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WrM, W», Zickuilch md die Wgegeiideii. Amts b scrtt für die Kgl. AmLshauptmanuschaft zu Weiten, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. G,s ch,-1 t t w»ch>ntlich zweimal, Dienstage und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich I Mark. Ei» zelne Nummern IN Psg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. A. Dienstag, den tt. Januar 1887^^ Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Ziegelmeister Friedrich Wilhelm Birkigt, bisher aufhältlich in Rothschönberg, gebürtig aus Zedtlitz b. Borna, welcher flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Unterschlagung in mehreren Fällen verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das Gerichts - Gefängniß zu Wilsdruff abzuliefern. Wilsdruff, den 7. Januar 1887. Königliches Amtsgericht. Ur. Gangloff. Beschreibung: Alter 58 Jahre; Statur: übermittel; Haare: graumelirt; Bart: rasirt; Augenbrauen: buschig; Augen: schwarzbraun; Nase: proportionirt, etwas breit; Gesicht: rund; Sprache: etwas b legt; Kleidung: dunkelblauer wollener Ueberzieher mit Sammetkragen, dunkelblaue Stoffhose und dergl. Weste. Besondere Kennzeichen: etwas krumme Beine, daher etwas auffallender Gang. DogrAges-hickte. Die Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten nach der Weih- nacbt-spause hat die unsere gesammte Nation so tief bewegende Angelegen heit der Heeresverstärkung in ihr ents l eidendes Stadium gerückt und mit der höchsten Spannung sieht man in allen Volkskreisen dem endgültigen Votum des Reichstages in Sachen des Septenatsgesetzes entgegen. Vor läufig ist durch die Fortsetzung der KommissionSberathung ein neues über raschendes Ergebniß gezeitigt worden. Die Militär-Kommnsion lehnte in ihrer Mittwochssitzung in zweiter Lesung den durch Abg. Rickert ver tretenen Antrag der Freisinnigen auf Bewilligung einer Friedenspräsenz stärke von 454,000 Mann auf drei Jahre und ebenso den durch Abg. Huene vertretenen Centrumsanirag auf eine dreijährige Bewilligung der vollen Friedenspräsenzstärke von 468,409 Mann ab, worauf der gesammte § 1 abgelehnt wurde, während § 2 (Neuformationen) in der bekannten Fassung der ersten Lesung unverändert Annahme fan^, gegen die Stimmen der Nationalliberalen und Konservativen. Die übrigen Paragraphen der Vorlage wurden nach den Beschlüssen der ersten Lesung angenommen, unter Ablehnung des Antrages Huene — Befreiung der Theologen vom Militärdienste —. Die erwähnten Anträge der Oppositionsparteien sind Zugeständnisse derselben an die Regierung, die Freisinnigen wollen von der Mehrforderung von 41,000 Mann anstatt 18,000 Mann nur noch 14,000 Mann gestrichen wissen und auch eine dreijährige Dauer bewilligen, während das Centruin sogar die volle Friedenspräsenzstärke auf drei Jahre zugestehm will; trotzdem sind beide Anträge abgelehnt worden, was doch wohl nur den Intentionen der Regierung entspricht. Es verbleibt dem nach bis auf Weiteres bei den Beschlüssen erster Lesung, wonach die Ziffer von 450,000 Mann als die von der Kommission bewilligte Friedensprä senzstärke bestehen bleibt. Darüber, ob die Regierung unter Umständen noch zu einer Konzession bereit ist, hat die zweite Lesung in der.Kommission keinen definitiven Aufschluß gebracht, es muß jedoch als höchst wahrschein lich bezeichnet werden, daß sie auch bei der weitern Behandlung der Vor lage iin Plenum auf ihrem jetzigen Standpunkt verharren wird. Es ist nun die Frage, ob Freisinnige und Centrum mit diesem Ausgange der Kommissionsberathungen ihr letztes Wort gesprochen haben oder ob von ihnen bei der entscheidenden Plenarabstimmung dock noch eine zur An nahme der Militärvorlage genügende Anzahl von Mitgliedern abschwenken wird Es läßt sich selbst hierüber noch nicht mit Bestimmtheit urtheilen, da namentlich das Centrum über sein ferneres Verhalten noch immer nicht im Klaren zu sein scheint; wollte man aber nach ähnlichen Vorgängen bei den Abstimmungen über die früheren Heeresverstärkungen — und eben so über die Verlängerung des Sozialistengesetzes urtheilen, so müßte man allerdings die Regierungsvorlage ungeachtet des negativen Ausganges der Kommissionsarbeiten als gesichert betrachten. . Jedenfalls haben die oppo sitionellen Abgeordneten während der Wuhnachtöferien vollauf Gelegenheit gehabt, sich mit ihren Wählern ins Vernehmen zu setzen und die wahre Volksmeinung in Betreff der Militärfrage kennen zu lernen und daß diese Stimmung selbst in klerikalen und überwiegend freisinnigen Wahlkreisen für die unverkürzte Bewilligung des Septenatsgesetzes spricht, dürfte den Herren vom Centrum und von der entschieden liberalen Richtung unmög lich verborgen geblieben sein. Es bleibt darum auch jetzt die Hoffnung noch bestehen, daß sich im letzten entscheidenden Momente noch eine Mehr heit für die Regierungsvorlage zufammenfinden und durch ihr bejahendes Votum die Meinung der Mehrheit des Volkes, daß wir uns in d'esen ungewissen Zeiten aus allen Kräften auf alle Schicksalswendungen vorbe reiten müssen, zum Ausdruck bringen wird. Sollle sich aber diese Hoff nung doch nicht erfüllen, dann wäre freilick eine Auflösung des Reichs tages und hiermit der Beginn eines neuen Wahlkampfes von außerordent licher Erbitterung und folgenschwerster Bedeutung nickt länger zu vermeiden. Kaiser Wilhelm hatte zu seinem 80jährigen Jubiläum am 1. Januar d. I. die Parole: „Königsberg-Berlin" ausgegeben, eine denkwürdiae Parole für die denkwürdigen 80 Jahre preußischer Geschichte, welche die Niederlage bei Jena, die Zersprengung des Heeres, die Eroberung des ganzen Landes, die Flucht der Königlichen Familie an die äußersten Grenzen des Landes, den Frieden von Tilsit, den Tod der Königin Luise, dann aufsteigend die liberale Stein-Hardenberg'sche Gesetzgebung, die Be freiung des Bürger- und Bauernstandes, die Hebung des öffentlichen Geistes, die Neugestaltung des Heeres durch Scharnhorst und Gneisenau, die siegreichen Befreiungskriege von 1813—15, die Niederwerfung Napo leons, den Einzug in Paris, das vergrößerte Preußen, die Schaffung des deutschen Zollvereins und nach einer trüben Zeit der Reaktion die Revo- ' lution von 1848, die Errichtung einer Verfassung und abspringend die diplomatisch-militärische Niederlage von Olmütz umfaßt, aufwärts zur zweiten Umgestaltung und Stärkung des Heeres, „des Königs eigenstes W:rk", zum Sieg über das Preußen und Deutschland mederhaltende Oesterreich bei Königgrätz 1866, zur Sprengung des Bundestages, zum norddeutschen Bund und endlich 1870 zur Niederwerfung Frankreichs, dem Sturz Napoleons und der Errichtung des deutschen Reiches führte; von der tiefsten Erniedrigung zur höchsten Höhe. Selten haben sich in einem Menschenleben wie dem des Kaisers Wilhelm solche Ereignisse für seine Person, für sein Volk und Land, für Deutschland und ganz Europa zusammengedrängt und Stoff zu Betrachtungen gegeben, wie das alles gekommen ist und vielleicht so kommen mußte. Es ist nicht nur die Ge schichte eines Mannes, sondern des öffentlichen Geistes und seiner Wand lungen, zu tiefgreifenden Betrachtungen auffordernd Regierende und Re gierte. Fürsten und Völker. Wie nunmehr feststeht, wird die zweite Berüthung der Militärvorlage im Plenum am Dienstag, den 11. d. Mts., vor sich gehen, so daß die dritte Lesung auch noch möglicherweise in diese Wochen fallen kann. Die Ueberzeugung, daß bei aller militärischen Nothwendigkeit der Vorlage nach der Art, wie dieselbe angegriffen worden, eine politische Entscheidung ersten Ranges bevorsteht, ist eine so allgemeine, daß das Eingreifen des Reichskanzlers in die Deputation als selbstverständlich gilt. Um neue Enthüllungen über den gegenwärtigen Stand unserer auswärten Beziehun gen wird es sich dabei nicht handeln, wohl aber um die Frage, ob die von dem Fürsten Bismark nach dem Willen des Kaisers und der Bun desregierungen geleitete auswärtige Politik, in welcher die Militärvorlage ein wichtiges Werkzeug, das Vertrauen des Reichstags der Nation besitzt, oder nicht. In maßgebenden Kreisen soll man übrigens entschlossen sein, für den Fall, daß eine Verständigung mit dem Reichstage nicht möglich sein sollte, schon vor dem Zusammentritt des neuen Reichstages sofort mit der Bildung der Cadres beginnen, d. h. das Militärgesetz durchzuführen trotz mangelnder Vereinbarung mit dem Reichstage. Die Neuwahlen würden beschleunigt und dem neuen Reichstage alsbald ein Jndemnitätsgesetz unterbreitet werden. Man hofft aber immer noch viel fach auf eine Verständigung zwischen Regiemng und Reichstag. Denn wenn, wie die liberale „Magdeb. Ztg." meint, „der Reichstag lediglich wegen der Frage aufgelöst würde, ob auf sieben Jahre, oder, wie es noch vor Kurzem selbst von Konservativen und offiziösen Organen gefordert nurde, auf fünf Jahre, oder, wie das Centrum und anscheinend die Ma jorität desReichstags verlangt, auf drei Jahre die Militärvorlage bewilligt werden soll, dann werde, glaube sie, sich die Wählerschaft um dieser Frage willen nicht sonderlich erhitzen. Auf keinen Fall aber werde man von liberaler Seite dulden dürfen, daß etwa diese Frage dazu benutzt werde, um eine monopolfreundliche Majorität in den Reichstag zu bringen." Ein kräftiges mannhaftes Wort gegen die im Reichstag in so kläg licher Weise hervortretende Oppositionsnörgelei findet sich in dem Neu jahrsgruß, den, wie gewöhnlich, der in allen deutschen Landen und darüber hinaus wohlbekannte Vorsitzende der deutschen Turnerschaft, Theo dor Georgii in Eßlingen, in der „Deutschen Turnzeitung" an die Hunderttausende seiner Turngenossen erläßt. Georgii sagt am Schluffe seiner Ansprache: „Dieser Gruß war schon im November v. I. fertig: Inzwischen ist der Reichstag wieder zusammengetreten und hat der Kaiser mit dem Bundesrathe die Militärvorlage eingebracht, mit dem Wunsche, dieselbe noch im alten Jahre zu erledigen! Der zur Vorberathung erwählte Ausschuß hat jedoch dieselbe verschleppt! In diesem haben Ultramontane Freisinn und Sozialdemokraten die Mehrheit, und diese hat, trotz der von Osten und Westen drohenden Kriegsgefahr für gut befunden, es habe keine solche Eile! Ich denke, wir Turner sind in unserer großen Mehrheit der Meinung, daß unser Kaiser, Bismarck und Moltke besser wissen, als Richter und Windthorst, was zum Schutze des Reiches und Vaterlandes nothwendig ist. Im Uebrigen berührt uns der Streit der Parteien nicht! Für uns Turner ist ja die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Krieges nur eine doppelte Mahnung oder Sporn, an der Wehrhaftmachung des Einzelnen und des ganzen Volkes unentwegt weiter zu arbeiten mit allen Kräften und von ganzem Herzen! Mit dieser Aussicht schließe ich meinen Gruß zum neuen Jahr mit dem alten Wahlspruche: Alle Stund' auf recht, überall Bahn frei! Aus Paris kommen merkwürdige Gerüchte. Dortige Blätter behaup ten, daß Präsident Grevy an seinen Rücktritt denke und seinen Entschluß durch eine Botschaft dem Parlament beim Zusammentreten mitzutheilen