Volltext Seite (XML)
»NN tage eingeladen, machet ihm die Bahn. Nehmt ihn ein, so wird sein Schein euch mit Licht und Heil erfüllen und den Kummer stillen. Amerikanische Frauen. Vor einigen Jahren wurde im New-Aorker Millionen viertel Hochzeit gefeiert. Die Braut war eine der großen Erbinnen des Landes, und um sie zu sehen, prügelten sich vor den Kirchentüren Zehntausende von Frauen unter einander und mit Polizisten. Eine ähnliche Amazonenschlacht wurde gestern unter den Mauern des Schwurgerichts geliefert. Nicht um eine Millionenbraut, sondern um eine dicke, dumme Dirne mit blöden, blauen Augen zu sehen, liefen Tausende von Frauen gegen die Reihen stämmiger Polizisten Sturm, rissen einander Hüte wie Blusen und einem Richter die Amtsrobe vom Leibe. Aus dem Saal mit Schutzmanns knütteln vertrieben, belagerten sie das Gebäude, standen bis in die Nacht, brachten der des Mordes angeklagten Dirne bei ihrem Rückweg zur Zelle ein „Hoch" und umkreischten die Geschworenen mit der Mahnung „Befreit Nan!" Physischer Ekel machte es unmöglich, dort Gehörtes zu erzählen und legte den Gedanken auf" ein appetitlicheres Thema zu kommen, nahe. Indessen wir müssen hier von Nan Patterson reden, um zu untersuchen, was die Neugier und Sympathie amerikanischer Frauen erregt. Cäsar Joung, der von Hasardspiel und Rennbahn wetten gelebt, wird mit zwei Lot Blei unter der fünften Rippe tot in einer Droschke gefunden. Neben ihm sitzt seine Maitresse Nan Patterson, eine frühere Ballettratte. Den noch rauchenden Revolver findet ein die plötzlich auf belebtem Broadway haltende Droschke besteigender Polizist in der Rocktasche des Toten. Die Waffe ist tags zuvor gekauft und bezahlt worden — nicht von Joung. Dieser hat vor zehn Minuten dem Kutscher eingeschärft, so schnell wie möglich zum Hafen zu fahren. Dort wartete Joungs Frau auf einen Dampfer, um mit dem Gatten eine Europa- reise anzutreten. Freunden hat der wohl zweifellos Ermordete gesagt, er fahre nach England, um so und so viel hundert Seemeilen zwischen sich und seine Maitresse zu lege». Sonst könne er sie nicht loswerden. Vor dem Richter ward das Lebensbild beider Mit wirkenden in diesem abschreckenden, im Rinnstein und auf dec Rennbahn spielenden Drama entworfen. Der geistig normal veranlagte Leser konnte den endlosen Gerichtsver handlungen kaum mit Interesse folgen, die trotzdem nicht nur Seiten, sondern Bogen der Zeitungen füllten. Sym pathie konnte weder der Mann noch die Frau erregen, die beide kraft- und charakterlos sich von den trüben Wellen des Großstadtschmutzes durchs Leben treiben ließen. Keine Tragödie hatte ihrem inhaltslosen Zusammensein ein Ende gemacht. Denn Leidenschaft, die Mutter des Verbrechens, wohnte nicht mehr in den beiden. Moralische Verkommen heit hatte sie erstickt, und wohl Zufallslaune einer brutalen Natur drückte der Dirne den Revolver in die Hand. Nur jungen, naiven Leuten allenfalls konnte das Milieu von Luxus und laxer Moral fremd und verführerisch sein, in welches uns die Schilderungen der Orgien des Paares führten. Trotzdem schien gerade der Anblick dieses beständigen Taumelns von alkoholischer zu sinnlicher Trunkenheit, der Duft von Whisky, Rennstall und Courtisanenboudoir daS Gemüt nicht nur der Bevölkerung einer Großstadt, sonder» eines Landes zu faszinieren. Diese beiden dumpfen, stumpfen und wirklichen Lebens genusses unfähigen Kreaturen, die ihre abgestorbenen Sinne abendlich mit dem Inhalt der Flasche wachriefen, werden zu Helden und Repräsentanten der,,vis so roux«". Dem aus beständiger alkoholischer Bewußtlosigkeit in endlich dauernden Schlummer beförderten Buchmacher ward von Freunden, Verwandten und Bewunderern ein Denkmal gesetzt, auf dem, ich weiß nicht welche deplacierte Göttin die umgestürzte Fackel hält. Nan Patterson aber sprach die öffentliche Meinung den Heiligenschein der Märtyrerin zu! Dieselbe vielköpfige Richterin erließ ihr Verdammungs urteil über den Staatsanwalt, der im Namen des Staates ihr Leben forderte- „Tausendmal", schrieb man, „hat sie unter seinen rüden Worten gesühnt, was sie vielleicht ver brochen hat." Unter solchen Umstünden sollte die Jury daS letzte Wort sprechen. Nun gibt es zwei Fälle, in denen sich amerikanische Geschworene fast nie auf ein Todesurteil einigen: wenn ein Gatte durch Mord oder Totschlag die verletzte Ehre seines Hauses gerächt hat, und wenn eine Frau den Mann tötet, der unlautere Beziehungen zu ihr unterhielt und sie nun abschütteln will. In dieser Lage war Nan Patterson. Darum traten Geschlechtsgenosstnnen jeden Standes und jeden Alters für sie ein. Keine erinnerte sich, daß Nan nicht etwa ein verführtes junges Mädchen, sondern eine verheiratete Frau war, die sich dem Buchmacher an den Hals geworfen, ihren Gatten aber betrogen und verlassen hatte. Und wohl aus demselben Grunde konnte sich die Jury nicht entsprechen, sie „schuldig" zu sprechen. Da der Staat die Kosten eines vierten Prozesse- scheuen dürfte, wird die Angeklagte vermutlich der Frei heit und der amerikanischen Bühne zurückgegeben werden. Dafür, daß sie auf dieser eine Zugkraft ersten Range- wird, bietet die Denkweise ihrer Geschlechtsgenossinnen Gewähr. Dem Fremden ist nur unverständlich, wie die ameri kanische Frau, als Individuum so bezaubernd, liebenswert, graziös und reizvoll, in der Masse so unweiblich auftreten kann. Erst unlängst habe ich auf einem transatlandischen Dampfer beobachten können, wie leicht und schnell sie Be wunderer und Hochachtung findet. An Bord waren Herren unserer besten heimischen Gesellschaft, die gewiß nicht zum ersten Male vor schöne und wohlerzogene Frauen, wohl aber vor Amerikanerinnen traten. Die meisten sprachen wenig Englisch, aber Sie hätten sehen sollen, mit wie charmant liebenswürdiger Geduld die fremden Damen sich bemühten, ihr Radebrechen zu einer Unterhaltung zu ge stalten. Und wie verstehen sie, frank, frei, ohne Zimper lichkeit den Mann mit allen seinen Schwächen zu nehmen und die Laune zu halten! Da war eine junge Frau auS San Francisco, gewachsen, wie sie dort alle sind — so hoch, groß und schön, daß man, wenn sie mit ihrem allge meiner Bewunderung sicheren Lächeln den Eßsaal betrat, immer die Klänge des Pariser Einzugs- oder eines anderes Siegesmarsches zu hören glaubte. Den beiden jungen Leutnants, die um die Welt fahren, sagte sie beim Ab- PreisrLtsellösung. i v Es gingen 85 richtige Lösungen ein und zwar auS Wilsdruff 38, Grumbach 16, Huhndorf und Röhrsdorf ,e 5^ Limbach 4, Blankenstein 3, Sora und Kaufbach je 2, Kleinichönberg, Steinbach b. H., Herzogs walde, Meißen, Helbigsdorf, Birkenhain, Klipphausen, Kesselsdorf, Lampers- doff und Schmiedewalde je 1. Gezogen wurden die Losungen Nr. 8 und 41, und zwar 1. Karl Schubert, Wilsdruff. 1. Gewinn: Der letzte Mohikaner. Eine Erzählung aus dem Jahre 1757 von James Feniore Cooper. Bearbeitet von Frau Professor L. Bernhardi. Mit 5 feinen Farbendruckbilveru nach Aquarellen von Ränicke und Pasedach. 2. Guts besitzer Curt Schubert in Kleinschönberg. 2. Ge winn: Otto von Bismarck. Ein Lebensbild. Dem deutschen Volke gewidmet von Karl Strecker. Mit vielen Illustrationen, darunter 30 Originalaufnahmen aus dem Bismarkmuseum in Schönhausen. Betrachtung zum Pfingstfest. Apostelgesch. 1, 5. Ihr aber sollt mit dem heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. Diese große Verheißung des auffahrenden Herrn wird an Pfingsten erfüllt: in Jerusalem wird der heilige Geist ausgcgoffen auf die Jüngerschar. Mag Israel zu Pfingsten mit Freuden die Gesetzgebung auf Sinai feiern, mit größerer Freude feiern wir an diesem Fest Vie Gnade Gottes, daß der Strom des heiligen Geistes, welchen der zum Himmel erhöhte Heiland und Herr über seine Apostel ausgoß, noch nicht versiegt ist, sondern immerdar in der Kirche Jesu Christi denen gegeben wird, die an ihn glauben. Mit Recht erfüllt uns höhere Freude, denn größerer Gnade werden wir in der Gemeinschaft des Herrn ge- würdigt, als einst Israel zur Zeit des Alten Bundes; die Gnadengabe des heiligen Geistes ist kräftiger und wirk samer, als das Gesetz. Das Gesetz gebietet nur und fordert, aber es gibt nicht, was der gefallene und durch den Fall ohnmächtig gewordene Mensch bedarf; der heilige Geist ist der Geist der Kraft und gibt als solcher Leben und Kraft zum göttlichen Wandel, den das Gesetz mit seinem Drängen und Treiben nicht erzeugt. Das Gesetz ist nur ein äußerer Buchstabe, der in das Herz nicht ein- dringt, es zu erneuen; das tut die Gnade des heiligen Geistes allein. Das Gesetz droht mit einer Strafe den Ucbertretern; der heilige Geist hilft den Uebertretern zur Gnade der Sündenvergebung. Das Gesetz ist nur ein Zuchtmeister auf Christum; der heilige Geist eignet alles Heil des Heilandes den Gläubigen zu. Wie sollten wir uns also nicht freuen mit heiliger Freude am Freudenfeste der heiligen Pfingstzeit! Wie sollte Preis und Lob und Dank mir Herz und Mund nicht erfüllen, da auch ich in der Gemeinschaft Christi berufen bin, den heiligen Geist Zu empfangen, der überall weht und waltet in der Kirche unseres Herrn Jesu Christi; und dessen Gnadenwirkungen auch mich schon berührt haben! — Pfingstenist wiederein großer Tag, den der Herr uns gemacht hat; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein! Schmückt das Fest mit Maien, lasset Blumen streuen, zündet Opfer an; denn der Geist der Gnaden hat sich X. ke und ns ge- schnippisch. „Der Vater hat Deine 8000 Taler auch ge brauchen können." „Aber wir hatten uns lieb, Du Naseweis." „Na ja doch!" klang es zweifelnd von der Jüngsten Lippen. „Mama," sagte Ginchen traurig vom Fenster her, „es hört auf zu regnen." „Natürlich! jetzt wird es schönes Wetter!" meinte Linchen bitter. „Ach Kinder, ich glaube wir verzichten auf den ganzen Ausflug!" schlug matt die Mutter vor. Tante Grete wackelte mit ihren Papillotten. „Seid Ihr komisch! Als wenn's nix Anderes auf der Welt gab' als Mannsbilder. Lieber Gott — ich bin dreimal ver- heiratet gewesen. — Nun bin ich wieder Witwe — na zum vierten Mal fall' ich nich' rein, das sag ich Euch!" Neidisch sahen die Mädchen auf die dicke Tante. Eine so häßliche Frau — hatte drei Mal einen Mann bekommen. — Drei Männer — und von ihnen bekam nicht Eine Einen. Da fragte Linchen keck: „Wie hast Du Deine Seligen eigentlich rangekriegt?" Tante Grete schien doch etwas pikiert. „Na auf Pücknixen nich', mein Dochter!" meinte sie spitz. „So dick und greulich war ich auch nich' immer wie jetzt. Mein erster hat mich eben gern gehabt. Und die Annern na da war ich eben schon eine vernünftige, fleißige Frau und hatt' meine Wirtschaft in Ordnung. So, nu schreibt's Euch hinter die Löffel!" Dinchen streichelte ihr die Wange. Sie wollte eS mit der Tante doch nicht ganz verderben. . Ginchen begnügte sich mit einem resignierten Seufzer. Linchen aber trommelte gegen die Fensterscheibe. In ihr war noch nicht Alles Resignation. „Du lieber Gott", sagte sie, „nicht jeder kann sich mit Schweinemästen und Mistgeruch zufrieden geben! Ma» will doch auch etwas vom Leben haben. Wie hab ich mich aufs Pfingstfest gefreut! Und jetzt ist'- wieder Essig Nichten zogen Gesichter. Tante Grete lächelte breit. Sie verstand sv gut, was in den Seelen der „Sitzengebliebenen" vorging. Die Mädels taten ihr auch leid; doch hielt sie es fürs Wich tigste, ihnen gleich reinen Wein einzuschenken und so be gann sie ihre Ansichten über die jungen Leute auszukramen. Da war der Referendar — ein guter Kerl — aber ein armer Schlucker; dann sein Intimus: der Bergmann; na, das war so Einer! Dem saß das Geld lose in den Taschen. Der mußte sich schon beizeiten nach einer reichen Partie umsehen. Dann blieb noch der dicke Walter. Freilich, der wäre zum Ehemann geschaffen gewesen. Doch da gibt's leider auch ein Aber. Der hatte noch eine Mutter und vier Schwestern auf dem Halse. Also Hand von der Butter. Der Damen Gesichter wurden immer länger. In ihre süß-wehmütigen Träume hinein klang der rauhe Ton der Wohnungsklingel. „Ein Brief! Ein Brief!" schrie Linchen ins Zimmer hüpfend, „Tante für Dich!" „Na gib her, Du Kindskopf. Aha vom Ottokar. (Dies war der Referendar.) — was will denn der Bengel? aha, raspelt Süßholz bei dem schlechten Wetter leider auf die Ehre und das Vergnügen verzichten müssen Blech! Aha, da kommt's — fahre mit meinem Freund nach — unter uns: Freund Bergmann plant so etwas wie eine Verlobung reiche Parie seine Familie Hat der Kerl ein Schwein na ich werde mich auch umsehen, ob ich mir nicht ein Goldfasänchen kapern kann." Tante Grete lachte. „So Mädels, da habt Ihr die Pastete — klipp und klar: auf Euch fällt keiner rein!" Die Doktorin seufzte elegisch. — „Die armen Kinder. Ach, es ist ein Kreuz! Wer will heutzutage noch ein mittel- loses Mädchen heiraten?!" „Na, früher war's auch nicht besser!" meinte Linchen vn :n, 80 K- en äs vir rr- i» :n- pfingstwetterlauncn. Skizze von S. Halm. Pfingsten war's und das übliche Feiertagswctter; das heißt: es rieselte vom Himmel, Bindfäden gleich. Frau Doktor Wacklich schaute verzweiflungsvoll ins Bleigrau hinauf, das ihre letzten Hoffnungen zu Wasser machte. Wau Doktor war nämlich Mutter dreier, sehr er- wachsener noch immer lediger Töchter. - - Das sagte alles- ^chen, Ginchen, Linchen zählten fitzt schon 27, 26 und 24»/. Jahr und noch immer waren sie „junge Mädchen." Dieses Frühjahr hatte es sich nun so schön angelassen. Tante Grete war von ihrem Gute herübergekommen - und m Mem Gefolge war ein Patenkind, ein Referendar erschienen. Dieser Referendar hatte Dok tors wiederum mit etlichen seiner Freunde bekannt gemacht und so war in die Herzen Ler Damen neue Hoffnung ein gezogen, eine Hoffnung, die ins Kühne ausartete, als Tante Grete gar einen Pfingstausflug vorschlug, an dem die jungen Herren auch teilnehmem sollten natürlich bei günstiger Witterung. Und jetzt — o Tücke des Schick sals! — regnete cs vom frühen Morgen an, ununtrr- brochen — gleichmäßig. — Dinchen, Ginchen, Linchen vergossen bereits heimlich Tränen; die frischgestärkten Mullkleider hingen wie ein Hohn auf das Wetter an der Garderobe. Die Mutter seufzte: „Es ist nichts mit der Tour, Kinder. Wenn nur Tante Grete erst wach wäre und man sich beraten könnte — — vielleicht, daß man etwas anderes arrangieren könnte!" - Da erschien Tante Gretens papillottenumrahmter Kopf. „Kinderkens, es gießt! Nanu Dinchen — Du heulst? Mach' Dir nix draus Mädel! Die Herren beißen doch nich' an, sind alle Windbeutels So war Tante Grete. Was sie dachte, sagte sie. Die e B-i- r. 23- u. bmiät. li>e. nachm. Nr. 69. Zweites Blatt. Sonnabend, 10. Juni 1905.