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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, SieVenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. S7. Freitag, den 23. Zutt 1868. Tagesgeschich te. Wilsdruff, am 22. Juli 1869. Außer dem 2jährigcn Budget, welches dein am 27. September zusammentrctenden Landtage vorgelegt werden wird, sollen demselben u. A. ein Gesetz über eine gleichmäßigere Vertheilung der Steuern auf Stadt und Land, ein Preßgesetz und ein Gesetz über eine Reform der jetzigen Kreistagsverfassung, für welche sich der Minister des Innern, Herr v. Nostitz-Wallwitz, besonders interessirt, zugehen. Die Dresdner Handels- und Gewerbekammer hat eine Commis sion mit Berichterstattung über die in Aussicht gestellte Steuerreform beauftragt. Die Anträge derselben gehen dahin, daß an die Stelle der gegenwärtigen Grundsteuer, sowie der Gewerbe-, Personal- und Rentensteuer die directe Einkommensteuer treten und der zu ermittelnde durchschnittliche reine Ertrag, sowie das durchschnittliche persönliche reine Einkommen nach Abzug der Passivzinsen den Gegenstand der Besteuerung bilden, die Ermittlung dieses Einkommens aber durch Selbstdeclaration zunächst der Steuerpflichtigen erfolgen lassen. Für das neu im 12. Armeccorps (Sachsen) zu errichtende Hu- sarenregimcnt ist zur Uniformirung hellblau (mit wcißwollner oder Silberschnurauszeichnung) als Farbe gewählt. Tasche mit dem kö niglichen Namenszug „<i. k.", Kalpack mit rothem Sack. Als Gar nison wird Dresden (Altstadt) genannt. Die Dr. N. berichten: Der letzte Sonntag war in aller Wahr heit ein großer Festtag für die Residenz Dresden, denn es fand die militärische Feier zu Ehren des neugeborenen Prinzen statt. Die auf- und niederwogende Menge war nicht nach Hunderten, sondern nach Tausenden zu zählen, die namentlich den Platz zwischen dem Theater und der katholischen Hofkirche besetzte. Die Stufen der Tcrrassentreppe zeigten kein leeres Plätzchen, die Massen standen von der Treppe bis fast zur Belvedere hin dicht gedrängt und unbeweg lich. Auf der Brücke war die Passage sehr erschwert. Das Dach der Kirche, die Glockenstube und der Altan des Kirchthurms und Schloßthurms, der Balkon des Hoftheaters — Alles war belebt. Um halb 11 Uhr rückten drei Bataillone Jnfantrie mit den Fahnen, voran die Musik, die Commandantcn undd Adjutanten zu Pferde, die Mannschaft mit dem Haarstutz auf dem Helm, über die Brücke und stellten sich die Bataillone, mit der Front der Hofkirche zu, einzeln hinter einander auf. Mannschaften vom Regiment König Johann bildeten die mächtige Chaine. Gegen 11 Vi Uhr erklangen die Glok- ken und mit ihnen dröhnten die Kanonenschüsse vom Elbufcr herüber. Nach jemaligen 12 Kanonenschüssen feuerten die Bataillone dreimal, während die Musik dazu spielte. Als die Glocken verstummten, mar- schirten die Truppen ab und zwar über die Brücke nach Neustadt, während die Kanonen nun 101 Schüsse gaben. Nach und nach wur den die bisher überfüllten Plätze und anliegende Straßen leer. Es läßt sich denken, daß gestern Morgen die Dampfschiffe und Eisen bahnzüge eine Menge 'Provinzialstädtcr und Dörfler nach Dresden gebracht. Zwickau. Ein Maurergeselle und Stubenmaler, Namens Bell mann aus Oberlangenau, wollte am 10. Juli von hier nach Hof wandern. Da gesellte sich ein ihm unbekannter, schlecht gekleideter Handwerksbursche zu ihm, der ihm anbot, die Tour gemeinschaftlich zu machen. Beide wanderten fort, als sie aber beim Dorfe Weißen- sand angekommen waren, forderte der Unbekannte seinen Begleiter auf, sich mit ihm in einem nahen Teiche zu baden. Bellmann ging darauf ein, als er sich jedoch entkleidet hatte, stieß ihn der Unbe kannte plötzlich ins Wasser, raffte schnell die Effecten und Legitima tionspapiere Bellmanns zusammen und entfloh mit denselben in ei nen nahen Wald, ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, den unbe kannten Gauner aufzugreifen. Man kann' sich Bellmanns Verlegen heit denken, der plötzlich, so wie ihn Gott geschaffen, hilflos dastand und seinem treuen Reisegefährten nachsah, der mit seinem Hab und Gut das Weite suchte. Abermals hören wir von dem Selbstmord eines Soldaten. Es hat sich nämlich der 24 Jahr alte Hermann Großmann aus Mockritz bei Döbeln, welcher in Leisnig in Garnison stand, am 15. Juli in seinem dortigen Quartier mittels seines Dienstgewehrs erschossen. Vom landwirthschaftlichen Vereine in B obenneukirchen ist eine diesjährige Kartoffel gezeigt worden, welche bereits ein Gewicht von 17 Loth erreicht hat, desgleichen ein aus gewöhnlichem Ackerlande daselbst herausgegriffener Gerstenhalm, der reichlich 2 Ellen 20 Zoll mißt und aus der Flur von Schwand Kornähren, deren jede bei 8 Zöll Länge 80 und einige Körner enthielten. Der Stock, dem sie entwachsen/hat 19 Halme und derartige Aehren getrieben. Aus Annaberg vom 14. Juli berichtet das Annaberger Wo chenblatt: Ein recht beklagenswerther Unglücksfall hat heute früh eine hiesige Familie betroffen. Während die Mutter ihrem Töchter chen das Bad bereitet und sich einen Augenblick entfernt hat, um noch kaltes Wasser herbeiznholen, ist das Kind in die Wanne ge stiegen und hat sich so entsetzlich verbrannt, daß es nach 4 Stunden gestorben ist. Ein dem „Social.-Dem." aus Franzensbad zugehendes Telegramm meldet: Mende hat am 14. Juli einen heftigen Schlaganfall gehabt. Aerzte erklärten die Reise zum Sonnabend nach Düsseldorf behufs Vertheidigung im Gladbacher Prozeß für unbedingt lebensgefährlich. Der preußische Staatsschatz ist wieder gefüllt. Es fehlte von den 30 Mill. Thalern, die da baar aufbewahrt werden, noch eine Million. Sie ist vor einigen Wochen eingegangen und Hinzugethan worden. Ist denn aber das eine gute Einrichtung, einen so enormen Schatz todt liegen zu lassen ? Könnten nickt von den Interessen allein wenn man das Geld gut und sicher anlegte, Vielen, die in Bedräng niß und in Ungemach sind, damit reichlich geholfen werden? Das preußische „Militair-Wochenblatt" faßt sein Urtheil über den Bericht des sächsischen Generalstabs über den Antheil des säch sischen Armeecorps am Feldzuge 1866 in Oestreich in den Satz zu sammen: „Nicht nur bei der sächsischen Armee, der durch einfache Darlegung der Verhältnisse ein schönes und wohlverdientes Lob ge spendet wird, sondern auch in weiteren Kreisen wird das Werk als eine erwünschte Ergänzung der Kriegsgeschichte des Jahres 1866 die gerechte Würdigung und eine wohlwollende Aufnahme finden." Berlin ist wiederum der Schauplatz einer sehr bedeutenden Ar beitseinstellung. Da die Verhandlungen zwischen den jetzt in einer Kopfzahl von ca. 6000 in Berlin beschäftigt gewesenen Maurerge sellen und deren Meistern wegen Erhöhung des Arbeitslohnes von 22>/r Sgr. pro Tag und Kopf auf das Minimum von täglich 1 Thlr, und überhaupt auf Gewähr ganz der nämlichen Bedingungen, wie sic die Zimmerer durch ihre Strike erkämpft haben, im Wege der Güte das gewünschte Resultat nicht zu erreichen schienen, so hat sich in einer am letzten Sonntag abgehaltenen, das große Lokal des neuen Gesellschaflshauscs in Saal uns Garten bis auf den letzten Platz füllenden Versammlung, die Gesellschaft einmüthig zur Arbeits einstellung entschlossen. Dieser Entschluß ist auch am Montag früh fast auf allen Bauten, sogar denjenigen Meistern gegenüber ausge führt worden, welche sich widerstandslos den Forderungen derselben gefügt hatten. In der französisch-reformirtcn Gemeinde zu Berlin, an der Fournier als erster Geistlicher angcstcllt ist, wurde eine Versamm lung abgehaltcn, zu der eine große Anzahl Gemeindeglieder sich ein fand. Man beschloß, den Predigten des verurtheiltcn Mannes nicht beizuwohnen. Durch kaiserliches Dccrct vom vorigen Sonnabend sind die neuen französischen Minister ernannt. Es kostete einige Schwierig keiten zu überwinden, bis sich die geeigneten Männer zur Annahme der Ministerstellen bereit fanden. Aus dem alten Ministerium sind nur zwei geblieben, Niel, der Kriegsminister und Magne, der Fi nanzminister. Neu eingetreten ist Latvu d'Auvergne, bisher Gesandter am englischen Hofe, als Minister des Auswärtigen, Roquette, Mini ster des Innern, für den Unterrricht: Bourcaui, für öffentliche Ar beit; Gressler, für die Marine: v. Genouilly, für die Justiz: Duver- gier und für den Ackerbau: Leroux. Bald wird sichs zeigen, wie sich der Kaiser zu ihnen stellt, ob er ferner alle Verantwortlichkeit auf sich nimmt, oder ob fortan die Minister ihm und dem Laude ver antwortlich sind. Der abgetretene Minister Nou her hat eine andere einflußreiche Stelle erhaltender ist lebenslänglicher Präsident des Senats gcwor-