Volltext Seite (XML)
für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sicbenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstagr und Freitag- und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bi» Montag resp. Donnerstag Mittag. ^-59. Freitag, den 31. Juli 1874. Tagcsgeschichte. In Bayern herrscht über das leidenschaftliche und gehässige Auf treten mehrerer Berliner Zeitungen eine sehr gerechte Verstimmung. Diese Zeitungen baden seither Alles getadelt und verdächtigt, waS die bayrischen Behörden in der Kullmann'schen Sache gelhan und unterlassen haben; sie haben cs getadelt, daß die Untersuchung nach Schweinfurt verwiesen wurde, obgleick das nur im höchsten Interesse einer unabhängigen Untersuchung geschehen ist; sie haben die Frei lassung des Geistlichen Hauthaler als eine zu früh und ungerechtfertigt erfolgte getadelt und haben diesen Tadel zurücknehmen müssen und sie haben schließlich die Richter als im Dienste oder doch im Interesse des UltramontaniSmus stehend verdächtigt. Die Bayern verbitten sich diese Angriffe auf die Unabhängigkeit und Ehrenhaftigkeit ihres Rich terstandes ganz entschieden lind man muß ihnen Recht und den betr. Berliner Zeitungen zu bedenken geben, daß sie durch ihre Haltung sehr verbittern und viel schaden. München, 23. Juli. Dit Nachanmeldungen zur Theilnahme am zweiten deutschen Eängerbundesfeste häufen sich in ganz unerwarteter Weise, so daß die Zahl der angemeldeten Sänger nunmehr über 5600 beträgt. Außer den Gesangvereinen in Straßburg sind aus den Reichslanden auch Betheiligungen von Forbach und von Metz ange meldet worden. Der altkatholische Bischof Reinkens predigt, firmt und spendet das h. Abendmahl in der Kirche am Gasteig in München. Seine erste Predigt hielt er über den Text: Segnet die euch fluchen! Das Jesuitenblatt Germania in Berlin schreibt, als ob es den Sonnenstich batte. „Das katholische Volk, schreibt es, rückt nun mehr in den Kampf vor. WaS milder „ultrainontanen Geistlichkeit" geschehen, das war, wenn man will, nur Rccognoscirungs-Gefecht, Plänkelei und Schüssewechseln mit Tirailleurschwärmen. Jetzt heißt es: auf der ganzen Linie avanciren! Jetzt treten die geschlossenen Colonnen ms' Feuer, jetzt wird's in den Massen lebendig! Hinter der Linie steht noch eine zahllose Landwehr, und dann folgt ein eben falls nicht zu verachtender Landsturm! Und mit diesen Heeressäulen wollt ihr papierenen „Culturkämpfer" fertig werden! Versuchtes nur! Die Geschichte wird keine Siege auf eurer Seite zu verzeichnen haben!" Die „Nordd. Allg. Ztg." unterzieht in einem Leitartikel die „Kriegführung" der Carlisten in Spanien einer scharfen, aber gerechten Kritik. Das Blatt weißt darauf hin, daß nicht Don Carlos der eigentliche, gegen sein Vaterland im blutigen Bürgerkriege in Waffen stehende Rebell ist; vielmehr sei es der Jesmtismus, der sich des Carlismus als Aushängeschild bediene, der ihn mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unterstütze, seine Schritte leite und seinen Willen eventuell auch trotz des „Königs" durchzusetzen suchen werde. Nachdem die „N. A. Z." noch die jüngsten Gräuelthaten der von den Jesuiten angestacheltcu Carlisten nach Gebühr gebrandmarkt und her vorgehoben hat, daß die Ermordung des Hauptmanns Schmidt und das Kissinger Attentat aus „derselben Quelle" geflossen sind, schließt sie folgendermaßen: „Dem für seine geistige Freiheit ringenden Deutsch land stehen, wie dem für seine politische Freiheit ringenden Spanien, dieselben Feinde gegenüber — hinter beiden die Sympathien der gan zen gebildeten Welt unser und der kommenden Tage. Hierin liegt die Gewähr, daß trotz aller Mühen und Unfälle beide, Deutschland und Spanien, zu Ihren Zielen gelangen werden und daß dem mit dem gleichen Gegner ringenden spanischen Volke Deutschlands aufrich tige und entschiedene Theilnahme gesichert ist" Mac Mahon hält sich an seine 7 Präsidentschaftsjahre, wie wie der Jude Sylock an seinen Schein. Er will vor Ablauf seiner sieben Jahre weder eine Republik, noch ein Königthum, noch ein Kaiserthum, er will nichts als sein Mac Mahonat. Er ließ daher in der Nationalversammlung die förmliche Anerkennung der Republik (Antragsteller Perier) niedcrstimmen und wiederholte, daß er eine erste Kammer, ein neues Wahlgesetz und das Recht haben müsse, die Na tionalversammlung aufzulösen. — Die Versammlung wird nächstens bis zum 5. Januar vertagt werden. Die Parteien sind so schwach und selbstsüchtig, daß jede schon zufrieden ist, wenn die andere nicht Recht behält — und so wird Mac Mahon, hinter welchem das Heer steht, vorläufig allein Recht behalten. Die Haltung der französischen Regierung gegenüber den Carlisten wird in einem Artikel des „Jmparcial" vöm 25. Juli heftig ange griffen. Das Blatt betont insbesondere, wenn Frankreich fortfahre, die Carlisten zu begünstigen und dadurch eine Verlängerung des un heilvollen Bürgerkriegs herbeizuführen, so würde die spanische Nation ihre Interessen und Sympathien von Frankreich abwenden und an dere Allianzen aufsuchen, welche mit den Anforderungen der Civili- sation verträglicher und der Freiheit und Wohlfahrt Spaniens för derlicher seien, als die Verbindung mit Frankreich. Die Stadt Retz in Niederösterreich uud deren Umgebung ist am 25. Juli von einem verheerenden Wolkenbruche heimgesucht worden. Der Schaden ist ein bedeutender und beträgt weit über eine Million. Um 4 Uhr Nachmittags brach das Unwetter los, der Hagel floß in so dichten Strömen und mit schweren Hagelkörnern untermengt herab, daß bald die ganze Gegend unter Wasser gesetzt war. Die Ortschaf ten, die an den Abhängen der Hügelreihen liegen, wurden so rasch überschwemmt, daß an eine Rettung nicht zu denken war. Da über dies Alles, was arbeiten konnte, auf den Feldern oder in den Wein bergen war, fehlte es an Hilfskräften. Als wären die Schleußen deS Himmels geöffnet, stürzten die Wassermassen aus den Wolken herab, Untergang und Verderben bringend Allem, was sich ihnen entgegen- stellle. Da war an Hilfe und Rettung nicht zu denken. Von den Bergen brausten die Fluthen herab, wälzten sich über die Fluren und gegen die Häuser, stürzten in die Ortschaften, so daß Diejenigen, die im Freien sich aufhielten, ebenso gefährdet waren, wie die in den Häusern. Das Unglück betraf Netz, Altstadlretz, Obernalb, Untcrnalb, Unterretzbach, Mitlerretzbach, Kleinhistein und Kleinriedcnthal. In Altstadlretz sind 60 Häuser ganz cingestürzt, 100 mit Einsturz bedroht, da alle Keller unter Wasser sind, ist der Boden ganz unsicher, so daß weitere Einstürze sehr zu befürchten sind. In Netz sind drei Personen ertrunken, auch sehr viel Vieh ist zu Grunde gegangen. In Obernalb sind 30 Häuser zerstört und 3 Kinder ertrunken, in Untcrnalb 15 Häuser und 20 Scheunen eiugestürzt, der Bahndamm fortgcrissen, Straßen und Brücken sind weggeschwemmt, das Wasser steht klafter hoch in den Häusern und Straßen. Oberretzbach und Unterretzbach sind durch Hagel und Ueberschwemmung beschädigt, in Unterretzbach sind 50 Häuser durch den Waflcrsturz und den Bahndammbruch ver wüstet. In allen inundirten Ortschaften ist sowol der Wein, als die Sommerfrucht total ruinirt, die Nothlage entsetzlich. Am ärgsten wülheten die Gewässer in Unternalb und Unlerretzbach, den am tief sten im Thalkessel gelegenen Ortschaften. Zum größten Unglück wurde auch die Verbindung mit Znaim unterbrochen. Die Nordwestbahn hat nur an einer Stelle einen Damm von ca. 2 Metcr Höhc gebaut, ihre Trace liegt zumeist in der Ebene und im Niveau der Felder. An diesem Damme aber stauten sich die Gewässer mit solcher Gewalt, daß sie den Damm in einer Länge von 60 Meter durchbrachen. Durch diese Oeffnungen stürmten die Fluthen mit vehementer Kraft in das offene Thal, Alles mit sich reißend, was im Wege war. Zwischen Zellerndorf und Retz ist der Bahndamm in 60 Meter Länge und 12 Meter Höhe durchbrochen. Auch bei Znaim ist die Straßen brücke abgerissen und so die Verbindung nach Norden gleichfalls ab- geschnilten. New-Dork, 27. Juli. Ein Orcan mit Sturmfluth hat den Staat Pennjylvanicn schwer heimgcsucht. Eisenbahnlinien und Bahn gebäude wurden überfluthet, Brücken fortgesührt und Steinmassen auf die Straßen geschwemmt. Die Stadt Alleghany steht theilweise unter Wasser; große Verluste an Menschenleben sind zu beklagen, in-