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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Reffen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitag« und kostet vierteljährlich IO Ngr. — Jnseratenannahme bi« Montag resp. Donncrstaz Mittag. 53. Freitag, den 15. Inti 1874. Bekanntmachung. Seiten der Großherzoglich Hessischen Staatsregierung ist ans ständischen Antrag die Grobherzogliche Staatsschuldentilgnngskasse er mächtigt und angewiesen worden, die Großherzoglich Hessischen Grundrentcnscheine, deren Einlösung nach Ablauf der früher dafür be stimmten Präclusivfristen seit dem Schlüsse des Monats Februar 1872 nicht mehr erfolgen konnte, dafern solche bis zum 3 1. December1875 bei ihr präsentirt werden, nachträglich cinzulösen. Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachungen vom 13. Juli 1867, 1. April 1870 und 30. November 1871 wird daher Solches h ecmit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, den 9. Juli 1874. M i n i st e r i u m des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Schmaltz.I)r. v. Bwtz. abrik brlos ipzig. in 4 cstag, Geraus zsvoll l der Ver- > ein- aters, hrend : dem -stätte i und ir daS echen. )er. durch treff- Tagcsgeschichte. Aissingen. Am 13. Juli Mittags wurde der Fürst Bismarck im freien Felde bei einer Fahrt nach der Saline durch einen Streif schuß an dec rechten Hand verletzt. Nach feststehenden Ermittelungen verübte das Attentat ein Böttchergeselle Namens Kullmann aus Magdeburg, welcher Mitglied des katholischen GesellcnvercinS in Salzwedel war und mehrfach in verdächtigem Berkchr mit einem katholischen Pristcr gesehen wurde. Derselbe wurde sofort verhaftet und wäre beinahe von der furchtbar aufgeregten Bevölkerung gelyncht worden. IVr Uhr fuhr Fürst Bismarck in Begleitung des Grasen Pappenheim durch die Stadl und zeigte sich der Bevölkerung. Die Verletzung am vordern Arin ist unbedeutend. Kissingen, 13. Juli. Die hiesige Bürgerschaft und die zum Kurgebrauch hier anwesendem Gäste, an ihrer Spitze die Liedertafel und die Badecapclle, brachten heute Abend dem Reichskanzler Fürsten Bismarck eine Serenade dar. Der Furst erschien auf dem Balkon seiner Wohnung und dankte für die ihm kuudgcgebene Sympathie. Das Attentat gelte nicht seiner Person, sondern der Sache, die er vertrete. Der Fürst schloß mit einem Hoch auf das deutsche Reich und dessen verbündete Fürsten, welches das enthusiastisch erregte Pub likum mit nicht endenwollenden Hochs auf den Fürsten erwicdcrte. Kissingen, 14. Juli. Ueber daS Verhalten des wegen des At tentats auf den Fürsten Bismarck verhafteten Kullmann bei dem Ver höre vor dem Untersuchungsrichter verlautet, daß derselbe seine Ab sicht, den Fürsten zu lüdten, unumwunden eingestanden, auch Aeußernngen gelhan habe, die darauf schließen lassen, daß noch mehr Personen um sein Vorhaben gewußt haben. Im Uebrigcn habe sich derselbe sehr störrig gezeigt und aus'eingehendere Fragen die Antwort Ver weigert. Dem Vernehmen nach ist bei Ankunft des um 2 Uhr Nach mittags hier abgegangenen Zuge in Schweinfurt ein Geistlicher, der mit diesem Zuge reiste, verhaftet worden. Die Verhaftung wird mit dem Attentate in Verbindung gebracht. Die Kunde von dem Mordansalle auf Deutschlands größ ten Staatsmann dürfte in allen Gauen des deutschen Reichs und weit über dessen Grenzen hinaus das größte Aufsehen erregen. Jeder wahrhaft deulsch Gesinnte wird es der Vorsehung Dank wissen, daß die tückische Kugel, welche leider durch einen Landsmann des Reichs kanzlers abgefeucrt ward, ihr Ziel verfehlte und uns so den Mann erhielt, dem wir so Vieles zu verdanken haben. Bestätigen sich die bisjetzt vorliegenden Nachrichten aus dem bayrischen Badeorte, so war religiöser Fanatismus das Motiv des vcrabschcuungswürdigcn Atten tats. Der Thälcr ist, wle oben schon kurz gemeldet, ein Böttcbergc- selle aus Magdeburg, Namens Kullmann, der erst am 12 Juli Nachts m Kisstngcn zureiste. Das Attentat erfolgte, als der Fürst im offenen Wagen von der Saline zurückfuhr, und zwar in einem Momente, wo der Kutscher durch einen dicht vor den Pferden vorüberschreitenden Mann zu langsamem Fahren gezwungen wurde. Man vermuthet, daß dieses Individuum an dem Complotle belheiligt war. Kullmann soll Mitglied eines katholische,, Gescllenvereins in Salzwedel und mehrfach .n verdächtigem Verkehr mit einem katholischen Priester gesehen wor den sein. Soweit haben es also die Hetzereien der Ultramontanen ge bracht, daß sich ein Mensch fand, der sich zum Werkzeug ihres Fana tismus hcrgab und die Mordwaffe gegen den Fürsten lenkte, der ja seit dem Kriege gegen Frankreich der Gegenstand des unauslöschlichsten Hasses ist und gegen den selbst vom Vatikan aus Drohungen und Flüche wiederholt geschleudert wurden. Die „B. B. Z." bemerkt in dieser Hinsicht ganz richtig: Der Hauptschuldige an dem Attentat ist nicht jener Mensch, welcher demselben seinen Arm lieh; die in Wahr heit Schuldigen sind vielmehr jene Priester, welche weniger Geistliche als Demagogen, weniger Tröster und Bcrathcr ihrer Gemeinde denn politische Verschwörer sind. Die Soutanen werden es nicht schien lassen an lärmenden Ausdrücken der Entrüstung und an Protesten ge gen die Gemeinschaft mit dem Verbrecher, und um so lauter werden diese erschallen, je großer die Bestürzung, welche cS zu verbergen gilt, und je gewaltiger der Ingrimm, daß die That, da sic nun doch ein mal begangen ist, nicht zum Ziele geführt hat. Bedurfte cs aber für die Welt noch eines Beleges, wie nothwcndig es war, daß endlich einmal dem Weitersresien des hierarchischen Geistes ein Halt gesetzt wurde, hier liegt der Ben eis offen am Tage. Die Kugel von Kissingn: welche für die Stirn des Fürsten von Bismarck bestimmt war, sie prallte zurück und traf das Herz des Papstthums in Deutschland. Am 10. Juli fand, nach einer Mittheilung des „Leipz. Tagebl." in Weimar eine für Deutschland gewiß seltene Feier statt: ein Groß- Herzog und eine Kronprinzessin fungirten als Taufzcugcn bei dec Taufe des Negers Allagabo Tim. Derselbe ist ungefähr 14 Jahre alt, von dem Stamme der Bongo oder Dohr — etwa 7 Grad n. Br. und 28 Grad östl. L. v. Gr. — und wurde von dem Afrikarciscnden I)r. Schweinfurt von seiner zweiten Reise mit nach Europa gebracht. Dem deutschen Kaiser durch den berühmten Reisenden vorgcstellt, ant wortete der aufgeweckte Knabe sehr freimüthig auf die an ihn ge richteten Fragen. Zuerst wurde er in Berlin, dann in Weimar er zogen, jetzt spricht und schreibt er geläufig deutsch. Die Taufe wurde in der Sladlkirche zu Weimar vollzogen, in der schon im Jahre 1661 eine Negerin des Hofes getauft worden ist und im Jahre 1737 der von August II. dem Herzog geschenkte Mustafa. Die Socialdemocraten Vebel-Liebknccht'scherLinie halten am 18. Jnli einen Congreß in Coburg. Auf diesem wird u. a. über einen Antrag der Marburger Bundcsbrüder verhandelt dahin gehend, daß alle Socialdemocraten die Confession (Religion?) über Bord Wersen und aus den Kirchen ausscheiden sollen. In Gotha erwachte in der Nacht vom 7. zum 8. Juli im dasigen Leichenhause ein Kind, das an Starrkrampf gestorben sein sollte. Die Frist für den Umtausch der alten Coburger Cassenanweisungen vom Jahre 1849 ist, da noch eine große Anzahl dieser Scheine cir- culirt, um 3 Monate, nämlich bis zum 30. September d. I., ver längert worden. Von diesem Zeitpunkte, ab werden diese Scheine gänzlich werthloS, und cs findet keinerlei Ersatz dafür statt. Aus dem Rheingau werden der „Köln. Ztg." Aussichten auf eine gute Weinernte gemeldet. Die Blüthe ist überall vortrefflich ver laufen, in den besseren und besten Lagen ungemein rasch; im Rüdes-