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Wochenblatt für , Wilsdruff, Tharandt, Rossen, > Sicbenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. Diese« Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitag« und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bi« Montag resp. Donnerstag Mittag. ^7 16. Dienstag, den 24. Februar 1874. Aus einem Gehöfte in Kleinschönbcrg ist in der Nackt vom 1. zum 2. Februar 1874 ein Pferdekummet mit gelbem Schilde nebst einem Pferdegeschirre, an welchem die Seitcnblättcr von vornherein angestickt gewesen, spur- und vcrdachtslos gestohlen worden. Zur Ermittelung desThäters und Wiedererlangung des Gestohlenen wird dieser Diebstahl hiermit zur öffentlichen Kcnntniß gebracht. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 19. Februar 1874. Leonhardi. Die beiden Wilsdruffer Märkte sollen fortan zu folgenden Zeiten: Donnerstag »nd Freitag vor Himmelfahrt, mithin in diesem Jahre am 17. und 18. Mai Donnerstag und Freitag nach dem zweiten Advent, mithin in diesen! Jahre am 10. und 11. Deeember abgehalten werden. Wilsdruff, am 22. Februar 1874. Der Stadtrat h. In Jnterimsverwaltung: Adv. Ernst Sommer. Tagesgeschichte. Der Reichstag hat die erste Bcrathung des MilitärgesctzeZ, des Wichtigsten ihm gegenwärtig zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzentwurfs, in einer einzigen Sitzung beendigt. Die Verhand lungen, an denen sich mit Ausnahme der Ullramontanen alle Par teien den Hauses durch je einen, die nationallibcrale durch zwei Redner bcthciligtcn, machten einen durchaus würdevollen Eindruck. Das größte Interesse bot unstreitig die Rede des Grafen Molkte dar, Welcher unter lautloser Stille des seinen Worten lauschenden Hauses mit leiser, aber fester Stimme in kurzen bündigen Sätzen den Nach weis zu führen suchte, daß bei der jetzigen politischen Weltlage nicht daran gedacht werden dürfe, die Wehrfähigkeit des deutschen Reichs zu mindern, daß die Zeit des bewaffneten Friedens noch nicht been digt sei, Deutschland vielmehr darauf gefaßt sein müsse, das, was cs im Krieg in einem halben Jahr errungen habe, ein halbes Jahr hundert lang mit den Waffen zu beschützen; denn darüber sei keine Täuschung, daß wir seit den glücklich geführten Kriegen an Achtung überall, an Liebe nirgends gewonnen haben. Wollten wir Frieden haben und gebieten, so dürfe die Macht dazu uns nicht fehlen. Von der liberalen Seite des Hauses wurde gleichfalls anerkannt, daß die Wehrkraft des Reiches in keiner Weise geschädigt werden dürfe, aber auch auf die erheblichen Bedenken hingcwicsen, welche einer unver änderten Annahme des Gesetzes entgegcnstehen. Ein solches Be denken liegt namentlich hinsichtlich der beantragten Friedcnspräscnz- stärke des Heeres, d. h. der Zahl der Mannschaften und Unteroffiziere vor, welche alljährlich j» Dienst sein sollen. Da sich jedoch erwarten läßt, daß durch weitere von der Regierung namentlich in technischer Beziehung zu gebende Ansklärungen und beiderseitiges Entgegenkom men eine Einigung in der Hauptsache erzielt werden wird, so wurde das Gesetz zu diesem Zwecke zunächst an eine Commission verwiesen. Die Sozialdemokraten im Reichstage haben sich vergebens be müht, in die Commission für das Militärgesetz ein Mitglied ihrer Partei zu deputircn. Die Nationalliberalen sollen aber geneigt sein, für die Gewerbegesetz-Commissiou einen Platz abzutreten. Achnliches ist schon dagewesen. Bebel wurde in der früheren Session zum Com- missionsmitgliede für daS Gcwcrbegesetz gewählt; aber er erschien nur in einer einzigen Sitzung für die Dauer einer halben Stunde und er ward nimmer wieder gesehen. Köln, 20. Februar. Heute Vormittag hat hier die Versteigerung der Gegenstände stattgefunden, welche dem Erzbischof Melchers wegen der rechtskräftig gegen ihn erkannten, sich auf 1500 Thlr belaufenden Geldstrafen abgepfändet worden waren. Der Erlös aus sämmtlichen Pfandobjectcn betrug etwas über 400 Thlr. Am 19. d. M. verschied zu Wiesbaden der durch seine popu- lär-medicinischen Schriften und Aufsätze weit bekannte Dr. Carl Errrst Bock, Professor der pathologischen Anatomie an der Universität zu Leipzig, zwei Tage vor seinem 65. Geburtstage. Die Folgen des von den Franzosen aus Uebermuth vom Zaune gebrochenen Kriegs fangen für Frankreich selbst an, immer cmfind- lichcr und bedrohlicher zu werden. Schilderungen aus Paris über die gegenwärtige Lage der Handwerke und Gewerbe lauten ziemlich bedenklich. Die besten Arbeiter für Pariser Artikel sind nach Eng land oder Amerika ausgewandert. Das Baugewerbe ist auf das Nöthigste beschränkt lind Maurer, die etwas verdienen wollen, gehen nach Metz, um für Rechnung der deutschen Negierung an den dorti gen Festungswerken zu arbeiten. Die großen Werkstätten entlasten ihre Arbeiter zu Hunderten oder vermindern die Arbeitsstunden um die Hälfte. In der Gallerte Vivienne stehen 5, in der Chaussee d'An- tin 30 Gewölbe leer. Die Schneider haben mehr auszubessern, als neue Kleidungsstücke anzufcrtigen; die gcwönlichen Bäcker verbrauchen nur halb so viel Mehl und diejenigen, welche feines Brod bucken, stellen vorzugsweise ordinäres her; die Krämer verkaufen fast nur unentbehrliche Gewürze und nur sehr wenig feinere Colonialwaaren, an denen der Handel am meisten verdient. Alle früheren Ersparnisse sind unter solchen Umständen aufgezchrt und ein Bankerott folgt dem anderen. Dagegen hat die Fabrikation von Talglichtcrn einen Auf schwung genommen, die unter dem Kaiserreiche fast ganz von Stearin kerzen verdrängt waren. Diese sind aber für viele Haushaltungen zu lhcuer geworden, wo jetzt statt Wein gemischte Getränke, statt Zucker Sprnp und manchmal statt Brod Kartoffeln genossen werden. Nicht viel besser sieht cs im Norden und Süden dcS Landes aus, weil eS au Geld und Bestellungen fehlt. Zu Ehren des Marschalls Mac Mahon soll am 12. März in Paris ein Ball abgehaltcn werden, zu dem nicht weniger als 40000 Einladungen erlassen werden sollen. Debroufle, Eigcnthümer der „Presse", ein bekannter Millionär, hat die Sache in die Hand genom men und erbietet sich, aus eigenem Vermögen 6 bis 700,000 Fres, zu den Kosten des Ballfestes beizutragen. Der Ball soll imJndustrie- palaste abgehalteu werden, der zu diesem Behufe erst in einem Flächen inhalte von 14000 Meter gedielt und mit den erforderlichen Beleuch tungsapparaten versehen werden muß, Ausgaben, die sich allein schon auf Hunderttauscnde belaufen. (Wenn man diese Hunderttausende doch lieber den hungernden Familien in Paris zukommen ließe. D.R.)