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Wochenblatt für ^5 «1. 186S. Freitag, den 6. Lugust Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Licbenlchu und die Umgcgcuden. Amtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Tag esgeschich te. Wilsdruff, am 5. August 1869. „Freuet euch Kinder, bald wird Leben!" Der Tag unseres Kinderfestes rückt näher und mit ihm die Freude und der Jubel der Kinder. Bis heute Mittag waren schon über 400 Kinder gezeich net; auch recht nette Geschenke sind schon eingegangen und bei Hrn. Ed. Wehner bis Sonnabend zur Besichtigung ausgestellt. Von Sonntag Mittag an werden sämmtliche Prämien im Saale der Re stauration zur Schau ausgelegt sein. Möge nur der Himmel unsern Kindern einen recht angenehmen Tag zu ihrem Feste bescheeren. Im Uebrigen verweisen wir auf die in heutiger Nr. befindliche Bekannt machung des Festausschusses. Wir machen unsere geehrten Leser auf den im Jnseratcntheile unserer heutigen Nummer befindlichen Hülser uf des hiesigen Kgl. Gerichtsamts hiermit noch ganz besonders aufmerksam. Gewiß wer den die Bewohner des Amtsbezirks Wilsdruff nach Kräften dazu beitragen', die große Noth der durch das erschütternde Grubenunglück zu Burgk gewordenen Wittwen und Waisen zu lindern. Dem Vernehmen nach beabsichtiget Herr Musikdirector Günther hier in den letzten Tagen der nächsten Woche auf der hiesigen Ne- stauratiou ein großes Ertra-Concert abznhalten, dessen Ertrag zum Besten der Hinterlassenen der in den Steinkvhlenwerken zu Burgk verunglückten Bergleute verwendet werden soll. Alle edlen Menschenfreunde von Stadt und Land werden auf dieses Concert hiermit schon im Voraus aufmerksam gemacht und gebeten, auch bei dieser Gelegenheit ihre milde Hand aufzuthun und ihr Scherstein beizutragen zur Linderung der großen Noth, welche durch das traurige Ereigniß in die armen Bergmannshütten einge zogen ist. Se. Maj. der König haben von Schwalbach aus telegraphisch angeordnet, den zahlreich Hinterbliebenen der im Plauenschen Grunde verunglückten Bergleute, um deu ersten Bedürfnissen abzuhelfen, 500 Thlr. aus der königlichen Schatulle zu zahlen, welche Summe auch bereits durch die Expedition des Dr. I. ihrer Bestimnmng zugeführt worden ist. Aus der Dresdner Fondsbörse wurden am Dienstag in we nigen Minuten ca. 1000 Thlr. für die Hinterbliebenen der im „Se- gcn-Gottes-Schacht" verunglückten Bergleute gezeichnet. Gegen den Schriftsteller Liebknecht in Leipzig ist Seitens der königl. preußischen Staatsanwaltschaft Klage erhoben, und das Ber liner Stadtgericht hat die Anklage für begründet erachtet und ange nommen. Liebknecht wird beschuldigt, in einer öffentlichen Versamm lung zu Berlin am 31. Mai d. I. unter Anderem gesagt zu haben: „Dre jetzige Gestaltung Deutschlands besteht nur durch einen Nechts- bruch und stützt sich auf das Schwert." Der Staatsanwalt folgert nun: Die jetzige Gestaltung Deutschlands ist herbeigeführt durch die Politik der preußischen Staatsregierung; es liegt also darin eine Schmähung dieser Politik, daß sie mit einem Nechtsbruche identisicirt wird. Demgemäß wird Liebknecht angeklagt: durch öffentliche Schmäh ung Anordnungen der Obrigkeit dein Hasse ausgesetzt zu haben, und zum 17. September vor das Berliner Stadtgericht geladen, — aber schwerlich sich einstellen, weil er sonst wegen Bannbruchs verhaftet und zu mehrmonatlichcm Gefängnis; verurtheilt werden könnte. Die Leipz. Nachr. berichten: In dxr Nacht vom Sonntag zum Montag hat ein junges, erst 19jähriges Mädchen, die Tochter an ständiger Eltern in Leipzig, sich den Tod zu geben gesucht, indem sie sich nahe dem Stationshäuschcn Nr. 94 auf der westlichen Staats eisenbahn vor dem herannahenden Zug über die Schienen legte. Der vor den Locomotivrädern angebrachte Räumer stieß zwar den Körper bei Seite, indessen nicht weit genug, so daß die Rüder den Unter schenkel des rechten und den Oberschenkel des linken Beines durch schnitten und diese Körpertheile abtrennten. Kurze Zeit darauf wurde die Unglückliche noch lebend und bei Bewußtsein gefunden und so gleich nach dem Leipziger Jacobshospital getragen. Trotz der furcht baren Verstümmelung hatte sie wenig Blut verloren und klagte nicht viel. Als Ursache der traurigen That ist Liebeskummer zu betrachten. Leipzig, 2. August. Abermals ist auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn und zwar auf der neuen Linie ein Zusammenstoß zwischen 2 Zügen vorgekommen, zum Glück hat derselbe jedoch erhebliche Ge fährdungen von Menschen nicht zur Folge gehabt. Der Unfall ist gestern Abend 10 Uhr auf dem Bahnhofe zu Nauenhof passirt: dort war eben der hierhergehende Personenzug eingetroffen und hatte Halt gemacht, als unmittelbar nach ihm ans demselben Gleise und ans derselben Richtung ein zweiter Zug herankam und in den haltenden Zug hineinfuhr; zum Glück waren die hintersten Wagen des letzteren noch unbesetzt, sonst wäre namenloses Unglück hcrbeige- führt worden; deun jene letzten Wagen wurden sämmtlich theils zer trümmert, theils aus dem Gleise gehoben und vom Bahnkörper her- untergeworfen. In Bautzen erkrankte nach einem Ucbungsmarsche ein Bataillon der dasigen Garnison nach dem Mittagessen an Vergiftungssympto men. Die sonderbarsten Gerüchte, Sonnnenstich, Cholera, Grünspan vergiftung rc. verbreiteten sich in der Stadt; doch beschränkt sich die Sache darauf, daß die Soldaten als Mittagskost neue sauere Kar toffeln erhalten hatten, welche den. Abend vorher schon vorgerichtet, durch das Stehen bei der jetzigen großen Hitze ungenießbar geworden waren und jene Erkrankung verursacht hatten. Sofortige ärztliche Hilfe war in den meisten Füllen von günstigem Erfolge Oelsni tz bei Stollberg. Am 29. Juli ereignete sich im obern Dorfe ein eigenthümlicher Unglücksfall. Das 4 ^jährige Söhnchen des Bergarbeiters Andrä spielte mit seinem 1'/? Jahre alten Brü derchen Hutter dem am Berge liegenden Hause, indem er sich mit ei nem Strick, an welchem als Schlinge ein Bindfaden befestigt war, vor eine Hütsche als Wagen spannt. Da bleibt die Hütsche an ei nem Pfahl, wie solche gegen das Herunterbrechen des Erdreichs Palli- saden Ähnlich eingeschlagen sind, hängen, dem ziehenden Knaben giebt cs jedenfalls einen Ruck, er stürzt über den ohngeführ 3 Ellen hohen Rand herab und kaum 10 Minuten, nachdem er die Stube der Mut ter verlaffen, findet man ihn am Strick und Bindfaden hängend als Leiche. Aus Ostritz vom 22. Juli berichtet man der Const. Zeitung: Die katholische Kirche gewinnt in Sachsen unter dem hohen Adel immer weitere Verbrcuung. Zu den schon bekannten Uebertritten kommt nunmehr die Bekehrung der Gräfin von Seebach, Ge mahlin des sächsischen Gesandten zu Paris, wodurch i» der gräflich Seebachschen Familie doch einige bessere Ucbereinstimmung einge treten ist, insofern der Herr Graf Protestant, die Frau Gemahlin — geborne Nesselrode — griechisch war und die sämmtlichen Kinder katholisch erzogen worden sind. Es war schon früher ausgefallen, daß der Nachkomme einer der vornehmsten thüringisch-sächsischen pro testantischen Familien seine Kinder im KatholiciSmus erziehen lasse. Wien. Die „Presse" veröffentlicht einen Erlaß Giskra's Na- mens des Cultusministers an die Lemberger Statthalterei bezüglich des Krakauer Karmeliterinnenklosters. Derselbe enthält erstens den Vorschlag, die Subvention (von ca. 2000 fl.), welche das Kloster bis her genossen, demselben zu entziehen; zweitens die Anfrage an den Bischof Galecki, ob nicht in Anbetracht der gerechten Entrüstung der Bevölkerung und in Anbetracht, daß ein ersprießliches Wirken von diesem Kloster keineswegs zu erwarten sei, die Aufhebung des Kar in eliterinnenkl-osters ziveckmäßig wäre. Die Vorbereitungen für den Empfang der Kaiserin Eugenie in Constantinopel nehmen immer größere Dimensicnen an. Das von vornherein so kostspielig eingerichtete Palais von Beglerbey wird ganz von neuem meublirt. Ganze Straßen, durch welche der kai- zerliche Gast fahren soll, werden aufgerissen und um mehrere Fuß erhöht. Ein eigner Commissär ist nach Paris abgeschickt worden, um für 15,000 Pfd. St. Tafel-Service einzukaufcn, und wegen verschie dener Delikatessen Lieferungsvcrträge abzuschließcn. Der Hofschnei der muß sämmtliche Hoflivreen umarbciten und mit den französischen Farben verzieren. Die Türken im Allgemeinen sind sehr unzufrieden damit und murren laut über die sinnlose Verschwendung, welche Ma dame Bonaparte veranlaßt. Die Grubenexplosion im Plaucnschen Grunde. Das in unserer letzten Nummer erwähnte große Unglück in zwei § Kohlenschächten des Plauenschen Grundes bestätigt sich leider in schrck- kenerregendcr Weise. Wir geben in Knrzem eine Zusammenstellung