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Nr. 77. Zweites Blatt. Sonnabend, 1. Juli 1905. Preisrätsel, a a a a a a a b b b c c d d d d eeeeeeeee eeeeeeeeeee ehhhhggggggst h h h i i i i i i l , I l l l l l llmmnnnnnnn nnnooprrrrr s s s s s s s t t t t t t t t t t u u u u u w w Die Buchstaben der beistehenden Figur sollen derartig geordnet werden, daß die wagerechte und senkrechte Mittellinie gleichlautend ein Sprichwort nennt. Die erste und letzte Reihe besteht aus je einem Buchstaben. Die übrigen Reihen bezeichnen, aber in anderer Reihenfolge: ein Fahrzeug, eine Kopfbedeckung, ein Land in Deutschland, ein Kleidungsstück, einen Vogel, eine Stadt in Sachfen, eine Stadt in Baden, einen Zeitabschnitt, einen militärischen Rang, ein Gewächs, einen Nebenfluß der Donau und einen Vogel. Für die richtige Lösung des Preisrätsels setzen wir eine Bücher-Prämie aus, und zwar wird unter den jenigen richtigen Lösungen gelost, die bis Mittwoch mittag in der „Redaktion des Wilsdruffer Wochenblattes" mit der Aufschrift: „Preisrätfellösung" eingegangen sind. Um Unzuträglichkeiten bei der Auswahl der Gewinne zu vermeiden, muß die Lösung außer dem Namen und Wohnort auch die Altersangabe des Ein senders enthalten. Betrachtung ZUM 2. Sonntag nach Trinitatis. Luc. 14, 22. Es ist aber noch Raum da. So spricht in dem für den zweiten Sonntag nach Trinitatis zur Predigt verordneten Gleichnis vom großen Abendmahle der Knecht, der von seinem Herrn ausgesandt ward, anstatt die zuerst geladenen Gäste, die sich alle ent schuldigt hatten, andere zu laden. Er war hinausgegangen auf die Straßen und Gassen der Stadt und hatte herein- geführt, welche er gefunden, Arme, Krüppel, Lahme, Blinde. Als er aber seinem Herrn darüber berichtet: „Es ist ge schehen, was du befohlen", darf er eben unser Wort hinzufügen: „Es ist aber noch Raum da." In dem Munde dieses Knechtes sollte es eine verhüllte Frage sein, des Inhalts: „Herr, soll ich noch einmal ausgehen und noch mehr Gäste herzuholen?" In dem Munde der Diener Gottes in unserer Zeit aber hat es andere Bedeutung. Da ist's nicht eine Frage, wohl aber eine Klage vor ihrem Herrn, eine Anklage wider die Verächter der Kirche. Da erheben sich in den einzelnen Kirchspielen die freund lichen Gotteshäuser, ost äußerlich und innerlich herrlich geschmückt, so daß bet ihrem Anblick unwillkürlich das Psalmenwort auf die Lippen tritt: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth." Gottes Wort schallt lauter und rein darin, die Sakramente werden reichlich gespendet und die Glocken rufen Junge und Alte, Männer und Frauen zur Sonntagsfreude in dem Herrn, zur Erguickung l^uem Angesicht, zur Labung ihrer Seelen an Gottes Sollte man nicht denken, daß die Gottes- 1 und festtäglich gefüllt würden bis auf den letzten Platz. Aber — Gott sei's geklagt —, es ist noch Raum da, oft sehr, sehr viel Raum, besonders in dieser Sommerszeit. Es muß einem treuen Jünger Jesu in der Seele weh tun, wenn ersieht, wie die Kirchen-und Ad end- mahlsbesucher mit jedem Jahre weniger werden. Die treuen Alten, die zur Kirche hielten, sterben ab, das jüngere Geschlecht aber folgt ihrem löblichen Beispiel nicht nach. Nur zu einem kleinen Teil fühlt man in unseren Gemeinden noch das Bedürfnis nach sonntäglicher Erbauung inmitten der feiernden Gemeinde. Die einen haben keine Zeit. Geschäft, Wirtschaft, häusliche Arbeit, die man auf den Sonntag verschiebt, nehmen sie zu sehr in Anspruch. Die anderen sind zu beguem und müssen sich am Sonntag pflegen. Und wieder für andere ist der Sonntag zu nichts anderem da, als um spazieren zu gehen oder zu radeln und sich einen lustigen Tag in fröhlicher Gesellschaft zu machen. Arme Leute, die nur in den Dingen dieser Welt aufgehen und darüber die ewige Welt verlieren; und undankbare Leute, die durch den Besitz eines Gotteshauses in ihrer Mitte vor vielen tausenden bevorzugt sind, aber solcher Gnade sich nicht würdig erweisen, kurzsichtige, leicht fertige Leute, die nicht daran denken, daß der Herr seinen Gnaoentisch nicht ungestraft fortgesetzt mißachten läßt! Gehörst du auch zu ihnen, lieber Leser? Wenn am kom menden Sonntage wiederum die Glocken laden, wirst du dich auch wieder zu ihnen gesellen und die Predigt und Gottes Wort verachten? O, laß dir's als Wort zum Nachdenken ins Gewissen schreiben: „Es ist noch Raum da." Laß dich dadurch mahnen, fleißig zum Hause des Herrn zu wallen und nicht allein, sondern die Deinen, dein Weib, deinen Mann, deine Kinder, dein Gesinde auch dahin mitzunehmen, auf daß sein Haus voll werde. Was aber wirst du als Segensfrucht alsdann wieder mit heimnehmen? Es sei dir wiederum gesagt mit dem Worte: „Es ist noch Raum da". Damit ist ja gleichzeitig der ganze Trostinhalt evangelischer Predigt gekennzeichnet. Es ist Raum an Gottes Gnadentafel für alle, die da kommen. So viel Millionen daran sitzen, den Hunger und Durst ihrer Seelen zu stillen, es finden doch noch alle, die sich laden lassen, Platz und Speise für ihre Seelen. Auch du, lieber Christ. Wer zum Herrn kommt, den wird er nicht Hinausstoßen und hielt er sich auch für noch so gering, für noch so schuldbeladen und der göttlichen Gnade unwürdig. Er darf zu seiner Seele sprechen: Du hast ein Recht zu solchen Freuden, durch Gottes Güte sind sie dein. Denn dazu mußte Christus leiden, damit du könntest selig sein. Ja Raum an Gottes Gnadentafel, weil Raum an seinem Herzen ist für alle Sünder, weil sein Herz so weit und groß ist, daß er will, daß allen Menschen geholfen werde. Diese Gewißheit aber aus dem Hause Gottes wieder mit binausnehmen, so aus Gottes heiliger Liebesfülle nehmen Trost und Hoffnung, Fried' und Freude, Kraft und Leben, das ist ein herrlicher Segen. Diesen Segen im Herzen, arbeitet sich's in der Woche ganz anders, leidet sich's anders, als wenn man nur diese Welt kennt. Ja, selbst, wenn endlich die Stunde naht, wo die Erde ihre Pforten gänzlich für uns zuschließt, wandelt man fröhlich den dunklen Weg des Todes in dem Hoffnungsblick auf die himmlische Hochzeitstafel, der man entgegen geht und tröstet sich: Es ist noch Raum da. Auch dir ist droben ein Plätzlein bereitet. Wohl dir, du hast es gut. Ja nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit, lobt ihn mit Schalle, werteste Christenheit. Er läßt dich freundlich zu sich laden, freue dich, Israel, seiner Gnaden. Die Heirat -es Königs Äleran-er von Serbien mit Draga Maschin. Jetzt erscheint im Verlage von S. Hirzel in Leipzig ein Buch, das von sich reden machen dürfte: „Das Ende der Obrenowitsch von Dr. Wladan Georgewitsch, ser bischem Ministerpräsidenten a. D. — Der Verfasser war mehrere Male Minister und wurde 1897 zur Bildung eines neutralen Kabinetts berufen, in dem er neben dem Präsidium das Aeußerere übernahm. Im Juli 1900 auf einer Urlaubsreise begriffen, erfuhr er in Zürich die Ver lobung des Königs Alexander mit Drage Maschin, wo rauf das Ministerium Georgewitsch, da es die Verlobung mißbilligte, demissionierte. Infolge dieser Vorgänge entstand zwischen dem König und Herrn Georgewitsch eine Miß stimmung, die sich zu heftiger, persönlicher Feindschaft steigerte, einmal auch zu einer öffentlichen Polemik voll Bitterkeit und Haß führte und den serbischen Diplomaten zwang, bis zur Ermordung des Königspaares seinen Aufenthalt im Auslande zu nehmen. Im 21. Abschnitt des Buches schildert Wladan Georgewitsch die Umstände, unter denen er auf der erwähnten Urlaubsreife die Vorgänge in der Heimat erfahren hat. Sein Vertreter daheim war Peter Wukaschin, der das Finanzportfeuille innehatte, und dieser übergab im Oktober 1900 Herrn Georgewitsch das Tage buch, das er in den kritischen Julitagen geführt hatte. Diesem interessanten zeitgeschichtlichen Dokument sind die nachfolgenden Auszüge entnommen: 6. Juli 1900. Nach dem Dejeuner führte mich der König in das Zimmer, welches seinerzeit das Boudoier der Königin Natalie war, und sagte mir: „Ich hätte Ihnen etwas sehr Wichtiges mitzuteilen; etwas, wovon meine Zukunft, mein Leben, mein Schicksal abhängt. Vorerst muß ich Ihnen Vorwürfe machen wegen Ihrer Demission, welche Sie mir durch Andra zugestellt haben. Unsere Be ziehung sind nicht solcher Art, daß Sie durch mein Benehmen verletzt werden können. Wir sind schon lange gute Freunde und dürfen nicht wegen Kleinigkeiten empfindlich werden. Nicht bloß, daß ich nichts gegen Sie habe, sondern im Gegenteil, ich bin mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden. NM, ich werde Ihnen alles sagen, aber vorerst müssen Sie mir auf dieses Heiligenbild schwören, niemanden etwas davon zu sagen, was Sie jetzt erfahren werden!" — Wukaschin: „Majestät, ich glaube nicht an die Heiligenbilder. Ein Schwur darauf würde mich zu gar nichts verpflichten." — Der König: „Dann schwören Sie beim Andenken Ihres verstorbenen Sohnes!" — Wukaschin: „Dieses Andenken, Sire, ist mir sehr teuer, aber kann nicht als Grundlage für einen Schwur genommen werden." — Der König: „Dann geben Sie mir Ihr Ehrenwort, daß Sie schweigen werden!" — Wukaschin: „Sehr gerne, aber erst, wenn ich gehört haben werde, was Majestät mir zu sagen haben. Kann ich dann ohne Pflichtverletzung schweigen, werde ich es tun. Aber Majestät wissen, daß ich jetzt auch den Regierungschef vertrete, und ich kann nicht versprechen, daß ich meine Pflecht nicht tun werde." — Der König sprang auf, und mit dem Gemurmel: „Dann habe ich Ihnen Goldsucher. Roman von Edela Rüst. (Nachdruck verboten.) „Mit wem etwa? ^ante Alexandra setzte sich kampfbereit zurecht, daß ihre Kopfgarmtur ordentlich Sturm läutete. „Darüber sind doch hier alle einig — mit Konrad Kauffmann." „Unerhört — unerhört! Un . er . . hört! Wer erlaubt sich darüber einig zu sein? „Mama sprach davon — man soll ste hier längst für heimlich verlobt halten! , , , „ „Bei uns, bei den Coßnitz' gibt es keine heimlichen Verlobungen — bitte sage das jedem, der dieses Thema vor dir anschlagen sollte!" „Also nicht? Nun — es ist ja wohl keine Beleidigung — Konrad Kauffmann ist die beste Partie im Umkreis, und er selbst kann sich am Ende sehen lassen. Ich glaube, es nähme niemand übel, ihn als Schwiegerson zu be kommen -- frage mal Mama, wie sie dächte, falls er Aline haben wollte!" Alexandra von Coßnitz wollte nicht zu persönlich be leidigend werden, darum zuckte sie nur recht eindringlich mit den Schultern (obgleich sie es ungern tat, denn sie hielt es nicht für guten Ton) und sagte gedehnt: „Wir haben mit Eva ganz andere Pläne." „Eva denkt aber vielleicht an euch vorbei —da stehn ste beide ein Herz und eine Seele!" Tante Alexandra kochte über. Hätte sie nicht ganz sicher gewußt, Eva würde nicht auf ste hören, sie hätte sie einfach von Kauffmann fortgeholt, so empörte sie der Anblick. Jetzt bot Kauffmann gar Eva den Arm, und sie gingen nun lachend durch die Zimmer, fortwährend von lachenden Gruppen angehalten und umringt. Und Fräulein Blücherhilde Kleistrine Jorkelinde von Jtzenau (ste führte diese nicht ganz; gewöhnlichen Namen zum Andenken der Helden des Befreiungskrieges) rannte aufgeregt hinter Frau Stresin her, hielt sie am Arm fest und stotterte: „S . . s .. s .. st .... sind sie v ... v ... v .. . verlobt?" Blücherhilde Kleistrine Jorkelinde war über die ersten Vierundzwanzig hinaus, und mit ihrer kurzen, dicken Taille und dem dunkeligen, etwas zinnoberroten Gesicht gerade keine Schönheit, aber sie war ein gutmütiges Ding, freute sich an anderer Leute Verlobungen, wie ste sich über ihre eigene gefreut hätte, und stotterte eigentlich nur, wenn ste seelisch erregt war. „Wer denn?" lachte Frau Stresin, die in ihrem schweren, gelben Brokatkleide und dem schneeweißen, welligen Haar mit der kostbare« Aigrette, wie ein aus dem Rahmen ge stiegenes Bild aussah. „N . . . na . . . Eva Co . . . Co . . . Coßnitz u ... u ... und Ko ... Ko .. . Konrad K . . . K . . K . . . Kauffmann?" ,„Ja Kinder — ich kann es euch nicht sagen offiziell ist es immer noch nicht, soviel ich weiß. Aber die Coßnitz wird es ja wissen." Blücherhilde Kleistrine Jorkelinde flog also auf Tante Alexandra los: „S ... s ... s... sind sie verlobt?" Alexandra machte ein Gesicht wie aus Stein gehauen: „Wer . - .?" schrie sie fast. „N ... n . . . n . . . na E. . . E . . . Eva u . . . u . . . und Ko ... Ko . . Konrad Kau. . ." „Ich denke, ganz X. weiß, daß Konrad Kauffmann bei uns wie Kind im Hause ist — Eva verkehrt mit ihm wie mit einem Bruder, weil er Pauls bester Freund ist und seine Mutter meine älteste Freundin. Also woher kommt dieses alberne Geschwätz von dem Verloben oder Verlobtsein? Ich verbitte mir das in meines Bruders und Evas Namen, und bitte Sie, verbreiten Sie das im Saal liebe Hilde." Wie eine rumorende Gewitterwolke stand Alexandra vor Blücherhilde, die verschüchtert in sich zusammenknickte und nach schwachen Rehabitierungsversuchen davonstob, um es den weitesten Kreisen mit enttäuschter Miene zu offenbaren, daß es mit der Aussicht aus eine vergnügte Hochzeit vor läufig nichts sei. Nach so energischer Widerlegung mußte man nun wohl ernsthaft daran glauben. Man tanzte in drei Zimmern, auf der Diele war das Büfett aufgestellt. Man hatte bereits an kleinen Tischen zu Zweien und zu Vieren soupiert, und es war neben guten anderen Weinen auch schon reichlich Champagner geflossen. Die Apotheke mußte eine wahre Goldgrube sein, denn Stresins konnten, was niemand im Umkreis so leicht konnte. Bei ihnen gab es im Jahre drei große Lustbar keiten mehr als anderswo, ja sogar im Sommer, ehe die allgemeine Reisezeit anbrach, öffneten ste ihren kleinen Garten, um das staunende Publikum durch einen dal parö mit italienischer Nacht zu entzücken. Man amüsierte sich stets bei Stresins. Trotz aller Würde und Pracht herrschte eine heitere Ungezwungenheit, die sonst so leicht in der provinzialen Steifheit nicht aufkam. Herr Stresin trug sicher nichts dazu bei als die finanzielle Deckung. Er war ein kleiner hagerer Mann, mit einem pärlichen blasse« Gesicht, das wohl bei passenden Gelegenheiten freundlich lächeln konnte, dem man aber doch eine gewisse innerliche Abwesenheit bei solchen Vergnügungen deutlich anmerkte, wenn man sich überhaupt mit ihm beschäftigte. Niemand unterließ dies, der irgendwie in geschäftlichen Angelegen heiten oder Krisen pendelte. Stresin galt eben für ein Geschäftsgenie — vielleicht war er davon allmählich so dünn und so blaß geworden, und in gegebenen Momenten so erregbar und hitzig. Zwischen den Ehegatten schien jedenfalls alles eitel Sonne. Vor versammeltem Volke nahm sie stets alle nur erdenkliche Rücksicht auf ihn. Unter vier Augen allerdings hörte er auf, einen Willen ihr gegenüber zu haben; da herrschte sie als erbarmungsloser Tyrann. Da war er ganz dunkles Nichts und sie ganz Generalstochter. Er hatte es auch wohl von vornherein nicht anders erwartet und sich mit Anstand in die Rolle gefunden. Hatte er doch