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MM- Zweites Blatt. "MI WWAMKich WM, Wo, Mmlcho M die UwMcki. AmtsbLclLL für die Kgl. Umtshauptmannschaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und deu Stadkatö zu Wlsdruff. Erichcir t wcü-cntlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern IO Pfg.— Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 101. Dienstag, den 18. Deccmber ' 1888. Dagrsgefchichte. Der Reichstag dürfte zur Stunde seine Weihnachtsferien angetreten haben, durch welche eine mehr als dreiwöchentliche Pause in der Thätigkeit des Hauses herbeigeführt wird. Noch in der letzten Woche vor der Ver tagung hat der Reichstag recht fleißig gearbeitet, wozu allerdings das Be wußtsein der bevorstehenden Ferien das seinige mit beigetragen haben mag. Die Beendigung der Generaldebatte über die Jnvaliditätsversicherungs-Vor- lage und Verweisung der letzteren an eine Kommission am Montag folgte am nächsten Tage in erster und zweiter Lesung die Annahme der Gesetz entwürfe, betr. die Vorarbeiten zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelmi, und betr. die Nationalität der Kauffarteischiffe, sowie die Novelle zum deutsch-schweizerischen Handelsverträge. Letzterer wurde indessen erst nach langen und eingehenden Debatten, in denen die im Zusatzvertrag« vorge schlagene bedeutende Zollherabsctzung sür Seidenwaaren die Hauptrolle spielte, genehmigt. Am Mittwoch, dem letzten „Schwerinstage" des Hauses im alten Jahre, wurde der Reichstag lediglich durch die seitens des Centrums und der Deutschkonservativen eingebrachten, auf Einführung des Befähig ungsnachweises für die meisten Handwerkskategorien zielenden, gewerbe politischen Anträge in Anspruch genommen. Dieselben haben bekanntlich den Reichstag schon in voriger ordentlicher Session beschäftigt und wurde dieses Thema bereits damals eingehend erörtert, so daß bei der nunmehr stattgefundenen abermaligen Verhandlung hierüber von keiner Seite mehr etwas wesentlich Neues vorgebracht werden konnte. Die Vertheidiger der Anträge, von Seiten des Centrums die Abgeordneten Metzner und Hitze, von Seiten der Konservativen die Abgeordneten Ackermann und v. Kleist- Retzow, führten zu Gunsten des Befähigungsnachweises hauptsächlich an, daß derselbe nothwendig sei, wolle sich der Handwerkerstand unter den heu tigen Verhältnissen existenz- und lebensfähig erhalten. Dagegen erklärten sich Abg. Frohme von den Sozialdemokraten, Abg. Duvigneau seitens der Nationalliberalen und Abg. Schmidt seitens der Freisinnigen entschieden gegen den Befähigungsnachweis, als den Grundsatz der Gewerbefreiheit durchlöchernd und überhaupt nicht mehr in die heutige fortgeschrittene Zeit passend; auch waren die Gegner einmüthig der Meinung, daß derselbe keineswegs die von seinen Befürwortern erhofften wohlthätigen Folgen für den Handwerkerstand haben werde. Die Debatte endete mit dem Beschlusse, die weitere Berathung der Anträge ebenfalls im Plenum vorzunehmen, doch kann dieselbe bei der bekannten ablehnenden Haltung des Bundesrathes gegenüber dem Befähigungsnachweise keine praktischen Folgen haben. Am Donnerstag beschäftigte sich der Reichstag mit der ersten Lesung des neuen Genossenschaftsgesetzss und am Freitag mit dem Windthvrst'schen Antrag betreffs der Sklavereifrage, dessen Besprechung jedenfalls zu einer eingehen den Erörterung der ostafrikanischen Angelegenheiten geführt haben mag. Berlin. Die Kaiserin Friedrich hat, wie der „Voss. Ztg." mitge- theilt wird, angeordnet, daß in den ihrer Obhut unterstellten Anstalten die Weihnachtsbescheerungen in derselben Weise wie früher vorge nommen werden sollen. Zu dem Behns sind von der Kaiserin gleich hohe Summen ausgeworfen worden, Die Weisung der Kaiserin erstreckt sich auch auf diejenigen Austalten nnd Vereine, die ihre Begründung dem Kaiser Friedrich verdanken. Ueber das Auftreten und die Rede des Staatssecretärs Grafen Bismarck in der Reichstagssitzung gelegentlich der kolonialpolitischen Debatte spricht sich ein Berichterstatter folgendermaßen aus: Graf Bis marck entwickelte eine Fülle interessanter Gesichtspunkte, offenbarte eine überaus eingehende Kenntniß aller die ostafrikanische Frage berührenden Verhältnisse und verstand die Aufmerksamkeit des Hauses in ganz unge wöhnlichem Grade zu fesseln. Sein Vortrag war glänzend. Großes Er staunen erregte die überraschende Aehnlichkeit, welche der Graf mit seinem Vater, dem Fürsten, besitzt, nicht in dem Ton der Stimme, in der Sprach weise, sondern auch in vielen ganz individuellen Zügen. Er darf jetzt schon unter die besten Sprecher des Hauses gezählt werden. Die Russenfreundlichkeit, welche alle Parteien und alle Blätter Fankreichs ohne Unterschied seit Jahr und Tag sich zum obersten politischen Grundsatz gemacht haben, hat einen ersten großen Erfolg zu verzeichnen. Die ru ssische Anleihe ist bekanntlich dreifach überzeichnet worden, was jedenfalls in Petersburg beifällig ausgenommen werden wird. Rothschild allein hatte die ganze Summe für sich allein gezeichnet, wohl um noch mals zu zeigen, weich' gut französischer Patriot, oder auch welch' trefflicher Rechner er ist. Denn daß die russischen Papiere sehr bald in feste Hände kommen werden, die Zeichner daher ein gutes Geschäft machen, dafür wird die andauernd gepflegte Ruffensreundlichkcit schon sorgen. Die Presse stellt den Erfolg der Anleihe als einen Schlag gegen Deutschland, als einen Sieg der Pariser über die Berliner Börse dar. Dies kann nicht fehlen, die Franzosen weiter anzuspornen und ihr Vertrauen auf die Fi nanzen Rußlands und dessen Bündniß mit Frankreich zu befestigen. Ruß land wird jetzt wiederum als Fahnenträger der Gesittung verhimmelt, wo durch es ja ganz besonders zum Bundesgenossen Frankreichs berufen er scheint. Aber zugleich ist der Erfolg der Anleihe — oder er wird vielfach wenigstens so dargestellt — auch ein Schlag gegen Italien, dessen Un dankbarkeit fortwährend in der französischen Presse eine Rolle spielt. Viele Zeichner der russis-ben Anleihe haben italienische Rente verkauft, welche dadurch etwas zurückgegangen ist. Die Blätter betonen, daß Frank reich ein wirksames Mittel besitzt, um Italien kirre zu machen. Die Fran zosen besitzen den weitaus größten Theil der im Auölande befindlichen italienischen Rente, vermögen also einen starken Druck aus den ehemaligen Freund und Schützling zu üben, dessen Staatshaushalt sich noch immer nicht ganz im wünschenswerthen Zustande befindet. Vaterländische-. Wilsdruff. Wie wir vernehmen, wird das Postschalter am nächsten Sonntag den 23. d. M., für den Verkehr mit dem Publikum bei dem hiesigen Kaiserlichen Postamte infolge des zu erwartenden Weih nachtsverkehres Vormittags von 8 bis 9 Uhr und Nachmittags von 3 bis 7 Uhr Abends geöffnet sein. Wünschenswerth erscheint cs, daß man mit der Auflieferung von Weihnachtssendungen nicht bis zur letzten Stunde wartet, sondern dieselbe schon im Laufe der nächsten Tage bewirkt. Ins besondere wird es gern gesehen, wenn das geehrte Publikum seinen Bedarf an Postwerthzeichen vor dem 20. Dezember deckt und bis dahin auch sein Zeitungsgeld begleicht. Dadurch wird den betreffenden Beamten, welche zu dieser Zeit außergewöhnlich angestrengt sind, eine bedeutende Erleichterung geschaffen. — Wir machen hierdurch unsere geehrten Leser aufmerksam, daß auf den sächsischen Staats- nnd mitverwalteten Privateisenbahnen die am hei ligen Abend, sowie an den Weihnachtsfeiertagen gelösten Tagesbillets bis einschließlich Freitag, 28. Dezember, Giltigkeit behalten. Besonders hinzuweisen ist hierbei nun noch darauf, daß seit Anfang dieses Jahres allgemein gestattet ist, auf eine Rückfahrkarte die Rückreise am letzten Giltigkeitstage noch mit dem letzten vor Nachts 12 Uhr abgehenden Zuge anzutreten, unbekümmert darum, ob nach Lage der vorhandenen Zugsverbindungen das Reiseendziel erst am Morgen oder Vormittag des folgenden Tages erreicht werden kann. Fahrunterbrechung ist jedoch nach Mitternacht des letzen Giltigkeitstages ausgeschlossen. — Freiberg. Die große Ziegelei von E. M. Richter u. Co. in Oberzug, welche an der Brandcrstraße, gegenüber dem Gasthaus „Zur Stadt Freiberg" gelegen ist, wurde in der Nacht zum 14. Dezember von einem schweren Brandunglück betroffen. Nachts kurz nach 11 Uhr brach das Feuer auf bis jetzt unerklärliche Weise in dem Gebäude des Ringofens aus und vernichtete denselben in wenigen Stunden fast vollständig. Bei dem heftigen Sturme und dem bald eingetretenen Wassermangel konnten die zahlreich erschienenen Feuerwehren nicht mit allen Kräften helfend eingreifen und mußten ihre Thätigkeit auf die Erhaltung der Nebenge bäude, des Maschinenhauses und des Trockenschuppens beschränken. Die hohe Fabrikeffe glich, von der Stadt aus gesehen, vom Fuße bis zum Kopfe einer glühenden Säule mitten in den hochaufstiebenden Funken und den mächtigen Dampfmolken. Der Schaden, welcher den Besitzern, einigen hiesigen Bürgern, durch den Brand erwächst, ist ein bedeutender und um so bedauerlicher, als die mit großen Geldopfern errichtete Ziegelei bis auf die Einstellung der Maschinen kaum erst fertig gestellt und seit nicht zu langer Zeit in vorläufigen Betrieb genommen worden war. — Meißen, 11. Dezember. Obwohl in der Lößnitz im vorigen und in diesem Jahre Alles gethan worden ist, um eine Weiterverbreitung der Reblaus zu verhindern, so ist es bei der Lebensweise derselben doch nicht vollständig ausgeschlossen, daß sie sich weiter verbreitet hat oder durch einen unglücklichen Zufall in andere heimische Weinbezirke verschleppt worden ist. Es wäre daher sehr unangebracht, wenn die Weinbautreibenden glauben sollten, daß ihren Weinbergen von diesem gefährlichsten Feinde der Reben nunmehr keine Gefahr mehr drohe. Zu hoffen und zu wünschen ist es, allein zweifelhaft bleibt es, wie die Erfahrung gelehrt hat, immer. Der Kreisverein zu Dresden hat deshalb auch in diesem Jahre in Ueberein stimmung mit dem hohen Köngl. Ministerium des Innern nicht unter lassen, die Abhaltung von Reblauscursen an der landwirthschaftlichen Schule zu Meißen anzuordnen und werden genannter Bestimmung gemäß die nächsten Curse Freitag und Sonnabend, den 28. und 29. Dezember d. I. und Freitag und Sonnabend, den 4. und 5. Januar k. I., abgehalten werden. Der Unterricht, welcher unentgeltlich erthcilt wird, erstreckt sich auf die Lebensweise der Reblaus, ihre Erkennung und die Maßregeln ihrer Vertilgung und schließen sich an denselben mikroskopische Uebungen im Auffinden der Läuse an befallenem Wurzelmaterial an. Anmeldungen für den einen oder andem Cursus wolle man recht bald bei dem Director der Anstalt, A. Endler, bewirken. — Der große Segen der Unfallversicherung wird immer offenbarer. Ein Kohlenhäuer wird von einer nachstürzenden Wand erschlagen, er hinter läßt eine junge Frau und zwei kleine Kinder. Das tiefe Wehe der Wittwe und Waisen wird doch dadurch gelindert, daß die schweren Sorgen um das Leben das Unfallgesetz erleichtert. Die Kosten der Beerdigung von über 50 Mark trägt die Gesellschaft; die Wittwe, ohnbeschadet ihrer Ar beitsfähigkeit, erhält jeden Monat annähernd 13 Mark und jedes ihrer Kinder 10 Mark. Dankbar erkannte die Wittwe die Wirksamkeit des Unfall-Versicherungsgesetzes an. — Ein junger Mann, welcher preußische Forstuniform trug, logirte sich in den letzten Tagen voriger Woche in dem Hotel „Sächsischer Hof" in Schandau ein und entlieh von da aus am Freitag von einem dortigen Fuhrwerksbesitzer ein Reitpferd, mit welchem er angeblich die Reviere be reiten wollte, um sie schnell in Augenschein zu nehmen. Er ist aber nicht wieder gekommen, sondern hat sich wahrscheinlich nach Böhmen begeben. Im Hotel hat er verschiedene Gegenstände hinterlassen. — Plauen i. V. Dieser Tage fand die Verhandlung gegen den früheren Restaurateur und jetzigen Handarbeiter Malz aus Oberneumark (Fortsetzung siehe letzte Seite dieses Blattes.)