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WaterlämLischeS. Wilsdruff. Wie anzunehmen, waren 2 mit Zuchthaus bestrafte Individuen willens, eine Diebesreise von Meißen aus zu unternehmen und hatten bereits in der Nacht zum 25. d. in Röhrsdorf und Klipphausen 3 freche Einbrüche verübt. Es gelang dem thätigen Herrn Gendarm Erstes Blatt. WWU MÄff WrM, Wi. Äbcckhn Md die WgkgmdkL . Amtsbtcrtt mr die Kgl. KmtshaupLmannschaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadkath zv Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg.— Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. 86. Freitag, den 28. Oktober 1887. Dagesgeschichte. Ueber die Lage unserer inneren Politik wird dem liberalen Berliner „Kleinen Journal" von einem Parlamentarier, der mit Regierungs kreisen Fühlung hat, Folgendes mitgetheilt: „Es ist ein namentlich in den Kreisen deutschfreisinniger Politiker weitverbreiteter Jrrthum, daß Fürst Bismarck sich mit weitgehenden reaktionären Plänen trage, mit einer Kor rektur des geltenden Wahlrechts oder gar einer Beseitigung desselben, mit einer Revision des Preßgesetzes, des Strafgesetzes und dergleichen mehr. Es ist ja richtig, daß der Reichskanzler mit Hülfe der gegenwärtigen Mehr heit Alles erreichen könnte, was er in diesem Sinne beabsichtigte. Und es ist nicht weniger wahr, daß ein großer Theil dieser Mehrheit, insbesondere die Agrarier, welche die künftigen Wahlen fürchten, den Reichskanzler auf den Weg der reaktionären Revision der Verfassung und der Gesetze weiter drängen möchten, um auf diese Weise ihre Herrschaft im Staate dauernd sichern zu können. Aber ebenso sicher ist, daß der Reichskanzler, der durch aus Realpolitiker ist und selbst seinen eigenen persönlichen Neigungen Ge walt anthut, wenn er erkennt, daß dies für das Wohl des Staates und des von ihm geschaffenen Reiches nothwendig ist, sich niemals zum Werk zeug reaktionärer Pläne hergeben wird, welche den Bestand des Reiches er schüttern können. Der Reichskanzler wünscht die Verlängerung der Legis laturperiode, um eine Korrektur für das allgemeine Wahlrecht zu erlangen und die Macht der Krone zu stärken, aber er hat längst eingesehen, daß schon die von ihm trüber angestrebte zweijährige Etatsperiode weder im Reiche noch im preußischen Staate durchzuführen ist und dem Interesse der Regierung durchaus widerstrebt. Und er hat weiter eingesehen, daß das einmal den arbeitenden Klassen verliehene Geschenk des allgemeinen Wahlrechts nicht wieder genommen oder auch nur illusorisch gemacht werden dürfte, ohne Gefahren ernstester Art herauf zu beschwören. Er wird auch der Begehrlichkeit der Agrarier Schranken setzen, wenn er auch soweit den selben Konzessionen zu machen geneigt ist, als nach seiner Ansicht das Reich und die Einzelstaaten größerer Einnahmen zur Erreichung seiner sozial politischen Pläne bedürfen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Reichskanzler, eben weil er in besonders hervorragendem Sinne Realpoli tiker ist, auch im Hinblick auf über kurz oder lang eintretende Eventuali täten bereits Vorkehrungen getroffen hat, die einen etwaigen Systemwechsel Nicht allzuichroff erscheinen lassen werden und daß es sehr wahrscheinlich ist, daß er in dieser Beziehung sich sogar ganz bestimmt und fest engagirt hat. Der Umstand, daß der Hauptträger der Parteipolitik der Rechten, Minister von Puttkammer, im Amte bleibt, ist nicht dazu angethan, einen Widerspruch der vorstehenden Mittheilungen mit manchen Maßregeln des gegenwärtigen Systems, welche die öffentliche Meinung in Aufregung ver setzen, hervortreten zu lassen. Alle Gerüchte über Ministerveränverungen sind gegenwärtig und auf absehbare Zeit hin unbegründet. Selbst dem Fürsten Reichskanzler würde es gegenwärtig nicht leicht und vielleichtauch Nicht einmal erwünscht sein, neue Persönlichkeiten in den Rath der Krone treten zu lassen." Der deutsche Kronprinz hat dem Statthalter Fürsten Hohenlohe für Hessen Geburtstagswünsche folgende Antwort ertheilt: „Meinen besten Dank für die freundlichen Wünsche. Die Acrzte sind vollkommen mit Meiner wenn auch langsam vorwärtsschreitenden Genesung zufrieden." Für den späteren Aufenthalt des Kronprinzen ist bereits die Villa Eirio in San Remo für den Preis von 35,000 Franken gemiethet. Der Kronprinz hat angeordnet, daß fortan über sein Befinden amtliche Be richte in regelmäßigen Zwischenräumen veröffentlich werden sollen. Osnabrück. Zu dem Streik der Grubenarbeiter in dem nahegelegenen Piesberger Kohlenbergwerk wird berichtet: Infolge der unter den Arbeitern herrschenden Aufregung erbat sich die Verwaltung von hier eine Kompagnie Soldaten, die jetzt in den Arbeiterorten Patrouillendienst verrichten. Die Arbeiter verlangen außer dem Strafnachlaß eine Lohnerhöhung. Bisher Kurden Ausschreitungen vermieden. Der französische Botschafter Herbette hat, wie der „Köln. Ztg." M Paris gemeldet wird, dem französischen Minister des Aeußeren, Flourens, telegraphisch gemeldet, er habe nach seiner Rückkehr bei den deutschen Staats männern eine ebenso wohlwollende als sympathische Aufnahme gefunden Und betrachte die internationalen Schwierigkeiten zwischen beiden Ländern als für lange Zeit beseitigt. Graf Herbert Bismarck habe ihm versichert, Deutschland sei entschlossen, Alles zu thun, um die französische Empfindlichkeit zu schonen. Wie man sich erinnert, lies vor einiger Zeit die Nachricht durch die Heilungen, daß ein verstorbener reicher Franzose in seinem Testamente aus Haß gegen Frankreich den deutschen Kronprinzen zum Erben seines ge jammten Besitzes eingesetzt habe. Die Nachricht klang so unwahrscheinlich, haß sie vielfach für erfunden gehalten wurde. Wie man nun der „Schief. Htg." schreibt, ist dieselbe doch buchstäblich wahr. Das hinterlassene Ver mögen beträgt mehrere Millionen Francs, und der Erblasser, welcher durch irgend welche Erfahrungen den Geschmack an seinen Landsleuten verloren haben muß, hat wirklich aus Haß gegen Frankreich den deutschen Kron- Minzen zum einzigen Erben eingesetzt. Der Kronprinz, an den die Sache kittlerweile gelangt ist, hat nunmehr seine Entscheidung getroffen und den Antritt der Erbschaft abgelehnt, weil er das Motiv des Erblassers nicht billigt. — Die Eröffnungen an den Kronprinzen wurden durch den fran- vsifchen Botschafter des Auswärtigen Amtes vermittelt. Dieses ist dann auch von dem Kronprinzen mit der Mittheilung seiner ablehnenden Ent schließung betraut worden. Der Erblasser Ballardin war durch verschiedene Gründe gegen sein Vaterland gereizt; er hatte namentlich wegen Verletzung eines seiner Inspektoren, mit dem er in Streit gerathen war, Gefängniß- strafe erhalten und das Testament im Gefängniß gemacht. Die höchst werth- volle Erbschaft, die zum Theil in großen Gutskomplexen in der Nähe von Paris besteht, sollte u. A. zur Errichtung einer Ackerbauschule für in Frank reich lebende Deutsche benutz! werden. Der Haß gegen das eigene Vater land erschien dem Kronprinzen als etwas derart Verwerfliches, daß jedes Eingehen in die Angelegenheit von ihm abgelehnt wurde. Aus Frankreich kommt jetzt völlig unerwartet eine Bestätigung der Nachrichten über die ernstlichen Vorbereitungen zu einem Angriffskrieg gegen Deutschland, die im vorigen Winter getroffen worden sind. Das „Kriegsgespenst", daß im letzten Wahlkampf eine so große Rolle gespielt hat, ist also kein Gespenst, sondern, wie sich jetzt ergiebt, Wahrheit ge wesen, es war in der That „ein Krieg in Sicht" und der Ausfall der Wahlen mag ein gut Theil dazu beigetragen haben, daß der Sommer friedlich vorüber gegangen ist. In einem Artikel ver „Lanterne", betitelt „An der Grenze", dessen Verfasser General Boulanger ist und in dem zuerst das Konzentrirungsproject, welches General Ferron vor zwei Jahren als Unterchef des Großen Generalstabes (Boulanger Caffarels) ausgear beitet hatte, die schärfste Verurtheilung erfährt und sodann alle Maßregeln aufgeführt werden, welche der Minister Boulanger im Winter 1886 zu 1887 getroffen hatte, um nicht allein die Ostgrenze wirksam zu schützen, sondern auch jeden Augenblick „die Ergreifung der Offensive" zu ermög lichen, beißt es: Um nur Eins zu erwähnen, rühmt sich General Bou langer, daß er schon damals den schleunigen Bau der Baracken angeord net habe, um darin die „troupss xsrmanontss äo oouvsrturo" unter zubringen, ehe noch das projectirte Gesetz votirt war, welches ihm diese ncuen Truppen verschaffen sollte. Und da angesichts der drohenden Ge fahr es nicht möglich war, dte neue Trnuppenbildung abzuwarten, habe General Boulanger eine große Anzahl von Brigaden marschfertig machen lasten, welche dazu bestimmt waren, die avancirten Stellungen zu besetzen. Die Bereitschaft dieser Brigaden sei zur Zeit der Astaire Schnäbele so weit vorgerückt gewesen, daß sie 24 Stunden nach einem Telegramm ihre Positionen eingenommen haben würden, während ihr Kommandeur und dessen Generalstab bereits an Ort und Stelle waren. So wird, wie ge sagt, Alles bestätigt, was die nationale deutsche Presse im Frühjahr über die Anordnungen und die den Frieden bedrohenden Pläne des Kriegsmi nisters Boulanger behauptet hatte, und das soll hier ohne jeden weiteren Kommentar konstatirt werden. Noch unter dem Eindrücke der Skandalaffaire Caffarel und des hier aus hervorgegangenen Zwischenfalles Ferron-Boulanger traten die fran zösischen Kammern am Dienstag zu ihrer Wintersession zusammen. Daß all' diese Vorfälle in den Kammerverhandlungen wiederklingen werden, kann kaum einem Zweifel unterliegen und gegen die Rothen wie gegen die Rechte wird das Ministerium jedenfalls einen schweren Kampf zu bestehen haben. Dabei zeigt sich auch die Budgetkommission den Herren Ferron und Rouvier nicht sonderlich freundlich gesinnt. Mit einem Wort, das Ministerium geht allem Anscheine nach ernsten parlamentarischen Stürmen entgegen. General Caffarel ist nunmehr aus dem französischen Heere wie aus dem Orden der Ehrenlegion ausgestoßen worden und wird außerdem mit den Frauen Limousin und Ratazzi vor dem Pariser Zuchtpolizeigericht erscheinen. Ueber die Erschießung eines Deutschen durch einen russischen Grenz soldaten wird der „Pr. L.-Z." geschrieben: Am 12. Oktober war das Vieh des preußischen Unterthanen Sedat aus Augspirren auf russisches Gebiet übergetreten. Sedat überschritt gleichfalls die Grenze, um sein Vieh zurückzuholen. Hieran wurde er jedoch von einem russischen Grenz soldaten gehindert und erhielt von demselben zunächst einen Bajonnetstich in den Rücken und sodann durch einen Schuß eine Kugel in den rechten Oberschenkel, welche Verwundungen unmittelbar darauf den Tod des Sedat zur Folge hatten. Die Untersuchung des Thatbestandes durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft, sowie die Sektton der Leiche hat bereits statt gefunden, und es soll als bestimmt feststehen, daß die That auf russischem Boden erfolgte. Die Anwälte der zum Tode verurtheilten Anarchisten in Chicago haben Berufung bei dem obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein gelegt und in der Berufungsschrift die Punkte angeführt, in denen Bundes fragen mitspielen. Das Gericht hat darauf die Anwälte aufgefordert, die jenigen Protokolle der Prozeßverhandlungen, in welchen die betreffenden Punkte vorkommen, sofort drucken zu lassen. Als Vertheidiger vor dem Bundesgericht wird der General Benjamin Butler auftreten, dessen Ge bühren zum großen Theile von den „Rittern der Arbeit" bezahlt werden dürften.