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«»Aw » MW Nr. 86. Zweites Blatt. Sonnabend, 22. Juli 1905. Preisrätsel- Losung. „Witsdrnffer Wochenblatt". Es gingen 40 richtige Lösungen ein und zwar aus Wilsdruff 22, Grumbach 4, Blankeinstein 3, Limbach, Roedelheim b. Frankfurt a. M., Groitzsch, Hühndors, Herzogswalde, Sora, Unkersdorf, Roitzsch, Kesselsdorf, Kaufbach und Burkhardtswalde je 1. Gezogen wurde Lösung Nr. 17 mit der Unterschrift: Erna Hennig, Wilsdruff. Gewinn: Der Kinder freund. Ein Buch zur Unterhaltung und Belehrung. Betrachtung zum V. Sonntag nach Trinitatis. Off. St. Joh. 14, 15. Schlage an mit Leiner Sichel und ernte; denn die Zeit zu ernten ist kommen, denn die Ernte der Erde ist dürre geworden. An wen ergeht solch Wort? Heute, und wenn wir absehen von dem Zusammenhang, in dem es steht, an den Landmann, der in diesen Tagen wieder auSgeht, um zu ernten. Schon stehen wieder draußen die Felder in goldner Pracht, reif zur Ernte und die ersten Halme sind unter der Sense scharfem Schnitt gefallen, die ersten Garben aufgerichtet. Nur wenige Tage noch und alle Felder rings umher werden wieder anzuschauen sein wie ein großes Heer lager in Folge der Menge aufgerichteter Garben, und es wird sich darauf wieder das emsige, fleißige Treiben ent wickeln, das uns jede Erntezeit von neuem erfreut. Ja, fürwahr, es ist eine fröhliche, schöne Zeit, die Erntezeit, nicht blos für den Landmann, der durch sie seine Müh' und Arbeit belohnt sieht und dem der Erntesegen zunächst zu gute kommt, sondern für alle Leute in Stadt und Land. Denn die Frucht, die der Landmann erntet, dient ja zu unser aller Brot. Das wollen wir nicht vergessen, damit wir uns von Herzen mitfreuen und auch —mitbelen, daß der kostbare Erntesegen gut eingebracht werden möchte. Ja, eine rechte Zeit des Gebetes soll jede Erntezeit sein, besonders für die Landleute selbst. Mögen sie es in dieser Zeit nicht vergessen, wem sie das kostbare Ernte gut verdanken, damit sie recht von Herzen Golt loben und preisen und wer es ihnen auch allein behüten und erhalten kann, damit sie ihn tagtäglich um seinen Beistand beim Erntewerk anrufen. Wohlan, lieber Landmann: „Schlag an mit deiner Sichel, denn die Zeit der Ernte ist ge kommen." Der barmherzige, gnädige Gott ruft es dir in diesen Tagen selbst zu; darum freue dich seiner Werke, und tue dein Erntewcrk mit Freuden und im vertrauens. Vollem Aufblick zu ihm. Dann wird er's wohl machen. „Schlage an mit deiner Sichel und ernte. Denn die Zeit zu ernten ist gekommen." In dem Zusammenhang, in dem das Wort ursprünglich steht, hat freilich das Wort eine ganz andere Bedeutung. Nicht um irdische Ernte handelt es sich da, sondern um jene geistliche Ernte, die am Ende der Tage kommen wird. Da wird das Wort aus Engelmund ergehen an des Menschensohn und wird die Aufforderung in sich bergen, Gericht zu halten über die Welt, über die Seelen aller Menschen, auf daß ein Jeder empfange, nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse. Denkst du, lieber Leser, des öfteren an diese letzte und größte aller Erntezeiten? Ich meine, das soll auch ein Teil des geistlichen Segens jeder Erntezeit sein, die wir hier auf Erden feiern, daß wir uns von ihr kräftiglich Hinweisen lassen auf jene Ernte am Ende der Tage, auf das Weltgericht, das kommen wird. Es gibt ja in unserer Zeit des Unglaubens gar viele, die solches Weltgericht leugnen oder gar darüber lachen und spötteln. Mögen sie es tun, sie werden damit weder erreichen, daß es in Ewigkeit ausbleibe, noch, daß sie selbst eben davon verschont bleiben. Nein, es wird kommen, sobald der Herr des Himmels und der Erde die ganze Menschen welt als reif zur Ernte schauen wird, und wenn er kommen wird, so werden auch wir alle, ob wir wollen oder nicht, vor ihn versammelt werden und es wird sich entscheiden, ob wir als guter Weizen geborgen werden können in seine ewigen Scheunen oder ob wir als Unkraut und leere Spreu verbrannt werden müssen mit ewigem Feuer. O, darum lasset uns in des heiligen Geistes Kraft schon hier Frucht- ähren werden zu Gottes Ehre, auf daß wir nicht mit Furcht und Grauen, sondern mit Freuden schauen dürfen auf jenen Tag, da das Wort ergeht an den Menschensohn: Schlage an mit deiner Sichel und ernte. Denn die Zeit zu ernten ist kommen und die Ernte der Erde ist dürre geworden. Amtlicher Bericht über die am 17. Juli d. I., nackm. 4 Uhr, stattgefundene Schulvorstandssitznng. Entschuldigt fehlten 2 Herren Mitglieder. Vorsitzen- der: Der unterzeichnete Bürgermeister. 1. Die sich nötig machenden Reparaturarbeiten in der Schule (Weißen der Zimmer, Verkitten und Streichen der Fenster pp.), sollen ausgeführt werden. Das Streichen der Fenster will man zur Ausschreibung bringen. Die Beschlußausführung wird der Baudeputation übertragen. 2. Der Herr Vorsitzende teilt mit, daß die auf das 1. Halbjahr d. Js. bewilligten Alterszulagen 1342 Mark betragen. 3. Man nimmt Kenntnis davon, daß das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts ge nehmigt hat, daß diejenigen Fortbildungsschüler, welche die höhere Abteilung der Fortbildungsschule hierselbst bei wöchentlich 6 'Unterrichtsstunden zwei Jahre lang mit be- friedigendem Erfolge besuchen, vom 3. Fortbildungsschul, jahre befreit werden. 4. Die Ernteferien sollen Montag den 24. d. Mts. beginnen. (Einstimmig). 5. Dem Ansuchen des Kirchenvorstandes entsprechend, soll der 400 Mk. betragende Erlös für das abgebrochene Schulgrundstück an die Kirchengemeinde zurückgezahlt werden. Von der Verpflichtung zur Beschaffung einer Wohnung für den neu anzustellenden Kirchner will man sich dadurch befreien, daß man der Kirchenkasse einen Betrag von jährlich 150 Mk. überweist. (Einstimmig.) 6. Die mit 36449 Mk. 05 Pf. Einnahme und 35367 Mark 32 Pf. Ausgabe, mithin also mit 1081 Mk. 73 Pf. Bestand abschließende Schulkassenrechnung pro 1904 wird vom Herrn Vorsitzenden vorgetragen. Sie soll den Herren Stadtverordneten Frühauf und Rud. Ranff zur möglichst recht baldigen Prüfung über- wiesen werden. (Einstimmig.) Wilsdruff, am 19. Juli 1905. Der Schulvorstand. Kahlenberger, B. 38 Stunden in einem Schacht begraben. Von einem schrecklichen Unglücksfall, der einen Mr. Menzies in Transvaal traf, berichten englische Blätter. Bekanntlich gibt es in der Umgegend von Johannesburg eine große Anzahl von tiefen Minenschächten, die verlassen worden sind und nun, ohne irgend wie zugedeckt zu sein, ihre Abgründe öffnen. „Ich ging von meiner Mine nach meinem Hause", so erzählt Menzies die Geschichte, „so etwa um '/,8 Uhr abends in der Dunkelheit. Ich glaubte mich auf dem richtigen Wege zu befinden, aber ich muß wohl einige Fuß von der Straße abgeirrt sein. Plötzlich verlor ich das Gleichgewicht. Ich fühlte einen furchtbaren Schlag, und dann noch einen. Ich war in einen unbe nutzten Schacht gefallen. Ich fühlte eine völlige Dumpfheit in meinem Körper. Der tiefe Sturz hatte mich völlig betäubt. Wie ich nachher feststellte, war ich 70 Fuß in den Abgrund gestürzt. Dann rollte ich einen zweiten Ab hang von mehr als 20 Fuß herab, und von dort ging der schreckliche Sturz noch eine dritte steile Wand von weiteren etwa 20 Fuß herunter. Schließlich blieb ich liegen. Wäre ich auf der anderen Seite dieses Schachtes herab gefallen, dann würde ich sicher in das Grundwasser ge stürzt sein, und sicher den Tod durch Ertrinken gefunden haben. Als ich zur Besinnung kam und wieder zusammen hängende Gedanken faßte, hatte ich zunächst ein Gefühl der Verwunderung über das, was geschehen war, und etwas wie Neugierde beschlich mich über das, was geschehen werde. Ich griff mit der Hand nach meinem Kopfe, wo ich einen starken Schmerz fühlte, und als ich meine Hand dann vor die Augen brachte, war sie von Blut überströmt, denn ich war mit dem Kopfe gegen einen Felsen geschleudert worden. Lange Zeit lag ich in der tiefen Dunkelheit, aber schließlich nahm ich alle meine Kräfte zusammen, um mich aus der Tiefe herauszuarbeiten, weil es mir klar war, daß hier unten mich niemand bemerken könnte. Es gelang mir mit Hilfe des Bauholzes, das noch die Wände des Schachtes stützte, die 20 Fuß bis zu dem zweiten Absatz mich herauszuwinden. Dann war ich so ermattet, daß ich kaum noch das hellere Licht von oben schimmern sah. Wie ich den Tag verbrachte, könnte ich nicht mehr sagen. Ich lag, und hörte verzweifelnd auf jeden Laut, der an mein Ohr schlug und von dem ich Hilfe erwartete. Aber die Stunden verrannen und niemand kam. Da über kam mich plötzlich mit furchtbarer Gewalt der schreckliche Gedanke, daß ja gar niemand kommen könnte, um mir zu helfen, denn weit und breit in der Gegend wurde nicht gearbeitet und niemand stieg so weit herab. Manchmal in langen Zwischenräumen war es mir, als höre ich Tritte über mir, dann schrie ich auf, so laut ich konnte, aber keine Antwort kam zu mir herab und nur die grauenvolle Stille ließ meinen Schrei verhallen. Einmal schlug ein Kinderruf an mein Ohr, und ich meinte ganz deutlich die Stimme meiner kleinen Tochter zu hören, die mich rief. Ich antwortete und hob meine Stimme mit aller Macht zu einem lauten Gebrüll, doch es war vergebens. Nachher stellte ich fest, daß mein kleines Mädchen wirklich dagewesen war, aber sie konnte mich nicht hören, obwohl ich sie ver nahm. Ich vermute, meine Stimme war zu schwach und der Schall brach sich zu sehr an den Wänden und wurde zerstreut, wenn er an die Oberfläche gelangte. Am Morgen >7, Goldsucher. Roman von Edela Rüst. , (Nachdruck Verbote«.) (Fortsetzung.) Der Schwager hatte Jutta immer gleich alles vor- gezeichnet und ihr Sehunterricht in der Natur gegeben. Sie sprach jetzt auch von „Stimmungen", von „auflösenden Harmonien", von „geschlossener Kraft" und „variabler Technik". Er riß sie auch an den Zöpfen und ließ sich schmun- zelnd von ihr einen Schnurrbarl anmalen mit geschwärztem Pfropfen, und sie neckten sich und aßen aus einem Teller, 7" »rau Strestn verdrehte die Augen tadelnd dazu und konnte ihre Jüngste nicht begreifen. „Ich komme bald!" rief Jutta jovial, als der Wagen vorfuhr, das junge Paar zur Bahn zu bringen. „Ich komme bald mal vor in Berlin. Aber setzt einen an ständigen Marmornen ins Fremdenzimmer, nich so'n rundes Drahtgestell von Waschtisch, wie ich mich in der Pension mit 'rumärgern muß!" Kollmann versprach, sofort nach Ankunft auf einen „Marmornen" Jagd zu machen und küßte feine kleine Schwägerin auf die Wange, da sie ihm den Mund kokett entzog. „Das wird nicht solche Eile haben!" — konnte die Schwiegermutter nicht umhin. „Jutta bleibt hier! Das wollen wir nicht zweimal erleben!" Was sie mit dem unterstrichenen „Das" meinte, konnte man sich deuten, wie man wollte. Eva war nicht mit der ganzen Gesellschaft in das Haus zurückgegangen, als der Wagen davongerasselt war. Sie war unbemerkt zurückgeblieben, hielt ihr neues see- blaues Tüllkleid, dessen verschwenderisch über die Taille genesteltes Perlengehänge im stillen Mondlicht auffliinmerte, hoch in der Rechten zusammengerafft und schritt vor den Fenstern, hinter denen jetzt, nach Zwölf, wirklich erst der Tanz und die gewohnte, harmlose Heiterkeit begann, mehr mals auf und nieder. Es brauste in ihrem Kopf, sie schüttelte sich im Fieber und schlug leise mit der flachen Hand gegen die Hausmauer, um sich zu vergewissern, daß sie ganz wach und bei Sinnen sei. Was hatte Aline ihr beim Abschied ins Ohr geflüstert, damit nur niemand ein Wort aufhorchen konnte? „Wir sehen uns diesen Winter in Berlin! Ich habe mit deinem Vater gesprochen — er muß es noch mit sich verarbeiten er gibt nach verrate nicht, daß ich geplaudert habe große Dinge bereiten sich vor ich habe versprochen, dir nicht mehr zu schreiben laß alles seinen Gang gehen, bohre nicht! Adieu auf Wieder- sehen!" Dann war sie in den Wagen gesprungen und hatte ihr nur noch einmal lustig zugenickt. Ja, war es denn möglich? Ja, wo hatte nur Aline die Tollkühnheit her genommen? Und wann war sie denn mit ihrem Vater je so lange allein gewesen, um ungestört über so himmel stürmende Dinge zu verhandeln? Doch, einmal kam Eva mit ihrer Mutter aus Barken heim und sand Aline mit dem Vater allein im Garten. Sie hatte nur gerade noch gehört wie Aline sagte: ich schreibe Ihnen sofort! Ihr waren die Worte wohl momentan aufgefallen, aber sie meinte damals, sie müsse sich verhört haben, und hatte nie weiter darüber nachgedacht. Jetzt erinnerte sie sich ganz lebhaft, daß ihr Vater an dem Abend keinen Happen gegessen und sich gleich nach Tisch hatte zu Bett bringen lassen — ihm war nicht ganz wohl gewesen. Also ihr armer kranker Vater plagte sich so einsam wie sie mit ihren innersten Angelegenheiten ab er zog auch überhaupt nur in Erwägung, daß sie an Berlin dachte! Daß es dazu wirklich kommen könnte, das war ja einfach ganz unmöglich. Aber es griff Eva ins tiefste Herz, daß der Vater sich überwandt und damit rechnete. Zum erstenmal schien es ihr auch von sich aus eine pure Unmöglichkeit, den kranken Vater allein zu lassen — so herzlos konnte sie doch gar nicht sein. Das war ja alles nur so Phantasterei — Aber gut, großartig war es doch von Aline, daß sie so heimlich für sie die Bahn frei zu machen gesucht hatte — ganz großartig, und sie würde auch. . . „Wollen Sie sich erkälten Eva — warum nachtwandeln Sie, wo alles tanzt?" Konrad Kauffmann lehnte in der Apothekentür. Eva schrak auf. „Tanzen Sie denn eigentlich gern, Konrad?" „Js mir sehr Wurst, aber wenn ich jemand damit 'n Vergnügen machen kann! Es sind ja so schon immer so wenig Tänzer, und die Mädchen wollen doch ein bißchen hopsen!" „Sie tanzen also aus Gutmütigkeit?" Ja — ich opfere mich, und es bekommt mir ganz gut, wie das Opfern überhaupt nicht das Undankbarste ist." „Meinen Sie? Ich denke das Sichopfern ist sehr schwer" . . . „Das hängt vom Charakter ab." „Und ist das undankbarste Geschäft — sagt der Vater sonst immer." „Bewahre, Evchen! Wenn Sie sich opfern wollten und meine Frau werden, so" . . . „Ach mein Konrad, pfui — was hatten Sie ver sprochen ...!" „Ruhig, ruhig — ich habe ja nichts gesagt — kommen Sie, wir tanzen jetzt zusammen!" Er bot ihr den Arm, um sie hineinzuführen, und sie tanzten in der Nacht noch auffallend viel zusammen, so daß Tante Alexandra wütend umherflügelte, und endlich zu Frau Kauffmann sagte: „Du könntest auch ein bißchen Rücksicht auf uns nehmen und deinem Jungen sagen, daß er sich etwas mehr fern von Eva hält — ein junge» Mädchen ist leicht kompromittiert" . . . Frau Kauffmann sah ihre alte Freundin eine Weile