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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. ^Z4. Dienstag, den 14. Juli 1874. Am 25. Mai d. I. sind allem Vermuthen nach von einem circa 23 Jahre alten unbekannten Manne von mittlerer Statur, dunkel blondem Haar und dergleichen Schnurrbärtchen, bekleidet mit dunklem Rock, hellgrauen Hosen und breitdeckeliger Mütze, welcher im Gasthofe zum goldenen Löwen hier übernachtet gehabt, folgende Gegenstände aus letzterem, als: l ., ein Deckbettüberzug von blau und weißer Leinwand mit blau und rothen Streifen, 2 ., ein dergl. Kopfkiffenüberzug und 3 ., ein Betttuch heimlich mit fortgenommen worden. ' Behufs Ermittelung des Thäters und Wiedererlangung des Gestohlenen wird dieser Diebstahl mit dem Bemerken hiermit zur öffent lichen Kcnntniß gebracht, daß dringender Verdacht vorlieat, daß der Unbekannte, welcher sich hier für einen Korbmacher und in Keffelsdorf, woselbst er die drei entwendeten'Gegenstände zum Kauf angeboten, für einen Arbeiter der Kettenschleppschifffahrtsgesellschaft in Dresden ausqcgeben, mit dem Korbmacher Richard Schulze aus Berggißhübel, dessen Aufenthalt unbekannt, identisch ist. Man richtet an alle Criminal- und Polizeibehörden das ergebenste Ersuchen, den p. Schulze im Vetretungsfalle zu verhaften und hiervon kurze Nachricht anher gelangen zu lassen Königliches Genchtsamt Wilsdruff, am 9. J»l> is?r. In Stellvertretung: vr. Gangloff, Assessor. Tagesgeschichte. In dem Kampfe zwischen dem deutschen Staat und den Röm lingen deuten diese Römlinge immer auf den Kaiser Wilhelm, als ob dieser im Stillen anderen Sinnes sei, als sein Minister Falck. Falck hat aber selbst erzählt, der Kaiser habe bei Unterzeichnung der Kirchengesetze zu ihm die wichtigen Worte gesprochen: Handhaben Sie die Gesetze mild, indessen, wo Ihnen ernstlicher, unberechtigter Wiederstand entgegen tritt, da rechnen Sie auf mich. Die bei Gelegenheit der Fuldaer BischofSconferenz von ver schiedenen Seiten ausgesprochene Ansicht, daß auf Grund der angeb lichen „Vcrmittelungsvorschläge" in dem Streit zwischen Staat und Kirche eine Vereinbarung möglich sei, kann keinen andern Sinn haben, als daß gewisse Grenzen und Grundsätze aufgestellt werden müßten, welche künftighin für beide Theile bindende Kraft haben. Hören wir die in Rom hierüber geltende, vom Papst feierlich anerkannte Lehre: „In kirchlichen Dingen ist der Papst der souveräne Gesetzgeber, die Könige sind hierin seine Unterthanen; ein Toncordat ist kein zweiseitiger, die beiden Theile gleichmäßig bindender Vertrag, sondern ein kirchliches Specialgesctz für ein einzelnes Land, welches der Papst auf Ansuchen der dortigen Staatsgewalt erläßt; diese Staatsgewalt ist verpflichtet, das Gesetz« genau zu beobachten, der Papst aber als Gesetzgeber kann und muß eS ändern, sobald er wahrnimmt, daß eS schädliche Folgen für die Interessen der Kirche hat." — Alles dies ist in einer vom Professor v. Shbcl gehaltenen Rede gründlich nach gewiesen und belegt, und wenn daS deutsche Reich noch Lust haben sollte, unter solchen Umständen mit Nom Verträge abzuschließen, so befände es sich schon auf dem Wege nach Canossa. Das aber will Bismarck nicht und wir auch nicht. In Deutschland ist's nicht gelungen, eine rein katholische Hoch schule zu gründen, aber in Lille in Frankreich wird's gelingen. Die Jesuiten (unter ihnen viele aus Deutschland ausgewiesene) haben da die Sache in die Hand genommen und geben das Geld her und den Geist. Schwerlich ihr eigenes Geld, aber ganz gewiß ihren eigenen Geist, welcher ja an Stelle des allen apostolischen Geistes der Geist des Kirchenregiments geworden ist. Diesem Geist wollen sie in der Universität in Lille eine neue Burg bauen, alle vier Fakultäten sollen von ihm erfüllt und in ihr dressirt werden; jesuitisch geschult werden vor allem die Theologen in Kirche und Schule, die Juristen bei der Rechtsprechung, die Philosophcn und sogar die Aerzte und Natur forscher, damit sie künftig an den Wunden und Wundern einer Louise Laleau keinen Anstoß nehmen. Weil aber Frankreich das Schwert der Jesuiten ist, so werden die Jesuiten in Lille in allen Facultätcn und Sprachen auch das Evangelium der Revanche predigen. Die neueste in Versailles verlesene Botschaft des Präsidenten der französischen Republik zeichnet sich durch eine Festigkeit und Ent schiedenheit der Sprache aus, wie sie in Frankreich lange nicht gehört worden ist. Es ist kein academischer Lehr-Vortrag, sägt die „N. A. Z.", über Mögliches und Unmögliches, über Vergangenes und Künf tiges, sondern eine deutliche und entschlossene Erklärung über das, was sein muß und, angesichts dieser Festigkeit des Entschlusses, auch sein wird. Präsident MacMahon hat damit ausgesprochen, daß alle über seinen Kopf und über die ihm anvertrautcn Vollmachten hinweg aufgestellten Berechnungen ohne den Wirth, ohne ihn selbst gemacht sind. Zum ersten Male sieht die Nationalversammlung sich dcrNoth- wendigkcit gegenüber, ihre eigenen Beschlüsse zu respectiren. Der Präsident der Republik betrachtet sein ihm durch das Gesetz vom 20. November v. I. übertragenes Mandat als „außerhalb jeder Frage und über jedem Zweifel stehend", er ist entschlossen, sich den mit die sem Mandat übernommenen Pflichten „in keinem Falle" zu entziehen. Er erinnert die Nationalversammlung daran, daß jenes Mandat eine festbegrenzte Dauer hat, daß es unwiderruflich ist. „Diese Gewalt deren Entzeitpunkt nicht abgekürzt werden kann, werde ich handhaben, um sie mit allen mir durch die Gesetze zu Gebote stehenden Mittel zu Vertheidigen." Einer solchen Haltung gegenüber, hinsichtlich deren Entschlossenheit ein Zweifel fortan nicht zulässig erscheint, werden die Jntriguen der Parteien verstummen müssen, wenn sie nicht durch einen Appell an die Gewalt antworten wollen, welchen zu wagen keine von ihnen genug Ansehen und Einfluß besitzt. Aber sieben Jahre ist ein langer Zeitraum für Hoffnungen, bei denen Aufschub und Uner füllbarkeit gleichbedentend sind. Der einzige Augenblick, der vielleicht eine Möglichkeit bot, die legitime Monarchie wieder herzustellen, ist unbenutzt vorübergegangen — heute sieht die Majorität, welche in dem Gesetz vom 20. November ihre letzte Zuflucht gegen die defini tive Republik suchte, sich an die Verpflichtungen gemahnt, welche sie damit übernahm. „Die Nationalversammlung kann nicht daran denken, ihren Verpflichtungen untreu zu werden." Die Mehrzahl der am 10. Juli erschienenen Pariser Tagcsblätter äußert sich zustimmend über den Inhalt der gestrigen Botschaft des Marschalls Mac Mahon. Die republikanischen Organe kommen zu dem Schluffe, daß die vom Marschall geforderte Organisirung seiner Gewalten nur in der Errichtung der Republik bestehen könne, da die Monarchie jetzt als völlig beseitigt angesehen werden müsse. Die le- gitimistischcn Blätter allein sprechen sich mit einer gewissen Gereiztheit über die Botschaft aus. Die Beziehungen Frankreichs zum Auslande werden weder durch die befestigte Gewalt des Präsidenten der Republik, noch durch eine eventuelle Auflösung der Kammer alterirt. Die Haltung der letz teren hat vielfach daran erinnert, daß sie zwar zum Abschluß und zur Ausführung eines Friedensvcrtrages, aber dennoch inmitten eines Kriegszustandes gewählt wurde. Eine neue inmitten des Friedens ge wählte Kammer, würde den Bedürfnissen desselben vielleicht besser Rechnung zu tragen wissen.