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WM, NO», ÄtdeM» Md die UmWcku. Amtsblatt M di« Kgl. AmtshMptmannschast zu Meißen, das Kgl- Amtsgericht und den Stadtratb zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Ubr angenommen. Nr. 58. Freitag, den 20. Juli 1888. Auktion. «Kommende Mittwoch, de» SS. .Juli d. F., WormittagS 1« Uhr, gelangt in der Nähe des hiesigen Schießhauses ein auf dem Stocke anstehendes, ca. Scheffel Land umfassendes Stück Korn gegen sofortige Baarzahlung zur Versteigerung. Bieterversammlung bis Vormittags 10 Uhr im hiesigen Schießhause. Wilsdruff, am 18. Juli 1888. lUnttU««, Gerichtsvollzieher des K. Amtsgerichts. Obst-Verpachtung. Die diesjährigen Obst-Nutzungen auf der Meißen-Wilsdruffer Straße, Abth. 2 (1 Parzelle) und Kesselsdorf-Nossener - - 1, 2 u. 3 (in mehreren Parzellen) sollen Donnerstag, den 26. Juli d. I. von Bormittags 10 Uhr an im Gasthose zum „Adler" in Wilsdruff an Meistbietende gegen sofortige haare Zahlung und unter den sonstigen vor Beginn der Auction bekannt zu machenden Bedingungen öffent lich verpachtet werden. Meißen, am 16. Juli 1888. Kql Straßen- u. Wasserb.-Jnspection II. Kgl. Bauverwalterei. Neuhaus Diesel. Die Reise des Kaisers und die europäische Situation. Kaiser Wilhelm hat die Reise zum Besuche des Zarenhofes angetreten, und die Segenswünsche der ganzen Nation begleiten das stolze Geschwader, das gegenwärtig die Ostsee durchfurcht. Mögen immerhin bei der Zu sammenkunft der beiden Kaiser bestimmte politische Abmachungen über schwe bende Fragen der europäischen Politik nicht zu erwarten sein, dennoch wird die Begegnung weit über die Bedeutung eines bloßen Höflichkeitsbesuches hinausgehen und sich als eine neue Bürgschaft dafür darstellen, daß unter den Herrschern der beiden großen Reiche das Bestreben besteht, die fried lichen und freundschaftlichen Beziehungen zu erneuern, den angehäuften Stoff von Verstimmung und Mißtrauen aus dem Wege zu räumen und die alten Bande eines persönlichen Verhältnisses wieder festzuknüpfen, welches seit Jahrzehnten die beiden Höfe verbunden und stets auch sehr wirksam in die große Politik eingegriffen bat. In der ganzen Welt betrachtet man die Reise Kaiser Wilhelm's als eine Friedensbürgschaft und erwartet von ihr, daß sie beitragen werde, die feindseligen aggreffiven Bestrebungen, welche der russischen Politik in den letzten Jahren unter dem Einfluß der panslawi stischen Wühlereien zugeschrieben wurden, in den Hintergrund zu drängen. Daß eine Wiederannäherung der beiden benachbarten Höfe nicht im Geringsten einen Frontwechsel in der großen auswärtigen Politik Deutsch lands in sich schließt, daß insbesondere unser Bundesverhältniß zu Oester reich und Italien in unerschütterlicher Festigkeit bestehen bleiben wird, ist eine Lhatsache, an der ernste Politiker nirgends in der Welt zweifeln. Es erfüllt uns mit Genugthuung, daß man nirgends in maßgebenden Kreisen Oesterreichs oder Italiens Besorgnisse oder Mißtrauen hegt, als ob die Kaiserreise nach Petersburg den Friedensbund der Mittelmächte zu Gunsten einer neuen politischen Kombination gefährden könne. Eine Annäherung Rußlands an Deutschland muß zugleich eine solche an dessen Verbündete sein; anders ist sie nicht denkbar. Die für die nächsten Wochen beabsich tigten Kaiserreisen nach Oesterreich nnd Italien bilden gewissermaßen eine Ergänzung des Besuches in Petersburg; sie werden der Ausdruck des Ent schlusses sein, unter allen Umständen die bestehenden Bundesverträge, die sich so wohl bewährt haben und auf einem so festen Grund gemeinschaft licher Interessen ruhen, unverbrüchlich aufrecht zu halten. Mit Befriedigung wird man es in Deutschland auch begrüßen, daß Kaiser Wilhelm den beiden skandinavischen Königen einen Besuch abzustatten gedenkt. Zwischen Schweden und Deutschland herrschen seit langen Zeiten gute und" freundschaftliche Beziehungen, und es giebt kein gegensätzliches Interesse, welches dies Verhältniß stören könnte. Mit Dänemark ist frei lich eine alte Spannung und ein durch Jahrhunderte sich hinziehender natio naler Gegensatz vorhanden. Allein es hat in neuerer Zeit doch nicht an Zeichen gefehlt, daß die alte Wunde allmählig zu heilen beginnt, daß die Dänen die schweren Schläge der Sechziger-Jahre zu verschmerzen, den Ver lust der Herzogthümer als unwiederbringlich zu betrachten und sich in die unabänderlichen Verhältnisse zu schicken anfangen. Stimmen, welche mit dem Hinweis auf die die beiden Länder verbindenden wichtigen wirthschaft- lichen Interessen eine möglichst gute Nachbarschaft mit Deutschland als die beste und gesundeste Politik für Dänemark empfehlen, finden in unserem nordischen Nachbarlande mehr und mehr Gehör und empfängliche Aufnahme. In Deutschland wird man diese Wandlung auf alle Weise zu fördern bereit sein, und der Besuch unseres Kaisers in Kopenhagen wird gewiß dazu bei tragen, Mißstimmungen aus alter Zeit zu beseitigen. So eröffnen sich begründete Aussichten, daß die Regierung Kaiser Wilhelm's II. unter Au spizien begonnen hat, aus denen man das Vertrauen auf eine Befestigung des europäischen Friedens schöpfen darf. DageSgeschichte. Von der Reise des Kaisers Wilhelm nach Rußland wird ge meldet, daß das Kaiserliche Geschwader am Sonntag früh Arcona passirt hat. Das Zusammentreffen Kaiser Wilhelms mit dem Czaren erfolgt am 19. d. M. auf See. Die Ankunft in Kronstadt wird am Nachmit tag desselben Tages erwartet. Dort findet feierlicher Empfang statt, wo rauf der Kaiser sich nach dem für ihn in Bereitschaft gesetzten Palais in Neu-Peterhof begiebt, wo derselbe 4 Tage zu verweilengedenkt. An Fest lichkeiten für Kaiser Wilhelm ist eine Flottenparade, großer Zapfenstreich, Parade in Kraßnoje-Selo und Umritt durch das Lager in Aussicht ge nommen. Wie aus Kopenhagen gemeldet wird, ist der Besuch des Kaisers Wilhelm am dortigen Hofe nunmehr officiell angemeldet. Der Monarch wird, wie es heißt, gegen Ende des Monats dort cintreffen, nachdem der selbe zuvor dem Hofe in Stockholm einen Besuch abgestattet hat. Der Aufenthalt sowohl in Stockholm wie in Kopenhagen wird voraussichtlich nur kurz sein, da der Kaiser in den ersten Tagen des August wieder in Potsdam zu sein wünscht. Ueber die eigentlichen Motive der Kaiserreise hatten französische Preßorgane, denen der Besuch Kaiser Wilhelms in St. Petersburg be greiflicher Weise sehr gegen den Strich geht, das Märchen verbreitet, der Reichskanzler solle noch zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms I. ein für den jetzt regierenden Kaiser bestimmtes Exposs über die allgemeine Lage und seine geheimsten politischen Ansichten und Pläne aufgesetzt und an Kaiser Wil helm übergeben haben. Fürst Bismarck sei dabei von der Voraussetzung ausgegangen, daß Kaiser Wilhelm seinen Sohn überleben und das Schrift stück später direct in die Hände seines Enkels gelangen werde. Als jedoch der greise Monarch vor seinem Sohne in das Grab gestiegen, sei das wichtige Schriftstück in den Besitz Kaiser Friedrichs und nach dessen Tod durch die Hände der Kaiscrin-Wittwe Victoria in den Besitz der englischen Regierung gelangt. Alle Bemühungen Bismarcks, es zurück zn erhalten, seien zu seinem größten Schrecken sowohl in Berlin als in London er folglos geblieben, da England sich der furchtbaren Waffe, die ihm der- Zufall gegen den Fürsten Bismarck in die Hand gespielt und die es zu den vernichtendsten Enthüllungen über dessen russische und österreichische Politik in den Stand setze nicht unbenutzt wieder entäußern wolle. In dieser höchsten Noth sei die Reise des deutschen Kaisers nach St. Peters burg beschlossen und in Anbetracht dessen, was auf dem Spiele stand, auch auf das Schnellste ins Werk gesetzt worden. Dieses Märchen war natürlich Wasser auf die Mühle aller Deutschenfeinde. Insbesondere be mächtigte sich die Brüsseler „Jndependance belge" eines krassen Unsinns der Pariser „Justice", welche erzählte, daß die Kaiserin Friedrich erklärt habe, sie würde, falls der Kanzler auf die Veröffentlichung der dem Dr. Bergmann übertragenen Geschichte der Krankheit Kaiser Friedrichs bestehe, ihrerseits mit der Veröffentlichung von verschiedenen Documenten antworten, die einen „enormen Skandal" Hervorrufen würden. Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt, solche Fabeln mögen ihre beruhigende Wirkung ausüben, bei uns können sie nur einen komischen Eindruck hervorbringen, weil der gleichen novellistische Erfindungen über europäische Politik diesseits der Vogesen überhaupt nicht auf das Glück rechnen können, geglaubt zu wer den, und aus diesem Grunde in der deutschen Presse auch keine Aufnahme finden. — Daß es in Frankreich möglich ist, dergleichen Geschichten zu drucken, ohne sich lächerlich zu machen, beweist eben, wie weit Frankreich in der politischen Bildung zurückgeblieben ist." Se. Majestät der Kaiser Wilhelm hat für die durch Feuer Heimge suchten der schwedischen Provinz Norrland 5000 M. in Stockholm an weisen lassen. Wie mehrfach gemeldet wird, hat der König von Belgien die Absicht ausgesprochen, den demnächstigen Aufenthalt des Kaisers Wilhelm in Elsaß-Lothringen zu einer Zusammenkunft mit demselben zu benutzen. In der Nacht vom 10. zum 11. d. M. sind in Berlin insgesammt 41 Personen, darunter 3 Frauen, beim Ankleben von sozialdemokratischen Plakaten verhaftet worden, von denen bis jetzt noch Niemand entlassen wurde. Der Vorgang stellt eine wohl vorbereitete That der gesommten Berliner Geheimorganisation dar, welche als Kundgebung auf die Thron-