Volltext Seite (XML)
MtMMkWW Tharandt, Mossen, Sieöentehn und die Umgegenden. Amtsblatt dr die Rgl. Amtshauptmannschaft Meitzen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wrlsoruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzosgwalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberq, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu« tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rshrsdorf bei Wilsdruff, Költzsch, Nothschönberg mit Perne, Sachsdori Schmiedewalde, Sora, Sternbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. —. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Eorpuszeile. Druck nnd Verlag vün Marrin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No 149. ! Dienstag, den 18. Dezember 1999. 58. Jahrg. Heldenseelcn. <8) Roman von B. Riedel-Areus. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Marianne griff an ihre Stirn; hatten denn wirklich seine Lippen die grausamen Worte gesprochen, und sie lebte noch? Sie stand vollends auf und überzeugte sich, daß Ul rich und Maurus bereits den Strand erreicht hatten; nun durfte sie den Pavillon verlassen, ohne von ihnen bemerkt zu werden; nie sollte ihr Mann erfahren, daß sie Zeuge dieser Unterredung gewesen war. Doktor Harden und Ulrich waren abgercist, der eine nach Norden, der andere nach Süden; auf Friedensheim lebte man einsamer als je zuvor. Nun rückte Ernas Hochzeit heran, die pomphaft in einem großen Hamburger Hotel begangen werden sollte. Marianne hatte schon den Absagebrief zur Theilnahme an der Feier geschrieben, schließlich aber sich eines anderen besonnen; eincstheils wollte sie Leah nicht um das Ver gnügenbringen, dieSchwester begrüßen zu können, zweitens beabsichtigte sie, mit dem Geheimrath über ihren Gesund heitszustand zu sprechen, er sollte sie gründlich untersuchen. Marianne bildete sich ein, an einem Herzübel zu leiden; seit der verhängnißvollen Stunde im Pavillon war etwas in der Brust nicht wie es sein sollte. Was sie jedoch vor allem von ihm erreichen wollte, war ein wirksames Mittel gegen ihre zunehmende Schlaflosigkeit. Marianne ging umher wie ein Mensch, der unaus gesetzt über ein nicht zu lösendes Uebel brütet; ihr In teresse für die Wirlhschaft, von dem sie einst so aus schließlich beherrscht worden, begann allmählich zn erlahmen, nur die Freundschaft fiU Leah blieb die gleiche innige, und der Mutter gegenüber nahm sie sich zusammen, ihre Gemüthsverfassung zu verbergen. So trafen sie denn an einem klaren Augustmorgen in Hamburg ein, undfroh beglückt schloß Leah die Schwester in die Arme; Ruth hatte sich erholt, sogar einen Schimmer von Farbe bekommen; aus ihren klaren Augen glänzte jenes heitere Lächeln echten Humors, das über Thränen an den Wimpern siegt, und das ruhige Wesen deutete auf erworbenen inneren Frieden. Sie trug einen geschmackvollen Hellen Anzug, braunes Federhütchen, einen Rosenstrauß zur Bewillkommnung in der Hand und sah in ihrer stillen bräutlichen Würde sehr »ornehm aus. „Du bist zufrieden, Ruth! Wie mich das freut!" „Ja, ich bin so weit ganz glücklich, Leah; wir hatten eine hübsche Zeit zu Hause; Erna fort, die Knaben artig und ordentlich, Herr Geheimrath stets gleich gütig, wirk lich zu nett!" „Herr Geheimrath?" wiederholte Leah schelmisch, „steht Ihr denn noch immer auf dem Fuße dieser feier lichen Anrede?" „Oh und ob," gab Ruth vergnügt zurück, „das geht nach wie vor: Fräulein Ruth und: Herr Geheimrath; während der zwei Monate unserer heimlichen Verlobung sind wir noch nicht um Haaresbreite einander näher ge rückt." „Und darüber freust Du Dich?" „Nun freilich! Siehst Du, Leah, das ist ein so wunderhübsches Verhältniß zwischen uns, so halb und halb wie Vater und Tochter: er wohlwollend freundlich, ich ehrerbietig dankbar — oft ein ganz klein wenig neckisch, manchmal möchte man sich wirklich lobt lachen; acb, könnte es doch immer so bleiben." „Aber bann findest Du doch keine Spur von Liebe für ihn," sagte Leah verwundert. „Doch — nur anders; ich verehre ihn, Herz, das ist es. Es bereitet mir die größte Genugthuung, um ihn herum zu sein, ihm durch kleine Dienste den verantwort lichen Beruf zu erleichtern, dann komme ich mir vor, als ob ich selbst mitwirkte, und dann fühle ich mich ganz ge hoben." Leah kam über dieses seltsame Verhältniß nicht aus der Verwunderung heraus, da aber Ruth unverändert eine frohe Miene zeigte und während der Tage ihres Be suches bei Geheimraths Alles so harmonisch von statten ging, beruhigte sie sich. Kein Zweifel, so seltsam es auch klang, von jener wirklichen Liebe, die wie auf Starmesfittichen unwider stehlich Besitz von dem zagenden Herzen ergreift, und es mit sich in den Strudel stürmischen Entzückens reißt, wußte Ruth noch garnichts; darum ging sie auch so muthig froh in die nüchterne Ehe mit dem Geheimrath hinein. An Ernas Hochzeit nahm Ruth nicht theil, und der Geheimrath ließ sie gewähren; von dem Augenbick an, wo er der älteren Tochter die Absicht seiner Verbindung mitgetheilt, war sie von Erna vollständig ignorirt worden. Leah aber, an die Ernaabsichtlich keine besondere Einladung hatte ergehen lassen, denn nach Art kleinlicher Seelen haßte sie Alles, was zu Ruth gehörte, schloß sich dieser an und verbrachte mit ihr die Stunden auf angenehme Weise. Als dann das junge Ehepaar einen hochzeitlichen Ausflug nach England unternommen, Marianne alle Be sorgungen erledigt nnd von ihrem Bruder einen tröstlichen Bescheid betreffs des Herzleidens, das sich unbedeutend und vorübergehend herausgestellt, erhalten hatte, traten die Damen ihre Rückreise nach Friedensheim an; zu Mariannes Genugthuung war cs ihr gelungen, bas von dem Geheimrath zu erreichen, was sie am dringendsten erstrebt, das ersehnte Opiummittel gegen ihre Schlaf losigkeit. Der September kam und mit ihm die ersten weh- müthigen Grüße des ernsten Herbstes. — Zwischen Ruth und dem Geheimrath stand es noch unverändert, nur mit dem Unterschiede, daß er seit einiger Zeit auffallend zerstreut umherging und die Abende meistens außerhalb des Hauses zubrachle, öfters war er gegen seine Gewohnheit sogar erst spät nach Mitternacht heim- gekehrt. Wiederholt hatte Ruth und Vicky ihreVermuth- ungen darüber ausgetauscht > wohin ging der Papa, da er keinem Klub angehörte, auch dem Aufenthalt in den überfüllten Restaurants durchaus abgeneigt war. Daß etwas besonderes im Gange sei, stand bald bei Vicky fest, und auch das Vorhaben, es auf alle Fälle herauszubringen. Heute Abend nun hatte er die Absicht ausgesprochen, nach dem Essen nicht mehr fortzugehen; Ruth wurde auf merksam — sie glaubte, seinen Äeußerungen einen be stimmten Plan entnehmen zu dürfen. Hans und Vicky gingen, da der Vater ihnen Billets geschenkt, ins Theater. Jette kani, deckte den Tisch, Ruth ging ab und zu, der Geheimrath saß in der Sophaecke und las die Zeitung; als die drei gegessen hatten, schickte er Willy in das Arbeitszimmer. Ruth begann das Herz zu klopfen — kein Zweifel, er beabsichtigte ein Alleinsein mit ihr. Eine heimliche Angst, die sie selbst albern nannte, schnürte ihr die Kehle zusammen; zu gern hätte sie den Zeitpunkt einer Aender- ung des gegenwärtigen Verhältnisses noch hinausgeschoben, aber bis in alle Ewigkeit konnte es doch am Ende nicht auf diese Weise fortgehen, jede Verlobung mußte unter normalen Umständen schließlich mit der Hochzeit endigen. — Jette kam wieder und deckte ab. „Vielleicht geht er jetzt doch noch," hoffte Ruth. Aber mit unerschütterlichem Gleichmuth setzte er seine goldene Brille wiederauf, nahm die Zeitung zur Hand und wich und wankte nicht; sie brachte Willy zu Bett und schritt, als nichts mehr zu be sorgen war, so langsam wie möglich in das Wohnzimmer zurück. Bei ihrem Eintritt, auf den er gewartet zu haben schien, legte er die Zeitung fort, stützte die Arme auf den Tisch —, sah Ruth an, dann wieder auf seine feinen, weißen Hände —, von diesen wieder prüfend auf sie. „Du lieber Himmel, jetzt kommt es sicherlich," dachte Ruth, nahm ihren kleinen Stickrahmen, setzte sich an ihren Platz, dem Hausherrn gegenüber, und beugte den Kopf über die Arbeit. „Bitte legen Sie den Stickrahmen oder was es sonst ist, fort, Fräulein Ruth, bas Auf- und Abfahren mit der Nadel macht mich nervös." „Gern, Herr Geheimrath; ich wußte nicht, daß es Sie stört; wenn Sie mir einen Augenblick die Zeitungsbei- läge erlauben wollen — ich lese die Geschichte." „Lassen wir heute Abend die Geschichte; ich möchte mit Ihnen plaudern." Richtig, nun war es da; nicht mehr lange, und er würde ihre Verlobung mit dem ersten Kuß besiegeln wollen. Du lieber Himmel, daß eine Verlobung durchaus nicht ohne diese Zärtlichkeitsbeweise vor sich gehen konnte! Ob er selbst ähnliche Furcht empfand? Es währte so merk würdig lange, ehe er den ersten Anlauf wagte. „Fräulein Ruth." „Herr Geheimrath?" In ihren Mundwinkeln zeigte sich versteckt ein ganz kleines schelmisches Lachen. Der alte Herr war für seine Jahre denn doch ein bischen gar zu spröde und schüchtern! — „Sie werden es nicht vergessen haben," begann er endlich mit einem Anflug des Kathedertones, „daß wir uns im Juni — drei Monate sind seitdem verflossen — so zu sagen — verlobt haben; das heißt, ich hielt es gewissermaßen für eine höchst angenehme Pflicht, Ihre standhafte Treue und Hingebung für unsere Familie da durch zu belohnen, daß ich Sie zur Herrin des Hauses erwählte, wo Sie bis dahin in unabhängiger Stellung gewaltet. Sie zeigten sich meiner Werbung nicht abge neigt, und ich war hocherfreut, das Ziel erreicht zu haben, denn wie ich schon damals eingestand, meine liebe Ruth, Sie waren mir von Anfang an ausnehmend sympathisch, ich hatte Sie von ganzem Herzen liebgewonnen und schätzen gelernt." „Das war die feierliche Einleitung, etwas sonderbar, aber den Umständen angemessen," sagte sich Ruth, „nun kommt die Entwickelung." Sie wurde dunkelroth und beugte den Kopf über ein winziges blaues Wollsädchen, mit dem sie zu spielen anfing. „Damit ward also unsere Verlobung, wenn auch vor läufig nicht öffentlich, so doch vor Gott besiegelt. Ich hatte indessen," er stockte und seine Stimme erstarb, „leider um jene Zeit versäumt, mit einem mächtigeren Faktor zu rechnen, der in seinen ersten Anfängen bereits meine Wege gekreuzt hatte." Wieder eine Pause. Der Geheimrath schien eine Entgegnung zu erwarten, weil aber Ruth absolut nicht zu errathen vermochte, wo er eigentlich hinauswollte, wußte sie keine Antwort. Nur als er den mächtigeren Faktor erwähnt, dachte sie unwillkürlich an Erna, aber die konnte er wohl nicht gemeint haben. „Es thut mir so sehr, so außerordentlich Leid um Sie, Fräulein Ruth; wohl kaum bedarf es der Ver sicherung, daß ich mich Ihnen damals mit den denkbar aufrichtigsten Gefühlen näherte; hätten Sie unsere Ver bindung innerhalb vier Wochen gewünscht, ohne Weiteres würde ich darauf eingegangen sein." „Ich?" fragte Ruth verblüfft von dieser höchst eigen- thümlichen Wendung der Dinge, „Sie glauben nicht, wie weit ich davon entfernt war, das zu verlangen, Herr Geheimrath." Er nickte ernstlich und nachdenklich. „Ich weiß, ich