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Siebenlelm und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. ^7 Z. Tagesgeschichte. Die Berliner Blätter bringen an der Spitze ihrer Nummern die üblichen Neujahrsbetrachtungen. Bemerkenswcrth dürfte sein, was die „Nordd. Allg. Ztg." über dieses Thema schreibt. Sie sagt: Das Betreten eiucs neuen Jahres ist für den denkenden Menschen stets eine Mahnung, um sich zu blicken und mit ernstem Sinne die Aufgaben zu erwägen, welche der neue Abschnitt der Zeit für ihn in seinem Schooße birgt. Bilden doch die einzelnen Jahre die Mark steine an dem Lebenswege der Individuen sowohl als auf dem der Nationen, und ein untrügliches Zeichen sittlichen oder materiellen Nie derganges ist cs bei diesen wie bei jenen, wenn diese Steine die Zeu gen einer unthätigen, nur den Wandel der nagenden und zerstörenden Zeit bekundenden Existenz zu werden beginnen. Das deutsche Volk ist in den letzten Jahren vor Allen begnadet gewesen, eine neue kräf tige Jugendblüthe aus den morschen Trümmern seiner Vergangenheit erblühen zu sehen. Die Hochherzigkeit seiner Monarchen, die Weisheit seiner StaatSienker, die Treue und Tapferkeit seines Volkes bat wie im Fluge die kühnsten Träume seiner Patrioten verwirklicht; einig und frei hat es sich wie ein Phönix aus der Asche der Zersplitterung er hoben und stark und mächtig nimmt cs heute seinen Platz ein im Rathe der Völker, deren Thatkraft und Verständniß die Zukunft ge hört. Diesen Platz zu behaupten, ihn würdig auszufüllen, im vollen Umfange der großen sittlichen Ausgabe des deutschen Stammes gerecht zu werden, das ist nun Pflicht der Nation; cs ist eine Ehrenschuld gegenüber den Namen jener großen Männer, welche das unglaublich Scheinende in kürzester Zeit vollbracht, gegenüber dem Andenken der Braven, die mit ihrem Herzblute den neuen Bau gekittet, gegenüber den Nachkommen, die einst in berechtigtem Schmerze klagen könnten, wir seien der großen Tage unserer Zeit nicht werth gewesen, weil wir die Früchte derselben nicht zu hegen und zu wahren verstanden. Darum mag auch bas neue Jahr uns auf sorgsamer Wacht fin den, bereit, dem Vaterlande unsere Dienste zu weihen. Dasselbe wird auch in diesem Jahr 1873 treuer und ergebener Arbeiter nicht ent- ralhen können. Der materielle Friede wird, so weil menschliche Vor aussicht zu blicken vermag, in dem neuen Jahre kaum gestört werden. Das deutsche Reich hat dem Glauben an seine Achtung vvr der Un abhängigkeit aller andern Völker und Staaten durch Wort und That die gejammte civilisirte Welt gewonnen und damit dem Vertrauen in den Frieden die schönste und festeste Grundlage verliehen. Niemand fühlt sich bedroht, Niemand findet in sich eine Veranlassung, den Völ- kcrfrieden zu bedrohen und in ungetrübter Harmonie durften das menschliche Genie und die menschliche Arbeitskraft an dem großen Wettkampfe sich betheiligen können, zu welchem die allgemeine Welt ausstellung in der befreundeten Kaiserstadt an der Donau binnen we nigen Monden Gelegenheit bieten wird. Aber nicht immer sind nur marschircnde Bataillone die Gegner des Völkerfriedens; es giebt andere, oft viel gefährlichere Feinde des geistigen Aufschwunges der Nationen, und zur Abwehr gegen diese muß das beginnende Jahr unS auf der Warte finden. Wir wollen den Eindruck des morgenden Tages nicht trüben mit einem Hinweis auf die schweren Stunden, welche der Kampf mit diesen Gegnern be reits gekostet hat. Von zwei entgegengesetzten Lagern, aber einig in dem Ziele der Unterjochung des Staates unter ihre egoistischen Ge lüste, befehden sie den stolzen Bau der deutschen Einigkeit, Wohl wissend, daß nur auf den Ruinen desselben ihre Herrschaft sich fest setzen könnte, und mit giftigen Jnsignativnen mühen sie sich ab, in dem Vertrauen und der Treue des Volkes die Grundsesten einer Schöpfung zu zerstören, an der im offenen Kampfe alle ihre Anstreng ungen ohnmächtig zerschellen müßte. Noch hat dieses Treiben den festen Wall des gesunden Sinnes unserer deutschen Bürger nicht zu untergraben, geschweige denn zu durchbrechen vermocht, aber dem frevelhaften Angriff selbst muß eine Schranke gesetzt werden. Die eherne Tafel des Gesetzes muß zur un erschütterlichen Schutzwehr werden für des deutschen Reiches Macht und Ansehen, auch seinem inncrn Feinden gegenüber. 1873. DaS ist die Aufgabe, mit welcher das beginnende Jahr an uns herantritt, ihre Lösung würde dasselbe den glänzendsten Augenblicken deutscher Geschichte würdig an die Seite reihen. Die zur diesjährigen Weihnachtszeit und znm Neujahrsfeste herrschende abnorme Witterung veranlaßte uns in Lehmanns Chronik der Stadt Chemnitz nachzuschlagen, ob in derselben ähn liche Erlebnisse verzeichnet seien. Alle gefundenen Aufzeichnungen von ungewöhnlich mildem Wetter übergehend, bemerken wir, daß genannte Chronik im Jahre 1485 von herrschender Weihnachtswärme spricht. Ferner sagt sie: „DaS Jahr 1538 begann mit so ungewöhnlichem Wetter, daß die Mädchen am Neujahrstage und hohen Neujahrslage mit Veilchen und Kornblumenkränzen sich schmückten." „Im Jahre 1772 erwies sich die Witterung so mild, daß es es bis Weihnachten weder schneite noch fror." Vom Weihnachtsabende des Jahres 1789 endlich heißt es: „Wie in den schönsten Sommertagen liefen die Kinder barfuß auf den Gassen herum." (CH. Tgbl.) Meinersdorf. Am 2. Weihuachtsfeiertag mähete der Haus besitzer U. hier 3 GraSkörbe GraS auf einem verhällnißmäßig kleinen Gartenraume. Das ganze beim sächsischen Staatsbahubetriebe beschäftigte Personal beträgt gegenwärtig nahe an 16,000 Personen. Der „Dr. Presse" schreibt man aus Löbau, 30. December: Vor dem hiesigen königlichem Bezirksgericht wurde in diesen Tagen der Prvceß des Briefmarders, Posteleven Beder aus Bautzen, ver handelt. Der leichtsinnige, erst 25 Jahre alte Mensch hat das Ver trauen seiner Vorgesetzten, welches ihm überreich gewidmet geblieben, trotzdem er schon längst sich Caffenunregclmäßigkeilen zu Schulden kommen ließ, arg gemißbraucht. Wir erwähnen nur, daß er von den ihm am Schalter zugekommeneu Geldbriefen eine ganze Reihe mit großen Beträgen unterschlug. Er suchte gemeinhin mit einem später erbrochenen Feldbrief die Beraubung eines vorherigen zu decken, blicb aber bei seiner schließlich nach Entdeckung seiner Betrügereien erfolgten Verhaftung noch mit gegen tausend Thaler im Rückstand. Das Gericht verurtheilte ihn zu 6 Jahren Zuchthaus und dreijährigem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Aus Zwickau, 2. Januar, berichtet das „Z. W.": Heute früh wurde an der Mühle des Herrn Hering der Leichnam eines jungen Mädchens im Mühlgraben gefunden und von der Polizeibehörde auf gehoben. Noch im Kaufe des Vormittags stellte sich heraus, daß die Ertrunkene das 19 Jahr alte Dienstmädchen Rosine Stier ans Stcin- grub in. Böhmen war, das hier in Dienst gestanden und heute früh in einem Anfälle von Geistesstörung den bedauerlichen Schritt gethan. Die seitherige Dienstherrschaft der BedanernSwcrlhen giebt ihr daS Lob eines guten durchaus moralischen Dienstboten. Waldheim, 1. Januar. Heute früh nach 6 Uhr hat sich ganz in der Nähe des hiesigen Bahnhvfgcbäudes der 27 Jahr alle Kürschner- gehülfe Schilling genannt Eichler ans Großenhain mit einem doppel läufigen Pistol erschvssen. Der Unglückliche Ivar in Zerwürfnisse mit seiner Geliebten gercuhcn und glaubt inan hierin den Grund zu der traurigen That erblicken zu müssen. Berlin. Der Kaiser hat dem Fürsten von Bismarck bei dessen Scheiden vom Präsidium oes Staatsministeriums den schwarzen Adler- vrden in Brillanten verliehen! Als Thiers vor ein paar Tagen aus dem Hause des englischen Gesandten in Paris trat, stolperte er und fiel. Er stand zwar wieder auf und wandelte heim und rief nicht einmal einen Arzt, aber ärger lich ist er doch; denn ganz Paris weiß, daß er bei dem Engländer zu Mittag gegessen und getrunken hatte und der Herr Präsident kennt die böse Weit und ihre Zungen recht gut und weiß auch, daß in Frankreich ein Regent niemals stolpern darf. Ein fatales Omen ists immerhin. In Frankreich steht wieder eine cigcnthümliche Action des Präsidenten im Vordergründe. Der neuerdings vorzugsweise zu offi ziellen Kundgebungen benutzte „Soir" theilt mit, daß der Bcvollmäch. tigte im deutschen Hauptguartier Graf St. Ballier sich demnächst nach Dienstag, den 7. Januar