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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Mcbculchn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. ^7 79. Freitag, den 9. October 1874. Tagesgeschichte. Das Ereigniß des Tages ist die aus Berlin gemeldete Nach richt von der Verhaftung des Grafen Arnim, früher deutscher Botschafter in Paris, welche am letzten Sonntag früh in der Nähe von Stettin erfolgt ist. Ueber den Anlaß zur Verhaftung Arnims schreibt die „N. A. Z.": Beim Eintreffen des neuen Botschafters Deutschlands, Fürsten Hohenlohe, in Paris zeigte sich, daß das poli tische Botschaftsarchiv unvollständig war; eine genauere Revision er gab, daß eine große Anzahl von Aktenstücken von hervorragender po litischer Bedeutung nicht aufzufinden waren. Auf wiederholtes Mah nen durch dritte Person ließ Arnim einen geringen Theil der Schrif ten dem Amte des Auswärtigen wieder zustellen. Vom Verbleib des größeren Theils leugnete Arnim Wissenschaft zu haben, von anderen Papieren erklärte er, er betrachte sie als Privateigenihum. Den Hauptbestandtheil der Papiere hielt er zurück. Den Erlassen des Am tes des Auswärtigen auf Rückgabe verweigerte er jede Beachtung. Bei solcher Sachlage mußte die Hilfe des Gerichts in Anspruch ge nommen werden. Dem Bundesrath ist der Gesetzentwurf, betreffend die Regelung des Landsturmes, nunmehr zugegangcn. Derselbe lautet: tz 1. Das Aufgebot des Landsturmes erfolgt durch kaiserliche Verordnung, in welcher zugleich der Umfang des Aufgebotes bestimmt wird. § 2. Nachdem das Aufgebot ergangen ist, finden auf die von demselben betroffenen Landsturmpflichtigen die sür die Landwehr geltenden Vor schriften Anwendung. Insbesondere sind die Ausgebotenen den Mili tärstrafgesetzen und der Disciplinarordnung unterworfen. — Z 3. Der Landsturm wird in der Regel in besonderen Abheilungen formirt. In Fällen außerordentlichen Bedarfs, oder wenn es an geeigneten Führern sür besondere Formationen fehlt, kann jedoch auch die Land wehr aus dem Landsturm ergänzt werden. — §4. Die Auflösung des Landsturmes wird vom Kaiser angeordnet. Mit Auflösung der betreffenden Formationen hört das Militärverhältniß der Landsturm pflichtigen auf. — § 5. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforder lichen Bestimmungen erläßt der Kaiser. — § 6. Gegenwärtiges Ge setz kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 zur Anwendung. Eine erfreuliche Erscheinung für die sittlichen Zustände in Berlin ist schon in deu wenigen Tagen seit dem Inkrafttreten des Civil- ehegesetzes von mehreren Standesbeamten beobachtet worden. Paare, welche seit längerer Zeil im Konkubinat leben, melden sich jetzt auf den Standesämtern, um ihre Eheschließung zu veranlassen und ihre Kinder zu legalisiren. — Gründe für diese Erscheinung sind leicht erkennbar; theils schreckte diese Leute bisher der Kostenpunkt vor der Eingehung einer Ehe zurück; größtenthcils aber fürchteten dieselben von dem Geistlichen, an den sie sich hätten wenden müssen, sür ihr bisheriges Verhalten getadelt zu werden, oder bei der Trau ung gewisse Dcmüthigungen, z. B. in der Kranzfragc, zu erdulden. Jetzt, wo die Eheschließungen kostenfrei nnd in amtlicher Gesckäsls- form vollzogen werden, bringen besonders die Frauen darauf, daß sie selbst Ehefrauen^ ihre Kinder eheliche Kinder werden. Ans diesen Gründen erklärt es sich auch, daß die Standesbeamten, trotz der massen haften kirchlichen Trauungen m den letzten Tagen des September, doch schon in den ersten drei Tagen ihres Bestehens mehrere hundert Aufgebote, also weit mehr als mau nach den statistischen Berechnungen erwarten durfte, veranlaßt haben. Die Zahl der inhaftirten Bischöfe wird sich vermuthlich in Kürze Wieder um einen vermehren. Dem Bischof von Münster ist nämlich neuerdings eine Strafe von 4700 Thalern angedroht worden, deren Verhängung zu jenem Resultate führen dürfte. Der „Wests. Merk." schreibt darüber: „In der bereits mehrfach besprochenen Angelegen heit der am linken Rheinufer gelegenen sogen. Succursalpfarreien, von denen 94 dem Bislhnm Münster angehören, Halle der Oberprä- üdent wiederholt an den Bischof die Aufforderung gestellt, ihm die definitive Besetzung derselben anzuzeigen. In dem letzten Schreiben aber soll er, wie man der „Nat.-Ztg." versichert, den 30. September sestuestellt haben, nach welchem im Weigerungsfälle eine Strafe von 50 Thlrn. für jede einzelne Pfarrei — macht 4700 Thlr. in Summa — über unsern Oberhirten würde verhängt werden. Derselbe hat nun in seiner Antwort entschieden diese Aufforderung zurückgewiesen, da die Pfarreien längst besetzt sind »und jetzt eine darauf bezügliche Anzeige einer Anerkennung der Maigesetze gleichkommen würde." Seit einer Woche schon munkelte man in München, eine hohe Dame sei katholisch geworden. Heute wird dem vorsichtigen Nürnb. Correspondentcn berichtet: „Das Gerücht des Uebertrilts der Königin- Mutter zur katholischen Kirche tritt mit solcher Bestimmtheit auf, daß ich nicht umhin kann, Ihnen davon Nachricht zu geben." Die vcrwiltwete Königin ist bekanntlich eine preußische Prinzessin. (Auch die A. A. Z. bringt die Nachricht als allgemein verbreitetes Gerücht.) Nicht ohne politische Bedeutung ist eine Reise des alten Thiers durch einen Theil von Frankreich und nach Italien; denn diese Reise in eine politische. Ueberall hält er Reden zu Gunsten einer franzö sischen Republik. Wir können keine Monarchie machen, sagt er, weil cs dreierlei Bewerber um die Krone giebt, die Napoleons, die Bour bons und die Orleans; machen wir also eine Republik, sie ist allein für Frankreich möglich und dauernd möglich. Er sagt freilich nicht, daß auch die französischen Republikaner sehr verschiedener Farbe sind; er, Thiers, will eine konstitutionelle weiße, Gambetta eine blaue und der Laternenmann eine rothe Republik. In Turin hatte der alte unermüdliche Herr eine lange Unterredung mit Victor Emanuel. Hat er dem Schwiegervater Plon-Plon's auch die Republik gepredigt? In Mailand hat er wieder öffentlich die Republik gepredigt nnd vor Allem die Freundschaft zwischen Frankreich und Italien. Die fran zösischen Zeitungen folgen ihm Schritt vor Schritt, Wort für Wort und wenn MacMahon nicht so phlegmatisch wäre, führe er aus der Haut. Die Tage des Carlismus werden, wie es scheint, bald ge zählt sein. Wiederholt hat sich herausgestellt, daß die Sicgesberichte, welche von Zeit zu Zeit vom Hauptquartier des Prätendenten in die Welt hinausposaunt und von den carlistischeu Blättern nach Mög lichkeit verbreitet worden, meist nichts als leere Erfindungen waren, bestimmt zuin Blendwerk sowohl dem Auslande wie den Anhängern des Don Carlos in Spanien selbst gegenüber. Nun aber ist sogar unter den zum größten Theile aus dein Auswurf aller Nationen zusammengerafften Freischärlern der allerkatholischstcn Majestät die dort herrschende Zuchtlosigkeit zur offenen Meuterei ausgeartet. Die beutegierigen Schaaren sehen allmählich die ihnen eröffneten glänzenden Aussichten in ein Nichts zerfließen; die Gegenden, in denen sie Hausen, sind bereits so ausgesogen, daß es dort nichts mehr zu rauben und zu brandschatzen giebt. Nun richteten die Mordbrenner- banden die Waffen, mit denen sie so oft erbarmungslos wehrlose Greise, Weiber und Kinder niedcrgestrcckt, gegen den Hauptmann selbst, der ihre Schandthatcn nicht nur sanktiönirt, sondern sie sogar dazu augefeuert. Telegraphischer Meldung zufolge ist D o n C a r- los bei einer im Carli st enlagcr in der Nähe von Durango ausgebrochenen Meuterei durch einen Schuß in den Unterleib schwer verw u n det worden. Hat die Kugel gut getroffen, dann wird Spanien von diesem fluch würdigen Bürgerkriege erlöst, endlich wieder erleichtert aufathmen. Am 10. October früh 10 Uhr tritt eine Sonnenfinsterniß ein, die einzige sichtbare dieses Jahres; für uns eine partiale, nur der mittlere Theil Sibiriens sieht dieselbe ringförmig. Oertlichc und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, 8. October. Nächsten Sonntag, den 11. d. M., findet in hiesiger Stadlkirchc eine Kirchenvisitation statt. Die Predigt Vormittags 9 Uhr hält Herr Pastor Schmidt, Nachmittags halb 2 Uhr hält Herr Diaconus