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Wochenblatt » Wilsdruff, Tharaud, Noffen, Lieben lehn - und die Umgegenden. j Amtsblatt für das Königl. Verichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ckreitag, den 18. Januar 1867. A Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lore uz. Bon dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Stert eljahrg ang beträgt iv Ngr. und ist jedesmal vorauSzubezahlen. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen daraus an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redaction), als auch tn der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Bormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche ter Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. Die Redaction. Umschau. Die Minister-Conferenzen der zum norddeutschen Bunde gehörigen Staaten werden so geheim gehal ten, daß Niemand etwas Gewisses erfährt. Die meiste Noth soll Mecklenburg macken, das Nichts von seinen eigenthümlichen Zuständen hergeben will. Die Verstimmung bei den Rittern ist gewaltig; besonders der Zollverein erscheint ihnen als eine Ausgeburt der Hölle, weil sie die Waaren zu ihrem Bedarf nun nicht mehr zollfrei erhalten können, sondern gleich dem Bürger und Bauer verzollen müssen. Daß Sachsen ein eignes Armeecorps er hält, scheint festzustehen; über die wichtige Frage, wem der Fahneneid zu leisten ist, sollen jedoch die Verhandlungen noch zu keiner Entscheidung geführt haben. — Eine Straße Berlins ist in so gutem Zustande, daß vergangene Woche ein Leichenzug Vorspann nehmen mußte und ein Droschkenpferd im Dienste ertrank. — Wir haben schon wiederholt auf die Kämpfe hingewiesen, die Oesterreich im Innern bevorstehcn und die ihm leicht verhängnißvoller werden können, als das preußische Zündnadelgewehr. In Böhmen liegen sich Deutsche und Czechen in den Haaren, Galizien ist j« zwei gegen einander wüthende Par- Polen und Ruthenen gespalten, Südtyrol mochte am liebsten mit Italien gehen und Ungarn c n ^^^Esten Wege, ganz von Oesterreich ab- zusallcn. Das Militärgesetz findet dort von "11*" Zelten Widerspruch, man bestreitet dem Kaiser das Recht, »Soldaten auszuheben ohne Zustimmung der Volksvertretung und verlangt ungestüm von den Ministern, daß das Gesetz für Ungarn außer Geltung gesetzt werde. Ein Redner, Madarazsch, ging soweit, Jeden sür einen Landesverräther zu erklären, der dem Gesetze Folge leiste. Auch die Deutschen in Oesterreich sind höchst unzufrieden mit der Regierung und weigern sich, Abgeordnete zu dem neu ausgeschriebenen Reichstage zu senden. Sie verlangen die Volksvertretung von 1848, Auf hebung des Concordats und Vertreibung der Jesuiten. Die Hoffnungen, die man auf Herrn v. Beust gesetzt, sind bedeutend gesunken; freilich, einem Körper, der schon in Auflösung übergegangen ist, kann kein Doctor helfen. Am russischen Ncujahrstage, der allemal 13 Tage spater fällt, als der unsrige, hat der Kaiser in einem Ukas verboten, künftighin den Namen Polen zu gebrauchen. Wenn das auch leichter befohlen als befolgt ist, so lange eS noch ein polnisches Volk und eine polnische Sprache giebt, so glauben wir doch, daß Polen nie wieder eine »Selbstständigkeit erlangt. Und wer trägt die Schuld davon? Möge man die Nachbarländer Rußland, Preußen und Oesterreich, die sich in das unglückliche Land getheilt haben, als Räuber verurtheilen, die Hauptschuld fällt dem polnischen Adel selbst zu. Als der einzige kluge Pole, der große Redner Lelewel aus Krakau den Vorschlag machte, den Bauern die Freiheit zu geben und sie zu bewaffnen gegen die Russen, da erhob sich ein Sturm des Unwillens gegen ihn; dem Edelmann war der Bauer nur das Lastthier, das zu seiner Bequemlichkeit geschaffen ist. Wer aber die Freiheit Anderer nicht achtet, der ist auch nicht werth, sie selbst zu besitzen. Der polnische Bauer, den der Kaiser von Rußland erst frei machen mußte, wird die Sense künftig nicht wieder für seinen Edelmann ergreifen, und ohne ihn sind Adel und Geistlichkeit machtlos. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.