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für Wilsdruff, TlMMdt, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. Umtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und dcu Stadtrath daselbst. ^7 1V2. Freitag, den 27. Deccmbcr 1872. Alte und neue Zeit. , Unter dem Titel: „Aus der Vergangenheit der kleinen Herren" veröffentlicht der Geschichtschreiber S. Sugenheim Bilder aus der Zeit der Leibeigenschaft und der Hörigkeit der Bauern. Der Bauer auf seiner freien Hufe und selbst der arme Tagelöhner mag diese Bilder studiren und seinem Schöpfer danken, daß er in unserm Jahr hundert und nicht in der alten guten Zeit lebt. Hier einige dieser urkundlich verbrieften Schilderungen. Frau Ida v. Rumohr, aus einem alten schleswigholsteinischen Nittergeschlecht, hatte im Jahr 1653 die Verwaltung der Güter ihres Mannes bis zur Mündigkeit ihres Sohnes übernommen. Sie über traf durch erbamungSlose Mißhandlungen ihrer Grundholdcn und Leibeigenen alle ihre Borfahren. Sie ließ ihren leibeigenen Mägden wenn sie nicht gut genug gesponnen hatten, Garnfäden um die Finger Wickeln, und zündete sie dann eigenhändig an. Eine Kammerjungfer, die ein Versehen beging, gebot sie an den Ofen zu binden, der sodann stark geheizt wurde. Hierauf fuhr Frau Ida, die eine fromme Dame, d. h. eine fleißige Kirchgängerin war, mit der Seelenruhe eines guten Gewissens im Schlitten zur Kirche. Als sie zurückkehrte, war das arme Mädchen verbrannt und die Lippen waren so zusammengedorrt, daß die Zähne fletschend hcrvorragtcn. „Was Du Hündin! weisest Du mir noch die Zähne?" rief die Gräßliche, als sie in das Gemach trat und gab der Leiche einen Schlag, daß sie förmlich in Staub zerfiel. — Leibeigenen Mägden, wenn sie schlecht gesponnen hatten, den Flachs ihnen nm die Finger zu wickeln und ihn dann anzündelt zu lassen, war übrigens noch im 18. Jahrhundert eine stark ver breitete Sitte. Den Leibeigenen war noch im 18. Jahrhundert (z. B. in Holstein) Eigcnthnm unbekannt, ihre Freiheit war die der Lastlhiere. Ihre Wohnungen waren äußerst elend und so niedrig auf wenigen Grund steinen erbaut, daß das Wasser eindrang und alles feucht machte. In diesen zu Viehställen zu schlecht erachteten Räumen herrschte solche Armuth, daß cs uns heutzutage unerklärlich scheint, wie einzelne Menschen, geschweige wenn sie einen Hausen Kinder zu ernähren hatten, den aUcrnölhigstcn Lebensunterhalt d. h. so viel Brod und Milch erwerben konnten, um nur den Hunger zu stillen, und ein Strohlager. Ein Voll Hufner (noch im 18. Jahrhundert galt es in vielen Gegenden Holsteins rc. darum für ein Unglück Hufner zu werden) mußte täglich 4 bespannte Pferde, einen Knecht, eine Magd und einen Jungen in den Herrenhof zur Arbeit schicken; letzterer kam des Abends gar nicht nach Hause, sondern nahm, um früh genug beim Vieh zu sein, mit dem andern Jungen bei diesem sein Nachtquartier. Nur konnte er nicht zugleich mit dein Vieh gesättigt werden, sondern mußte die Ankunft des hungrigen Knechtes mit dem Brodsack er warten. Neben den Besoldungen und Verköstigungen der Dienstboten mußte der Hufner der Herrschaft jährlich 10—12 Thaler Pacht Hahlen. (Man denke bei dem damaligen Geldwerth!) Die ihm über lassenen Ländereien, gewöhnlich 40—50 Tonnen, aber zum Theil mit Busch bewachsen, und 4 Kühe, die ihm mit dem Inventar über liefert worden, waren die einzigen Quellen, aus welchen er das alles, seinen und der Scinigen Unterhalt, wie auch den von im Ganzen 8 Pferden bestreiten mußte. Da aber die Bearbeitung der herrschaft lichen Felder den weitaus größten Theil seiner Zeit und der seiner Dienstleute verschlang, so konnte er seinen eigenen Pachtgrundstücken nur den sehr schwachen Nest der zu seiner Verfügung stehenden mensch lichen und thierischcn Kräfte widmen, sehr natürlich, daß sie in der Regel auch nur erbärmlich war. So schleppte der Vater sein Jmmerdascin fort, bis schon im 40. Jahre seine Kräfte aufgericbcn waren, und die gnädige Herrschaft, aus besonderer Huld angeblich, in der That aber, damit er die Schuld des Vaters abarbcuc einem eben so elenden Sohn die Hufe verlieh. Es ist nicht selten vorgckommen, daß dieser flehentlich bat, ihn damit zu verschonen. Der Alle wanderte jetzt in den Altcntheils- katen, d. h. in den Raum, welcher seit dem Absterbcn seiner Eltern zur Behausung des Kleinviehs gedient hatte. Ward er zu kraftlos, um für seinen Sohn noch arbeiten zu können, so reichte ihm dieser um so kärglicher das Brod, bis der Hungertod sein Leben endete, welches nur das eines Lastthiercs war. Streitigkeiten setzte es nur selten unter diesen Bcjammernswerthen, indem, wenn welche vorfielen, die Frohnpcitsche des Vogtes unter Zuziehung des hölzernen Esels Friede und Eintracht predigte. Der Gräfin Elisabeth Bathory in Ungarn hatte eine Zigeunerin die Meinung beigebracht, sie werde sich durch tägliches Waschen in Menschenblut ihre Schönheit bis in das hohe Alter erhalten. In Folge davon ließ dieses Ungeheuer von 1604—12 an 600 junge Mädchen schlachten, indem sie dieselben in die tiefen Keller ihrer Burg Csejth locken, ihnen das zum Waschen nöthige Blut abzapfen und dann tödten und vergraben ließ. Niemand wußte um das schreckliche Geheimniß als ihre zwei Kammerjungfern Helene und Dorothea und ihr Kammerdiener Fitzko, welche sie durch große Ge schenke zu Gehülfen und Hehlern machte. Den Eltern oder Vor mündern wurde jedesmal gemeldet, die Mädchen seien eines plötzlichen aber natürlichen Todes verstorben. Die Furcht vor der reichen nnd mächtigen Gebieterin ließ sie schweigen. Als endlich beherztere Eltern Rechenschaft von der Krankheit ihrer Kinder und deren Gräber zu sehen verlangten, wurden sie mit Drohungen abgewiesen; von der bestochenen Dienerschaft aber erfuhren sie wenigstens so viel, daß die Mädchen frisch und gesund in die Burgkellcr gerufen und dann ver schwunden seien. Da drangen sie mit ihren Klagen bis zum König von Ungarn vor und als dieser 1612 die Csejther Burg überfallen ließ, entdeckte man die Verbrechen der Gräfin und brachte die Kammerjungfern und den Kammerdiener zum Geständniß. Die Jungfern wurden verbrannt, der Kammerdiener enthauptet, die Gräfin zur lebenslänglichen Einsperrung auf ihrer Burg verurtheilt. Das War die Strafe des scheußlichsten Weibes, das es je gegeben. — (Feßler, Geschichte der Ungarn, Bd. 8.) Tagesgeschichte. Folgende zeitgemäße Betrachtung bringt die neueste„N.A. Z.": Wir stehen am Schluffe des Jahres, unmittelbar vor dem Ein tritt in die Festwoche, welche am beredtesten zu deutschen Herzen spricht und den Zauber de? Familienlebens in seinem schönsten Glanze sich entfalten läßt. Vor den festlichen Lichtern, welche bald in allen deutschen Gauen Hütte, Haus und Palast mit seltenem Glanze er füllen, verschwindet, wenigstens für eine Weile, das Geräusch des geschäftlichen Lebens und der Hader der Parteien. Dennoch nimmt jeder in diese Ferien des öffentlichen Lebens die Liebe zu dem Vater lande mit hinüber, und die festliche Stimmung wird gehoben, wenn man, zurückblickcnd auf das vergangene Jahr, auch als Patriot seine Blicke auf wcrthvollen Errungenschaften des Vaterlandes mit Befriedig ung ruhen lassen darf. Und das kann beim diesjährigen Weihnachts feste gewiß kein Volk mit größerem Rechte als das deutsche Volk. Sein junges Reich mit dem altehrwürdigen Namen hat sich in Frieden befestigen und seine Wurzeln immer mächtiger in das Herz des Volkes senken können. Der friedliche Beruf, welchen das deutsche Reich vor Allem sich gewidmet hat, empfing eine vollkommene Bürgschaft durch die Begegnung der drei mächtigen Kaiser, die in den Mauern der Hauptstant des deutschen Reiches im Laufe dieses Jahres sich vollzogen hat. Genährt durch das feste Vertrauen auf eine friedliche Zukunft hat aller Orlen der Unternehmungsgeist den Handel und die Industrie zu einer kaum geahnten Blüthe geführt; in fester Zuversicht aus den Schutz seines mächtigen Vaterlandes knüpft der Deutsche friedliche Verbindungen mit den fernsten Ländern der Erde und ihre Früchte vermehren den Wohlstand des Volkes. Friede nach Außen und im Innern, ein vernünftiges Fortschrei ten zu immer bessernden Zuständen, — in diese Worte läßt sich die Parole deS scheidenden Jahres für uns znfammcnfassen. Hat es für einzelne Glieder der großen Völkerfamilie, welche das deutsche Land ihre Heimath nennt, in der Epoche seil dem letzten Weihnachtsfeste