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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenleyn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 58. 1873 Freitag, den 25. Juli Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 24. Juli 1873. Die Tage unseres Schützenfestes liegen wieder einmal .hinter uns; läßt sich über dasselbe auch kein spaltenlanger Bericht schreiben, so wollen wir eS doch wenigstens nicht ganz unerwähnt lasten. Der Auszug am Sonntag, zu welchem, wie immer, die Behörden und Corporationen geladen und großentheilS auch erschienen waren, war ein imposanter, das Leben auf der Schießwiese und Schießhause ein recht bewegliches zu nennen. Am Montag hatte der Herr Leünfabri- lant Krippenstapel das Glück, den besten Schuß zu thun und wurde infolge besten Abends als Scheibenschützenkünig in die durch Illumi nation und bengalische Flammen hell erleuchtete Stadt geführt. Auch den in früheren Jahren zum Ausruhen bestimmten Dienstag feierte man durch allerhand Belustigungen auf der Schießwiese. Am Mitt woch fand das übliche Frühstück im Schießhause statt, wobei man in sinnigen Toasten den neuen Schützenkönig, das DirertoMm, OsstziercorpS und die Gesellschaft feierte. Das Ganze ließ das frische, fröhliche Leben erkennen, welches in der Schützengesellschaft herrscht, am Nachmittag fand sich am Schießhause ein prächtiger Damenflor zusammen, um bei Conzert einige Stunden mit den lieben Schützen- brüdern zu verleben und später das Fest vereint beim Ball zu be schließen. Wir aber können auch diesmal nicht anders schließen, als mit dem innigsten Wunsche, daß unsere Bürgerschützengesellschaft fort und fort grünen, blühen und gedeihen «löge. Die Jagdkarten für 1873/74 werden laut ministerieller Bekannt machung eine hellgelbe Farbe erhalten. Dem „Dresdner Börsen- und Handelsblatt" schreibt man aus Chemnitz: Nachdem nun auch die königlich sächsische Negierung sich genöthigt gesehen hat, die Annahme österreichischer Silbergulden an öffentlichen Casten zu verbiete», so muß von Seiten des Publikums darauf gedrungen werden, und die Handelskammern des Landes müssen Beruf darin finden, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dafür zu agircn: daß die Circulation der österr. Gulden überhaupt verboten wird, sonst benachtheiligt man den Handelsstand, der nun einmal Zahlungen, die ihm von seinen Kunden angcboten werden, nicht zurückweisen kann, auch wenn diese Zahlungen nicht cassenmäßig sind, auf ganz enorme Weise, wofür folgende Thatsache den Beweis liefert: Ein Factor aus hiesiger Umgegend hatte am letz ten Ultimo ein Accept von 150 Thalern zu decken, wozu er ein Gut haben bestimmte, das er an eine hiesige Firma hatte. Diese leistete nun Zahlung in Silbergulden (zurückweisen ging, namentlich bei jetzigem schlechtem Geschäftsgang nicht), und der arme Factor konnte sein Accept nur bezahlen, nachdem er sich mit 1V, pCt. Verlust an deres Geld verschaffte; er verlor also an Gulden, von denen selbst nach offiziellem Zugeständniß 3 Stück genau so viel Feingehalt haben, als 2 preußische Thaler, 2 Thlr. 7'/, Ngr., während er an ausländi schen Lastenscheinen, j» denen er sonst wohl Zahlung erhalten hätte, nur V. pCt., also 11'/. Ngr., verloren haben würde. Ist dies nicht himmelschreiend? Also Handelskammern des Landes, hier ist ein Feld für Eure Thäligkeit, hier könnt Ihr Euren Beruf erfüllen und Handel und Wandel schützen, wenn Ihr schleunigst dafür eintretet: daß entweder die österreichischen Silbergulden ganz unbehelligt bleiben oder daß deren Circulation verboten, wenigstens ein Cours festgesetzt wird, über welchen hinaus die Ausgabe bei sehr hoher Strafe nicht geschehen darf. Am 18. Juli fand bei Oberau für den sächsischen Theil der directcn Berlin-Dresdner Eisenbahn die Feierlichkeit des ersten Spa- tensticyes statt; ebenso wurde am 16. d. der erste Pfahl zur Brücke für dieselbe Bahn bei Niederwartha eingerammt und man hofft nun mehr alle Hindernisse beseitigt, welche den Beginn der Arbeiten bis her diesseits aushielten, während preußischersetts der Bahnbau schon über 4 Monate im Gange sich befindet. Braunschweig, 2l. Juli. Die Burg und das Schloß Hein richs des Löwen ist Nachts von einer Feuersbrunst zerstört worden. Das MontirungSdepot des 67. Regiments und die nahe Burgkirche blieben unversehrt. Das „Journal de Belfort" schreibt: General v. Manteuffel kam am letzten Freitag nach Belfort. ES fand bei dieser Gelegenheit auf dem Marsfelde eine Heerschau über 5000 Mann Infanterie statt. Bei den offiziellen Besuchen, welche stattfanden, ließ der General dem Genie Frankreichs, das vom Unglück weder zu Boden geworfen, noch verringert worden sei, alle Gerechtigkeit widerfahren. Er sagte auch, er begreife wohl, daß man ungeduldig das Ende der Occupatio» er sehne, und er finde es sehr natürlich, daß man dieses Ereigniß durch öffentliche Feste feiern wolle. Für die von den deutschen Ingenieurs zur Vertheidigung des Platzes gemachten Befestigungsarbeiten, sagte der General, habe Deutschland eine Million verausgabt, dieselben würden vor dem Abmarsche zerstört werden. Das „Avemr National" vom 18. Juli schreibt sehr verständig: „Jeder französische Bürger hat die Pflicht, es laut z» sagen, damit die Welt es wisse, daß wir den Krieg nicht wollen, ihn durchaus nicht wieder anfangeu wollen, und daß wir keine andere Absicht haben, als uns in unserem Lande zu vettheidigeii. Man sagt wohl': Seht, was uns geschehen ist, weil wir nicht hinlänglich gerüstet wa ren, wir wurde» geschlagen. Darauf ist zu antworten, daß eS ein Mittel von trivaler Einfachheit gab, um schlecht, oder wohl selbst gar nicht gerüstet, nicht geschlagen zu werden, nämlich ganz einfach keinen Krieg zu erklären. Die Ereignisse von 1870 haben uns be wiesen, daß unser militärisches System zur Vertheidigung des Landes nichts taugte. Wir müssen daher ei» neues System suchen, welches Frankreich erlaube» würde, in zwei Jahren so gut wie in zehn sich gegen eine Invasion zu verthcidigen, ohne daß die Last der militäri schen Organisation für das Land zu schwer wäre. Je weniger diese Organisation für jeden anderen Krieg als die Vertheidigung des Lan des anwendbar wäre, desto mehr hätte man Ursache, sich zu beglück wünschen; denn cs wäre dies die beste Bürgschaft dafür, daß die Regierung, was sie immer sei» mag, keinen Krieg erklären werde." Die Vorgänge in Spanien sind es, welche die allgemeine Aufmerksamkeit in erster Reihe für sich in Anspruch nehmen. Wer oder was in Madrid „regiert" oder richtiger nicht regiert, ist nachge rade schon ziemlich gleichgiltig geworden und verlohnt es sich wohl nicht mehr der Mühe eingehender Betrachtungen über die Ein tags-Präsidenten und Eintags-Ministerien. Wenn sämmtliche zur Zeit vorhandene Cortesmitglieder ein paar Tage Minister gespielt haben werden — dürfte die Tragödie vielleicht zu Ende sein. Wäh rend man in der Hauptstadt intriguirt und sich wie inmitten dec schönsten Ordnung mit Verfassungsentwürfen beschäftigt, die kaum anders denn als Phantasie bezeichnet werden könne», herrscht in den Provinzen ein derartiges Durcheinander, daß es selbst aus der Ferne kaum möglich ist, die Facta zu rubriciren. Sevilla und Cadix haben die Unabhängigkeit Andalusiens proclamirt, dem Aufstande von Mur cia folgt die „Erhebung" Valencias auf dem Fuße. Die im Hafen von Cartagena befindlichen Kriegsschiffe sind ebenfalls in die Hände der Communisten gelangt uud die „Commune zur See" befindet sich auf der Fahrt nach Alicante, um dort gleichfalls einen Aufstand zn insceniren. General Velarde „wartet" inzwischen bei Alciras, an der Eisenbahn von Valencia nach Alicante, auf Verstärkungen, um ersteres angreifen zu können, doch ist bei der allgemeinen Sachlage wohl mehr als fraglich, woher diese Verstärkungen kommen sollen. Der Com- mandant von Saragossa, welcher aus Madrid den Befehl erhielt, die Garnison nach Süden zu entsenden, telegraphirte zurück, daß dieß Angesichts der Annäherung der carlistischen Armee nicht mehr möglich sei. Von der portugiesischen Grenze an bis nach Barcelona befindet sich der ganze Süden und Osten Spaniens in einem vollständig chaotichen Zustande und alle von Madrid kommenden Corresponden-