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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebentehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 8. Aiärz 1867. 10. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Don dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Bterteljahrgang beträgt lv Ngr. und ist ledesmal v or auSzub ez ah len. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redaction), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. Redaktion. Umschau. Der Reichstag hat im Laufe dieser Woche fast täglich Sitzungen im Hause und in den Ab- theilungen gehalten und seine Borgeschafte als Ta gesordnung, Wahlprüsungen rc. soweit beendigt, daß er in der heutigen Plenarsitzung zur Wahl seiner Präsidenten unv seine» Bureaus schreiten konnte. Als Präsident wurde der Candidat der liberalen Seite des Hauses, vr. Simson, Vicepräsidcnt des Appellationsgerichts in Frankfurt a/O. gewählt; derselbe ist als Präsident des Fiankfurter Parlaments, aus dem Erfurter Parlament und aus dem preu ßischen Abgeordnetenhaus in weitesten Kreisen be kannt. Erst in der zweiten engeren Wahl erhielt er die absolute Mehrheit mit 127 von 240 Stim men, während auf den konservativen Gegenkandi daten Grafen Eberhard v. Stollberg-Wernigerode 95 Stimmen gefallen waren. Als erster Viceprä sident wurde Fürst Hugo von Hohenlohe. Oehringen, Herzog v. Ujest (zur gemäßigt kon servativen Fraktion gehörig) ebenfalls in engerer Wahl mit 119 von 231 gültigen Stimmen gewählt, während der Candidat der liberalen Parteien Ru dolph v. Benningsen aus Hannover (Präsi dent des Nationalvereins) 94 Stimmen erhalten hatte. Doch 'wurde dieser Letztere in der daraus folgenden ersten Wahl mit 114 von 222 giftigen Stimmen zum 2. Präsident erkoren; hierbei hatte der Candidat der Rechten, Haberkorn aus Zittau, 95 erreicht. Diese Wahlen zeigen deutlich, daß bis jetzt weder die konservativen, noch die liberalen Parteien des Hauses eine Majorität besitzen. — Der liberale Ostpreuße Rechtsanwalt v. For- ckenbeck gehört seit einer Reihe von Zähren zu den hervorragenden Mitgliedern des preußischen Ab geordnetenhauses; in der letzten schwierigen Session erwarb er sich als Präsident des Hauses durch aus gezeichnete Leitung der Verhandlungen neue Lor beeren und die höchste Anerkennung aller Parteien. Dennoch unterlag er bei den Reichstagswahlen in Elberfeld-Barmen mit Hülfe der Lassaleaner dem Grafen Bismarck. Da wurde er im Wahlkreise Ncuhaldensleben - Wolmirstedt als Candidat aufge- stellt; sofort stellte die Gegenpartei den Kronprinzen auf, um Forckenbecks Wahl zu hintertreiben. Der Kronprinz hat sie aber arg beschämt. Er er klärte der Wahldeputation, er lehne das ihm an- getragene Mandat ab, schon deswegen, weil er wünsche, daß v. Forckenbcck gewählt werde. So scheint v, Forckenbeck's Wahl für den Reichstag gesichert. — Es ist gewiß, daß das blutige Jahr 1866 seine geheime Geschichte hat. Das „Genfer Jour nal" glaubt, einen Beitrag zu derselben geben zu können. Derselbe lautet ungefähr so. Graf Bis marck theilte dem Kaiser Napoleon mit überraschen der Offenherzigkeit mit, was er in Deutschland und mit Oesterreich vorhabc und fragte an, was Frank reich etwa an Land und Leuten verlange, wenn es Gewehr im Arm zusäht. Napoleon zeigte eine nicht minder überraschende Uneigennützigkeit, er forderte nichts, als daß Italien Venetien erhalte. Der Krieg ging los, Oesterreich wurde nicdergeworfen; da verlangte Napoleon !in den Nikolsburger Ver handlungen plötzlich die Berichtigung der Saar grenze, d. h. eine Abtretung an Land und Leuten. Es war wenig, weit weniger, als ihm vor dem Kriege wäre zugestanden worden, aber Bismarck antwortete: „Sire, es ist zu spät!" Er wollte nunmehr keinen Zollbreit deutschen Bodens abtreten. Ich begreift eö, sagte er dem französischen Bot-