänner mit den Vertretern der drei großen Elektrizitätswerke. Hierbei wurden den Streikenden einige Zugeständnisse gemacht. Die Firmen beginnen heute mit der Wiedereröffnung derBetriebe. Die bisher beschäftigt gewesenen Arbeiter werden nach Maßgabe der Betriebsverhältnisse wieder angenommen, so daß Einstellungen fremder Arvkiter erst erfolgen, nachdem die bisher beschäftigten wieder unter- gebracht sind. lieber die Hinrichtung von Rebellen in Ostafrika schreibt man der „Kolonialen Zeitschrift": Nach Rückkehr des Bezirksamtmanns fand in Lindi ein Kriegsgericht über einen Teil dec Gefangenen statt. Da die Aufständischen verbreitet hatten, die Gewehre der Askari gingen nicht los, so wurden die 21 Mann zum Tobe durch Erschießen anstatt durch den Strang verurteilt. Sofort nachdem das Urteil gesprochen war, setzte sich der Zug zur Richtstätts in Bewegung. Voran eine Abteilung Askari, die mit Stricken gefesselten Gefangenen, darauf wieder Askaris, der Bezirksamtmann, die Beisitzer vom Gericht, schließlich eine Abteilung Ma trosen. Auf dem Scheibenstand angelangt, wurden die Gefangenen seklionsweise aufgestellt, ihnen die Augen ver bunden und sie durch abgegebene Salven erschossen. Mit einer Ausnahme standen sie ruhig da; nur ein junger Mann schrie und wehrte sich nach Kräften, so daß er an einen Baum gebunden werden mußte. Nachdem allen, die noch atmeten, Gnadenschüsse gegeben waren, wurde ab marschiert. Die Leichen blieben mehrere Tage unbeerdigt liegen. Ein zweites Kriegsgericht wird in den nächsten Tagen stattstnden, wobei etwa 100 Gefangene abgeurteilt werden sollen. Man nimmt an, daß die Stadt Lindi nichts wehr zu fürchten hat. Auf den Missionsstationen geht es recht munter zu. Nachdem die Missionare geflüchtet waren — eine Schwester wurde gefangen, zerstückelt und schließlich aufgefressen — setzten die Missionsschüler den Betrieb fort. Mit den Kleidern der Missionare angetan, saßen sie zu Tisch, ließen sich auf europäische Weise das Essen servieren, hielten Gottesdienst ab und trieben allerlei sonstigen Unfug. Als Herr V. den Missionaren davonMitteilungmachte,meinteeiner: „Das ist den schon zuzutrauen." An der Küste fangen die Kerle an zu singen: „Wasungu wa na ruvi kweo", („Die Europäer kehren in ihre Heimat zurück.") Das wünschen sie natür lich alle. Keine Steuern, keine Arbeit, keine Bestrafung von Mord und Brand. Wiederkehr des Rechts des Stärkeren (wofür sich natürlich jeder Neger hält, solange der andere noch nicht auf ihm kniet), das sind die goldenen 1 Seelen unserer Untertanen. Wie Sozialdemokraten gemacht werden, davon erzählt die „Kreuzzlg." treffende Beispiele aus Berlin. Ein Bäckermeister, so berichtet das Blatt, der nicht auf den „Vorwärts" abonnieren wollte, ist von den Mitgliedern von ber Partei für Freiheit und Recht boykottiert worden und hat in einer Woche 40 Kunden verloren, denen er bis dahin das Frühstück geliefert hatte. Ein Barbier kauft sich wenigstens an jedem Sonnabend den „Vorwärts", und legt ihn in seinem Lokale aus, denn es ist schon vorgekommen, daß Arbeiter Sonnabends wieder fortgingen, wenn sie ihr Leibblatt nicht fanden. Aehnlich liegt der Fall bei einem Gemüsehändler, der, um nicht boykottiert zu werden, ebenfalls ab und zu den „Vorwärts" kauft und ihn im Schaufenster auslegen muß. Erst dadurch sind seine Kartoffeln und seine Gemüse für die Genossen genießbar geworden. Die Sozialdemokraten scheuen sich nicht nur, ihre eigenen Arbeitsgenossen, wenn diese nicht an oie sozialdemokratischen Kassen zahlen, dem Hunger zu überliefern, indem sie bei Androhung eines Streiks ihre Entlassung verlangen, sondern sie üben auch gegen die kleinen Geschäftsleute die schlimmste Erpressung aus. Wenn dann auf dem sozialdemokratischen Parteitage mit Stolz auf das Anwachsen der sozialdemokratischen Presse hingewiesen wird, weiß man, woher dies kommt. Ausland. Die Unruhe« iu Rußland. Den in Moskau streikenden Schriftsetzern, Bäckern und Metallarbeitern schlossen sich allmählich alle Tabaks arbeiter, die Arbeiter in den Eisenbahnwerkstätten und die anderer Branchen an. Am Dienstag streikten bereits gegen 45000Mann. Tausende Arbeiter zogen brüllend und johlend durch die Stadt und demolierten die Betriebe, die die Arbeit nicht einstellen wollten. Es kam zu einer furchtbaren Prügelei zwischen Streikenden und Arbeitswilligen, wobei etwa 30 Arbeiter schwer verletzt und sechs totgeschlagen wurden. Schließlich beschossen Kosaken die Arbeiter, von denen eine große Anzahl ver wundet und getötet wurde. In der ganzen Stadt kommt es beständig zwischen Ausständigen und Arbeitswilligen zu Konflikten, wobei Messer und Schlagringe gehandhabt werden. Die Polizei und das Militär sind nicht imstande, den Tumult zu bändigen, da die Fabriken in der ganzen ungeheuer ausgedehnten Stadt und in den weitläufigen Vororten verstreut sind. Zudem kommen noch die Scharen der Rowvies, die plündern und in sinnloser Zerstörungs- ^wut alles vernichten, was ihnen in den Weg kommt.