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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. AmtsölatL für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. ^5 34. Dienstag, den 29. April 1873. Tagesgeschichte. Die Herbstübungen des 12. Armeekorps werden am 1. August beginnen und etwa 4 Wochen dauern; die 2. Infanterie-Division wird, nachdem die einzelnen Brigaden zum Brigadeezcrziren zusammen gezogen gewesen, in der Gegend von Rochlitz manövriren, die Reiterei soll um Oschatz herum Eantonnements beziehen. Fürst Bismarck ist vom Kaiser mittelst Handschreibens von Varzin nach Berlin gerufen worden, schwerlich aber, um seine weiße Kerze beim Fackcltanz am Hofe zu tragen. Die Zustände im Elsaß machen noch vor der Petersburger Reise wichtige Beschlüsse nöthig. Die Affaire mit dem Straßburger Bürgermeister und den Gemeinde- räthen ist nicht so klein, wie sie aussieht, sie ist vielmehr das äußere Zeichen einer großen Gährung; der Ultramvntanismus hat in den NcichSlanden ein sehr gefügiges Element zur Rache wider das Reich und den noch verhaßteren Reichskanzler gesucht und gesunden. Bis marck hatte schon lange diese Gefahr erkannt und freie Hand zu ihrer Bekämpfung verlangt; die Falkschen kirchl. Gesetze schmiedete er als Waffen; er stand aber auf dem Punkt, das Spiel zu verlieren; denn der Widerstand, den er bei Hofe sand, drohte alle seine Berechnungen zu durchkreuzen. Die Westphäl. Volkszeitung und ähnl. Gelichter er fanden die Geschichte nicht, (die wir neulich erzählten,) sie plauderten sie nur aus; da kamen alle die Demonstrationen und Entdeckungen in Straßburg und setzten wie ein Blitzstrahl die Rothwcndigkeit des Bismarck'schcn Kampfes gegen die Ultramontanen in das hellste Licht. Nun wurde er aus Varzin gerufen. Die Bicrkrawalle in Frankfurt waren sehr ernst und blutig. Sie brachen am letzten Markttage (21. April) aus, nachdem 6000 bis 8000 Leute aus der ganzen Umgegend in die Stadt geströmt waren. Der erste Crawall erhob sich in der großen Friedberger Straße in der Nähe der Zeil, wo die Tumultanten Alles zertrüm merten, weil für das Glas Bier 4'/, Kr. (statt 4) verlangt wurden. Dieser Crawall schien das Signal/zu sein; denn bald brach der Tu mult in zahlreichen Brauereien und Wirlhschasten in den verschieden sten Theilen der Stadt aus. Die Polizeibeamten wurden umzingelt, an die Mauern gedrängt, oft auch mit Knütteln und Steinwürfen empfangen und in wenigen Minuten wurden in den Wirthschaften Möbels, Thüren, Fensterläden rc. zertrümmert. Auch ein Kleiderladen und mehrere Schuhladen wurden geplündert. Die Polizei war viel zu schwach, um gegen die tumultirendcn Haufen von 50—450 Leuten in den verschiedensten Haufen etwas auSzurichtcn. Die aufgcbotenen Compagnien Soldaten eilten im Laufschritt durch die Straßen uud mußten wiederholt scharf feuern; dicUnrnhen dauerten bis umMitternacht. Meh rere Militärs und Pvlizeilcute sind erheblich verwundet. Im Anfang wur den Sodatcn und Pvlizeilcute mit Hochs begrüßt, die Tumultanren riesen ihnen zu: Die Arbeiter suchen ja nur ihr Recht, sie haben nichts gegen Euch, sie wollen nur an die Gcldsäcke! Von Verwundeten hat man schon einige 50 aufgefuuden, die Zahl der Tobten ist auf 20, die der Gefangenen auf 150 gestiegen, darunter der Kerl, der mit einer Trompete bas Signal zum Sturm auf die Brauerei Müller gab. Dragonerpatrouillcn haben 10 Gefangene im Stadtwald ge macht; der Volkswitz sagt diesen Flüchtlingen nach: sie hätten sich Gewehre dort schneiden wollen. (Die Sckwagersche Brauerei empfing die Angreifer mit siedendem Wasser und ließ den Dampf des Kessels gegen sie los. Bei Reutlinger dagegen schnitten die Tumultanten die Gasröhren ab und zündeten das ausströmende Gas an. Ein Wiener versichert aus Frankfurt : Es wird hier der größte Schwindel mit dem Bier getrieben. Frankfurter Bier wird Wiener Bier genannt und das bayerische Bier ist ein Höllengebräu, vor dessen schädlichen Ingredienzen ein berühmter Arzt öffentlich gewarnt hat.) Hinsichtlich der Frankfurter Vorgänge bemerkt der „Neue Social demokrat": „Die Zeitungen berichten jetzt von einem Biercrawall, der zu Frankfurt a. M. am 21. April stattgefunden hat. Wir sind neu gierig, ob uns auch dieser Crawall in die Schuhe geschoben wird." Hierzu sagt die „Kreuzztg.": „Die Gerichtsverhandlungen werden er geben, ob die „unruhigen Volksmassen" etwa vom Monde gefallen sind, oder ob und welcherlei leitende Kräfte dabei betheiligt waren. In welchem Sinne der „Neue Socialdemokrat" das Geschäft des Ruhestiftens auffaßt, zeigt in derselben Nummer ein Leitartikel über den Armen-Kirchhof und gegen die „kostbaren Monumente" auf an deren Gottesäckern. Dort lesen wir u. A.: „Die Todten sind Zeu gen der Verworfenheit der Gesellschaft, die Grabstätten sind Prunk für die Reichen, Vergessenheit und Elend für die Armen; die glän zenden Grabstätten predigen den Classenhaß, die Todtcn der enterb ten Classen predigen ihn gleichfalls, da man sie im Tode noch ver achtet. Aus der Vergänglichkeit des einzelnen Menschen sollte eigent lich Versöhnung sprechen; doch die Unvergänglichkeit der Menschheit und die andauernde Classenwirthschaft, welche sich selbst auf den Friedhöfen zeigt — aus ihnen spricht der Vernichtungskrieg aller Classcnherrschaft. Dieser Krieg ist aber ein heiliger Krieg! Es ist ein Kampf der Pietät und der Menschenliebe. Das Menschcnthum soll und muß aufgerichtet werden in seiner vollen Schönheit und Würde. Und hierzu kämpfen wir mit allen Mitteln; wir sind pie tätslos aus Pietät; wir können grausam sein aus Menschlichkeit; wir schüren den Classenhab aus Menschenliebe; wir wollen den Ver nichtungskrieg aus FriedenSschnsucht und führen diesen Kampf der Geister auch hinein in die Gräber und lassen nicht ruhen die Tobten." Berlin. Dreitausend Schumacher-Gesellen haben beschlossen, sofort den Sinke zu beginnen, nachdem die Verhandlungen mit den Meistern über eine Erhöhung des Lohnes um 33 V» Procent ge scheitert sind. Das Aeltesten-Collegium der Berliner Kaufmannschaft brachte einen Protest an den Reichstag gegen Laskers Ausspruch: „Die Börse ist die Akademie für die Umgebehung der Gesetze." Die Juristen sagen: Sehr richtig! — Die Börsenhcrren aber, welche die Schleuder des kleinen Mannes an der Riesenstirne verwundet hat, rufen: Steinigt ihn! Landwirthschastliches. Die thörigte Verfolgung gewisser der Landwirthschaft nur nützlicher Thiere. Leider herrscht noch immer bei manchen Grundbesitzern und Landleutcn eine falsche Ansicht über gewisse Säugcthiere und Vögel niederer Gattung, die eine Nachstellung gegen diese Thiere ihnen vollkommen gerechtfertigt erscheinen läßt. Entspringen nun derartige Verfolgungen thcilS aus der Ansicht, diese höchst harmlosen Thiere seien aus verschiedenen Gründen der Landwirtschaft schädlich, theils aus dem Umstande, weil sie dem betreffenden Grundbesitzer einen materiellen Vortheil gewähren, so sind doch nichtsdestoweniger jene beiden Ursachen höchst mißbilligcnSwcrth. Es ist auch schon in landwirthschaftlichen Zeitschriften ans jene, der Oekonomie zum größten Nachtheile gereichenden Vorurtheile mit Recht hingewiesen worden, ohne daß dies bis jetzt mit Erfolg begleitet gewesen zu sein scheint. Sehr irrig ist z. B. das Vorurtheil gegen den Maulwurf, welches man in unzähligen Ortschaften des platten Landes anzutreffen Gelegenheit hat. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, daß cS, wie ja keine Regel ohne Ausnahme, noch manche intelligente und den Nutzen dieser Thiere wohl zu würdigen wissende Landwirthc anzütreffen sind, welche entschieden eine Verfolgung derselben miß billigen. Man hält den Maulwurf für ein unnützes, nur Schaden anrichtendcs Thier, was man auf Feldern, Wiesen, Gärten hinläng lich beobachten könne! Geben wir zu, daß derselbe den Boden der tragfähjgsten Felder, Wiesen oder Gartenaylagen unterwühlt und ausstößt, so steht doch dieser Schaden in gar keinem Verhältmsse zu dem Nutzen, man könnte sagen Segen, welchen der Maulwurf (wie viele kleine Säugcthiere und Vögel) durch Vertilgung einer enormen Anzahl erdbcwohnenden Ungeziefers, als Käfer, Engerlinge, Würmer, Schnecken u. s. w. gewährt. Dieses Ungeziefer nagt be kanntlich den in der Erde befindlichen Theil der Pflanzen, oder was dasselbe ist, die Wurzeln des Getreides, der Kräuter uud Gräser a»,