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für WilsdrkP NHsWAdt, Noffen, GLebeuLehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Staötrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratcnannahme biS Montag rcsp. Donnerstag Mittag. ^7 LW. — Dienstag, den 29. December 1874'. Tagesgeschichte. Die „Nat.-Ztg." bringt folgende Mitthcilung: „Noch vor den Ferien Hot die preußische Regierung sich beeilt, den Weg für die Um wandlung der preußischen Bank in eine Neichsbank dadurch zu ebnen, daß sie in den letzten Tagen den AutheilSciguern zum t. Januar 1876 ihre Betheiligung gekündigt hat. Es ist damit bewiesen, wie gesichert auch auf Seilen der Regierung das Zustandekommen des Ncichsbankgcsctzes auf Grund der neuesten Vorschläge erachtet wird." Gegen das gerichtliche Erkenntniß im Arnim'schen Prozeß welches ein lOfach geringeres Strafmaß als das vom Staatsanwalt Tesscndorf beantragte ausgesprochen hat, soll sowohl von der Staats anwaltschaft als von der Vertheidigung Berufung eingelegt worden sein. Das ärztliche Erkenntniß lautet dagegen dahin, daß die be kannte Krankheit Arnims einen höchst besorgnißerrcgeuden Grad er reicht habe und der Kranke durchaus einen längeren Aufenthalt in einem warmen Klima nehmen müsse. Gegen diesen Ausspruch ist keine Appellation zulässig und selbst die Gerichte werden sich fügen müssen, wenn cs wirklich so schlimm aussieht. Man schreibt von Paris: Die Enthüllungen im Prozeß Arnim beiden hier auch eine praklischc Wirkung gehabt, welche in Deutsch land Niemand vcrmuthct bat, und die auch nur in Frankreich mög lich ist. Einzelne Geschäfte haben nämlich nach Vekanntwerdcn der Bismarckschcn Depeschen sofort ihre deutschen Arbeiter entlassen. Eine Kammfabrik in St. Denis hat elf Deutsche, die im Dienst bei ihr standen, nicht allein verabschiedet, sondern sie sofort an die Grenze bringen lassen. In den unteren Kreisen des Volkes ist überhaupt wieder eine Wuth über Deutschland ausgcbrochcn, welche der Stimmung von 1870 nichts nachgicbt. Es ist auch keine Aussicht vorhanden, daß die Franzosen in der nächsten Zeit der Vernunft Gehör geben sollten, denn die Presse bemüht sich unaufhörlich, ihren Landsleuten die gröbsten Unwahrheiten über Deutschland aufzutischen. Im Folgenden ein kleines Beispiel. Der „Figaro" erzählt: „Während einer Pause im Arnimprozeffe hätten die deutschen Journalisten ihren Mundvor rath zur Hand genommen; der Eine habe der Schnapsflasche fleißig zugesprochen, während der Andere seinen Nachbarn von einem Stück Eselskäse angcboten habe." Weiter berichtet das Blatt, Laß die Richter am Sonntag die Stadt und die öffentlichen Lokale durch wandert hätten, um die öffentliche Meinung kennen zu lerneu. Sie hätten die Uebcrzeugung gewonnen, daß die Majorität Arnim ver- mthcile, und der Angeklagte werde in Folge dessen bestimmt mit sechs Monaten Gefängniß bestraft. Nur über die in Frankreich unbekannte Freiheit staunt das Blatt, mit welcher man sich in Deutschland über maßgebende Personen und Verhältnisse aussprcchcn kann. (Frankreichs Verfall.) In Zahlen liegt ein schlagender Be weis gegen unbegründete Behauptungen. Man behauptet, daß Frank reich, ein Land von so reichen Hilfsquellen, das seine Kriegslasten au Deutschland so rasch bezahlt habe, sich bald wieder zu seiner vorigen Macht und Größe erheben werde. Und man glaubt, daß diese bessere Zukunft für Frankreich um so eher eintreten werde, wenn cs aus den bisherigen schwankenden politischen Zuständen zur Mo narchie zurückkehre. Aber man vergißt, daß die Bedingungen zur Größe für ein ganzes Volk ebenso wie für den Einzelnen nicht in pe kuniärem Wohlstand liegt. Auch Nom sank unter seinen Kaisern trotz seines Neichthums, der ihm aus allen Laudern zufloß. Daß aber Frankreich auf der Bahn des Verfalls sich befindet, das beweist die Statistik. Während die Bevölkerung in fast allen andern Landern Europas beträchtlich zunimmt, hat die Bevölkerung Frankreichs seit der Volkszählung des Jahres 1856 nur unbedeutend zugenommcu. Die Volkszählung vom Jahre 1872 beweist aber, daß die Bevölker ung Frankreichs in neuerer Zeit sogar abninuut. Frankreich Halle bei der Volkszählung vom Jahre 1872 nahezu 400,000 Seelen we niger als bei der Volkszählung des Jahres 1860. Seit dem Jahre 1867 haben fortwährend die Geburten ab- und die Todesfälle zugc- nommen. Geburten waren 1,007,515 i. I. 1867, 984,140 im Jahre 1868, 948,526 i. I. 1869, 943,515 i. I. 1870, 821,121 i. I. 1871. Todesfälle waren 886,887 i. I. 1867, 922,038 i. I. 1868, 944,553 i. I. 1869, 1,046,906 i. I. 1870, 1,271,010 i. I. 1871. Sogar die reichste und kräftigste Race der Bevölkerung, die Normandie, zeigt in den Jahren 1866—71 auch eine beständige Abnahme. Und was nicht minder bedenklich ist, die Landbevölkerung Frankreichs hat in dem Zeitraum von 1866—71 um 700,000 Seelen abgenommcu, während die Bevölkerung der Städte um 300,000 Seelen gestiegen ist. Daß eine fortwährende Abnahme der diensttauglichen Mannschaf ten bei den Aushebungen stattfand, versteht sich von selbst. — Es unterliegt keinem Zweifel, die Bevölkerung Frankreichs befindet sich auf dem Wege sinkender Kraft. Die Ursache davon ist die Immo ralität. Wir aber wollen nicht mit Selbstüberhebung auf unsere Grcuznachbarn herabblicken, da wir in dem deutschen Leben und Treiben der Gegenwart leider sehr viel Geist von ihrem Geiste ent decken müssen. Wenn unser Volk seine nativuale Gesittung, die für dasselbe die sicherste Grundlage seiner Macht und Stärke bleibt, nicht sich bewahrt, so wird es mit der Zeit ebenso wie Frankreich sich nicht auf dem Gipfel seiner jetzigen Macht und Größe halten können. Den jüngeren katholischen Geistlichen in der Schweiz hängt der Himmel voll Geigen. Nach dem neuen Ehegesctz, welches dein Na- tiouolrath vorlicgt und das in allen Contoucn eingcführt werden soll, gelten die Priesterweihe und die Gelübte nicht mehr als Ehehinderniß und jeder Geistliche darf sich eine Frau und jede Klosterfrau einen Mann nehmen. Rechtsverbindlich ist nur die Civilehe, die kirchliche Trauung ist erwünscht. Prinz Lulu kommt auf die Schliche seines sel. Vaters. Er soll sich eine ganze Woche laug heimlich in Frankreich aufgehaltcu und an einer Verschwörung in der Armee gearbeitet haben. Zu seiner Voll jährigkeit im vorigen Jahre sollte ihm von den Bonapartistcii ein kostbarer Ehrendegen überreicht werden. Der Sammler zu der be treffenden Summe war ein junger Mann Namens Ander; er brachte 190,000 Franks zusammen und für 100,000 Franks Edelsteine re.; er steckte aber alles in die Tasche und Lulu soll heute noch seinen De gen bekommen. Auber steckt dafür jetzt im Gefängniß. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. WW" An die heute stattfindende Stadtverordnetenwahl erlauben wir uns nochmals zu erinnern. Der große Schneefall der letzten Tage scheint sich über einen ziemlich großen Nahon ausgedehnt zu haben, denn von allen Seiten her, namentlich aus dem Erzgebirge und dem Muldenthale rc., kom men Berichte über denselben und Klagen darüber, daß die Posten sowohl auS dem Norden als aus dem Süden ausgcblieben sind. Wir können über diesen Schneefall nur erfreut sein, da ein derartiger Winter mehr Nutzen schafft und angenehmer ist, als es ein warmer, von immerwährendem Regen und Thauwetter unterbrochener oder ein kalter, nicht von Schnee begleiteter Winter ist. Unter ersterem leidet die Gesundheit und unter letzterem tragen die Wintersaaten großen Schaden davon. In Dresden hat die Continental-Pferde- Eiscnbahn ihre Bahnwagen durch Schlitten und Omnibusse ersetzt und befördert das Publikum, so gut es unter den obwaltenden Ver hältnissen eben geht. — In Leipzig sind die Straßen und Plätze mit einer hohen Schncelage bedeckt. Nur mit Aufbietung vieler Kräfte konnten die nöthigen Fußwege für das Publikum, einigermaßen benutzbar gemacht werden. Die Fuhrwerke haben mit sehr großen Schwierigkeiten zu kämpfen und eine Ausnahme machen nur die zahl reich in Betrieb gesetzten Droschken- und Privalschlittcn. In der Bürgerschule zu Crimmitschau sollen am 19. December 461 kranke Kinder gefehlt haben.