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MMufferTageblati Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an ollen Wcrklagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. Irei Haus, bei Postbestellung I.8U AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern IO Apsg. Alle Postanftalten und Post boten, unsere Austräger u. . ,, ... Geschäftsstelle, nehmen zu lederzeit Bestellungen ent- WüllieNvIlltt fÜk VvilsürUff U. UlNHkÜLNd gegen. 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Das Wilsdruffer Tageblatt ist dos zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Stadt-- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 219 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt" Wilsdruff-DreNden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 19. September 1931 Warschau - Polens SWsalssiadt. N8L. Warschau, 17. September. Langsam fährt der Zug in Warschau ein. Ein provi sorischer Holzbau vertritt noch den Zentralbahnhof, der in den nächsten Jahren hier erstehen soll. Dann aber empfängt uns das Bild Warschaus, das bunte Leben dieser alten und doch nach neuem Stil und neuem Inhalt strebenden Hauptstadt des jungen polnischen Staates. Die historische Entwicklung Warschaus ist ebenso viel gestaltig wie seine gegenwärtige. In den Jahrhunderten seines Bestehens — seine erste urkundliche Er wähnung datiert aus dem Jahre 12L4 — hat es Zeiten des Aufstiegs ebenso wie des Niederbruchs, der Verwüstung und der Verödung gesehen. Einmal war es Vorposten des Westens; davon zeugen alte Stätten, die uns Deutschen vertraut sind, als wären sie Ausschnitte aus alten Patriziervierteln unserer 'Handelsstädte, das andere Mal vorgeschobene Machtposition des Ostens — die hundert Jahre russischer Herrschaft sind auf Schritt und Tritt zu verfolgen, und dazwischen in immer wieder unterbrochenen Etappen Mittelpunkt einer nationalpol nischen Entwicklung. Die Fahrt durch Warschau ist eine Fahrt durch diese seine Geschichte. Vor unserem Hotel breitet sich der große Pilsudski- Platz hinüber zum Sächsischen Palast, dem Sitz des Großen Generalstabs, in dessen Arkaden das Denkmal des Unbekannten Soldaten an das Weltringen und die sür Polen nachfolgenden Kämpfe gegen den Bolschewismus erinnert, das Warschau die Befreiung vom russischen Joch brachte. Auf dem großen, weiten Platz stand bis 1920 die russische Kathedrale. Sie wurde auf den Beschluß des polnischen Sejm damals bis auf den letzten Stein abgetragen, zum Zeichen des endgültigen Endes der russischen Herrschaft. Interessant ist, daß die Russen mit dem Bau gerade dieser Kathe drale einen Aberglauben verbanden: sie glaubten, daß in dem Augenblick, in dem dieser Bau völlig vollendet sei, der russische Stern zu sinken beginne. So ließen sie beim Bau innere Teile unvollendet. Doch der Aberglaube er wies sich als trügerisch. Wie diese Kathedrale Stück um Stück abgerissen wurde, so hat Warschau die Bande nach dem Osten zerschnitten und seinen letzten Angriff im Jahre 1920, als die Rote Armee vor Warschau stand und nicht nur Polen, sondern auch Europa be drohte, entscheidend abgeschlagen. Damit hatte der Kampf des Ostens um Warschau sein Ende gefunden. Vielzählig aber sind die Spuren, die diese Zeit im Gesicht Warschaus zurückgelassen hat. Das Warschauer Ghetto ist eines dieser Erbstücke. 300 000 Juden — einst aus Rußland abgeschoben — Hausen hier miteinander, übereinander, untereinander. Wovon sie leben, ist nicht recht ersichtlich, denn jeder handelt, handelt, handelt. Der Besuch im Warschauer Ghetto ist deshalb ein Erlebnis für sich, weil es den Juden in seiner völligen Unproduk tivität zeigt, in seiner Unfähigkeit, innerhalb der eigenen Gemeinschaft auch nur ein Mindestmaß von dem zu ent wickeln, was wir als Lebensstandard bezeichnen. In den schmierigen Höfen, in den finsteren Straßen, in denen das Ostjudentum, das in der Russen zeit hierher verpflanzt wurde, ein Leben führt, das tief unter dem Lebensniveau des Europäers steht, stehen und sitzen die jungen wie die alten Juden in ihren speckigen Kaftanen herum, man vermißt restlos den Eindruck tätigen Schaffens. Nicht nur auf den Straßen, auch auf den engen und düsteren Höfen, durch die ein auf dis Dauer unerträglicher Geruch zieht, reiht sich Geschäft an Geschäft. Die Fassaden sind bis in die obersten Stock werke mit Reklameschildern von Handelsgeschäften bedeckt. Die Inhaber dieser „Firmen" aber sitzen und stehen auf den Straßen herum, vereinigen sich zu einem Geschiebe und Gedränge, das den ganzen asiatisch-orienta lischen Eindruck dieser Juden st adt ins Widerliche steigert. Diesem einen — asiatischen — Warschau steht in stärkstem Kontrast ein völlig anderes gegenüber: das schöne Warschau, das uns mit Recht miO Stolz gezeigt wird, das Warschau der Parks und der Paläste. Sprach dort Asien, so spricht hier Europa. Hier lebt der Geist der Kultur und Kunst. Das Schloß, in dem heute der Staatspräsident seine Wohnung hat, mit seinen langen, Hellen Fluchten, mit seinen wertvollen Gobelins, seinen alten Bildern und seinen seingegliederten Kabinetten, mit seinem Blick über die Weichsel und die Vorstadt Praga, spricht eine ebenso eindrucksvolle Sprache wie draußen vor der Stadt das stilvolle Rokoko des Lazienki-Palais, das inmitten eines Niesenparks aus kleinen Seen sich erhebt, oder der schlichte Bau des Belvedere, in dem Pilsudski ein zurückgezogenes, aber um so einflußreicheres Leben führt. Der Name dieses Mannes, den der Warschauer mit be sonderer Betonung nennt, weist hin auf den Gegensatz noch zweier anderer Welten, die ebenfalls in Warschau sich trafen: den Gegensatz zwischen dem volkszerklüfteten Parlamentarismus, den auch das Nachkriegspolen kannte, und der autoritären Staatsführung, wie sie für Polen im Namen des Marschalls Pilsudski sich verkörpert. Vie Zollunion Die Abstimmung über die Aufnahme der Sowjet union in den Völkerbund umr nach kurzer Debatte be endet. Die Sowjetunion erhielt 3 9 Iastimmen vo n 4 9 im Saal anwesenden V ö l k e r b u n d s m t t - gliedern. 7 Mitglieder enthielten sich der Stimme und 3 stimmten mit Nein. Einige Völkcrbundsstaaten blieben der Abstimmung fern. Der Präsident erklärte Sowjetrußland als in den Völkerbund ausgenommen. Daraufhin be gann die zweite Abstimmung über den ständigen Ratssitz Sowjetrußlands, während die russische Delegation noch außerhalb des Saales blieb. Bei der zweiten Ab stimmung wurden für die Sowjetunion 4 0 Stim men bei 50 anwesenden Staaten abgegeben bei 10 Stimm enthaltungen. Nein-Stimmen wurocn nicht abgegeben. Der Präsident stellte daraufhin fest, daß die Sowjetunion einen ständige» Ratssitz erhalten habe. Kurz darauf betrat die Sowjctdclegation unter Führung von Litwinow den Saal und nahm den für sie vorgesehenen Platz ein. Einige Delegierte, darunter Titulcscu, begaben sich zu den Bänken der Russen, um sie zu begrüßen und zu beglückwünschen. Der Abstimmung ging eine ziemlich kurze Aus sprache voraus. Bundesrat otta gab die kurze Erklärung ab, daß er bereits gestern alles Grundsätzliche vorgebracht habe, was sein Land zu sagen habe. Die Sowjetunion erfülle als Großmacht zweifellos die Be dingungen für einen ständigen Ratssitz. Trotzdem habe er hier zu erklären, daß die Schweiz sich aus grundsätz lichen Erwägungen heraus der Stimme enthalten werde. — Hierauf hielt der irische Delegierte de Valera eine Rede, in der er zunächst feststellte, daß Motta im Namen der gesamten Christenheit gesprochen habe, die über die Entwicklung in Sowjet rußland schwer beunruhigt sei. Er bitte die Sowjet regierung, daß sie die Garantien, die sie amerikanischen Burgern vor einiger Zeit hinsichtlich ihrer Freiheit und der Sicherung ihrer persönlichen und menschlichen Rechte gewährt habe, auch auf die Bürger aller anderen Staaten und auf das russische Volk selbst ausdehne. Nachdem die Sowjetdelegation nach den Abstimmun gen die ihr zugcwicsencn Plätze eingenommen hatte, wurde sie von Präsident Sandler mit einer kurzen Rede begrüßt. Er bat sie, ihre Plätze in der Versammlung einzunehmcn, was aber, wie mit einiger Heiterkeit bemerkt wurde, die Russen inzwischen schon selbst getan hatten. Sandler be tonte, er begrüße die Russen aufrichtig und herzlich. Der heutige Tag bedeute eine entscheidende Wendung in der Geschichte des Völkerbundes; er eröffne neue Möglich keiten und sei eine Bestätigung dafür, daß der Völkerbund der Vervollständigung zustrebe, die stets ein wichtiges Ziel bleiben müsse. Daraufhin bestieg der erste russische Delegierte, Volks kommissar Litwinow, die Rednertribüne. Die Rede Liiwinows Litwinow dankte den Mächten, die sich um die Zu lassung der Sowjetunion bemüht hatten, vor allem Frank- reich, England und Italien. Litwinow machte den Per such, der kritischen Stimmnug der Verhandlung durck eine Darstellung der Lage in Sowjetrußland entgegen zutreten, die aber zweifellos scharfem Widerspruch begeg nen wird. So behauptet er, daß sich die Nassen und Völke, in der Räteunion frei entwickeln und ihrer Kultur gemäß leben könnten. Der russische Außenkommissar betonte, daß die Vor aussetzungen sür Ruhlands Mitarbeit und Zusammen arbeit mit den anderen Staaten in Genf der Grundsas im Völkerbund. der Nichteinmischung in die inneren Anges legenheiten eines Staates sein müsse. Jeder Stam müsse das Recht haben, sich nach seinen Bedürfnissen zu entwickeln. Rußland sei hier der Vertreter eines neuen Systems, vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaft. Sowz jetrußland werde auch iu Zukunft auf keine feii ner Besonderheiten verzichten. Vor 15 Jahren, als der Völkerbund gegründet wurde/ habe man sich die gegenwärtige Lage noch nicht vorstelley können. Jetzt aber sei der Krieg die Gefahr^ von heute. Tel Völkerbund müsse sich der Organisation des Krieges ents gegenstellen. Jeder Staat müsse wissen, daß ein Krieg nicht mehr örtlich begrenzt werden könne und daß auch die neutralen Staaten schwer unter ihm leiden würden) Noch immer seien die furchtbaren Wirkungen des Welü krieges nicht überwunden. Deshalb müßten verstärk 1S Sicherheitsgarantien verlangt werden. Als Litwinow seine Rede beendet hatte, war der Bei-i fall etwas stärker als am Anfang, aber immer noch erhebz lich unter dem Durchschnitt. Obgleich die meisten Delegat tionen und die Tribünenbesucher zweifellos nur zum ge-, ringen Teil die Rede verstanden hatten, verließ doch alles den Saal, als die Uebersetzung der Litwinowrede begann) Nur ganz wenige Delegationen hielten bis zum Schluß aus ihren Plätzen aus, so daß die russische Delegation schließe lich fast allein zwischen leeren Bänken saß. Schuschnigg rühmt den Völkerbund. Die Ergebnisse seiner politischen Besprechungen. Bundeskanzler Dr. Schuschnigg empfing nach seiner Ankunft aus Genf in Wien einen Vertreter der „Amtlichen Nachrichtenstelle", dem er u. a. folgendes erklärte: Österreich vertritt nach wie vor den Standpunkt, dast durch den notwendigen Ausbau der w i r ts ch a f t l i ch e rr Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Staaten, deni Interesse aller am besten gedient ist. Es liegt aus der Hand, daß die besondere geographische Lage Österreichs und seine wirtschaftliche Entwicklung seit dem Friedensvertrage mit zwingender Deutlichkeit auf das System der zweiseitigen Verträge verweist, und daß wir alle Mittel anwenden müssen, um auf diesem Wege, bei dem bereits wesentliche Fortschritte gemacht wurden — es soll hier.nur auf die römischen Pakte verwiesen werden — mit Erfolg vorwärtszu- schreiten. / Die Durchführung der neuen Verfassung, ! die bekanntlich von einem naheliegenden Zeitpunkt an diö Vertretungen der Wirtschafts stände vorsteht, zu sichern, führten von selbst dazu, daß die Aussprache auch auf die Frage der Gewährleistung der Unabhängig keit Österreichs und auf den Grundsatz der Nichtein mischung von außen in die innere Entwicklung Österreichs erstreckt wurde. Die österreichische Abordnung hat in dieser Beziehung weitgehendstes Verständnis gefunden, und ich glaube Wohl ohne Übertreibung sagen zu können, daß mein Genfer Aufenthalt in bestimmen dem Maße dazu beigetragen hat, endgültige Klärungen der mitteleuropäischen Entwicklung im Sinn: der von Österreich seit jeher vertretenen Grundsätze vorzubereiten. Auch in diesem Sinne hat sich der Völkerbund für Österreich wieder als das überstaatliche Forum erwiesen, dessen natürliche Aufgabe es ist, im Sinne not wendiger Zusammenarbeit zu wirken. Die große Poniato.vskibrücke erinnert an den 12. Mai 1 9 26 , an dem hier Pilsudski mit dem Bürger meister von Warschau sich traf uud die Übergabe der Stadt forderte, und an die drei Tage, an denen dann daraufhin in blutigem Ringen diese Übergabe erzwungen und der Grundstein zum heutigen Staatssystem in Polen gelegt wurde. Der Besuch Warschaus aber zeigt darin dem Beobachter nicht nur gegensätzliche Welten, es zeigt auch die Linien, in der Polen seinen Zukunftsweg gehen will. Die Türme des astatischen Warschau sind abgetragen. Sie werden nicht wieder erstehen. Aber ans der Härte des Joches hat Polen seinen autoritären Staat, den Begriff des Soldatenstaates, vor allem zugrunde gelegt. Der Soldat beherrscht Warschaus Straßen bild. Er ist der Mittelpunkt, um den sich das Leben dreht. Seine Jugend wird systematisch zum Soldaten erzogen und seine führenden Männer entstammen der Armee. Der Eindruck des militärischen Warschau gibt dem Bild dieser Stadt das heutige Kennzeichen Helmut Sündermann. Werbung sür die Fcucrschutzwochc. Ein Wagen der Berliner Feuerwehr fährt durch die Straßen der Rcichshauptstadt und ruft mit seinen großen Werbeschildern zur Beteiliauna an der Feuerschubwoche auf.