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1874. Freitag, den 20. März —r. —ii. That unstichhaltigen Einwürfe. Der hörbarste bezieht sich auf den Wegfall der Ausgrabung für gerichtlicke Erhebungen. Sie läßt sich aber durch doppelte amtliche Leichenschau und durch allgemeineren Gebrauch der freiwilligen Scction vollkommen ersetzen. Die Theo logie kann noch weniger anfkommen als die Jurisprudenz. Die Verbrennung kann auch diejenigen nicht stören, die an ein jüngstes Gericht mit Auferstehung deS Leibes glauben. Derselbe Gott, welcher die tobten Knochen beleben kann, wird auch die Macht haben, die tobte Asche zu beleben, den verbrannten Leib ebenso gut wiederher« zustellen als den verwesten. Daß die Verbrennung unserer Todten mit aller Feierlichkeit und ohne Pietätsverletzung vor sich gehen und darin der Beerdigung nicht nachstehen wird, ist selbstverständlich. Schließlich verweisen wir auf das Buch selbst, daS die Methoden und die (auf einer Tafel abgebildeten) Apparate der Verbrennung betrifft. Professor Polii wendet Leuchtgas an, Professor Gerini in Lodi kennt eine Substanz, welche, auf eine äußerst hohe Temperatur gebracht, eine Flüssigkeit erzeugt, die in wahrhaft wunderbarer Weise in wenigen Augenblicken eine Leiche, welche mit derselben behandelt wird, in ihre kleinsten Elemente auflöst. Der Apparat des Professors Brunetti von Pedua war auf der Wiener Weltausstellung zu besich tigen. Auch Professor Neelam in Leipzig hat eine sehr billige Me thode (durch bis auf Weißgltthhitze erhöhten Luftstrom) erfunden. Die Kosten werden sich, besonders wenn mehrere Leichen aus einmal verbrannt werden, nicht höher als 6—12FrS. für jede stellen. Auch hierdurch springt der volkSwirthschaflliche Nutzen in die Augen, beson ders für die Unbemittelten, welche jetzt ihre Trauer noch obendrein so theuer bezahlen müssen. Ueber Leichcnverbrennung. Wir machen auf eine in diesen Tagen in Zürich erschienene Schrift aufmerksam: „Ueber Leichenverbrennung als rationellste Bestattungs art. Eine Abhandlung, dem gesunden Menschenverstände gewidmet von Wegmann-Ercolcni. Motto: Du bist Staub und wirst wieder Staub werden." Der Vorschlag, unsere Todten dem Feuer statt der Erde zu übergeben, bildet unzweiselhast einen nicht zu verachtenden Beitrag zur Lösung der socialen Frage. Der Verfasser schöpfte die erste Begeisterung für die Sache vor 22 Jahren in Pompeji aus dem Anblicke jener hübschen freundlichen Todtenmonumentcn, Columkarien genannt, im Innern alle hohl und an den Jnwänden ringsum mit Niscken versehen, in welchen in Urnen die Asche der verbrannten Leichen zum ewigen Angedenken aufbewahrt wurde, unter jeder Nische dm Namen dessen ausweisend, dessen Asche die Nische enthielt. Im Titelbild wird ein solches Lolumkarium dargcstellt. Der Verfasser giebt eine ausführliche Literatur über Leichenver brennung. Schon 1855 gab zu BreSlan der preußische Oberstabsarzt Or. Trusen eine Schrift darüber heraus; 1849 hat I. Grimm in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin eine Abhandlung darüber gelesen. Die große Mehrzahl dcr Schrislcn ist indcß von italienischen Professoren a'usgegangen; der Versasser hat ihre persönliche Bekannt schaft gemacht, ihre Forschungen studirt und ihre Apparate kennen lernen. Italien, der Erbe des elastischen Alterthums (die Verbren nung ist uralt und war bei vielen Völkern im Gebrauche, bis das Christenlhum sic verdrängte) wird allem Anscheine nach in der prac- tischcn Verwirklichung vvrangehen. Der 1869 in Florenz abgehal tene Internationale Congreß erklärte, daß die Verbrennung der Leichen im Namen der Civilisation und der öffentlichen Gesundheit unumgänglich nothwcndig sei. In den größeren Städten Oberita liens bestehen bereits zahlreiche Vereine dafür. Dem Professor Polli in Mailand sind zur Unterstützung der Sache viele bedeutende Bei träge in Summen bis zu 10000 Frs. zugcstcllt worden. Uebrigcns hat sich auch in Hamburg schon ein Vcrbrennungsverein von 80 Mit gliedern gebildet und Zürich wird sicher bald nachfolgen. Der Haupt grund für den Ersatz der Beerdigung durch die Verbrennung wird von der Gesundheitspflege geliefert, welche die fortschreitende Vergif tung der Luft und des Wassers nicht mehr dulden kann. „Die Ver brennung gestattet, die Todten zu ehren ohne Nachtheil für die Ge sundheit der Lebenden." Eine zweite Rücklicht ist die Beseitigung des schauderhaften Le- bendigbegrabenwcrdenö. In dritter Linie erscheint die gebieterische Vclkswirthsckaft. Die Wohnungsnoth der Lebenden wird durch die der Todten beträchtlich gesteigert. Der Verfasser berechnet: „Man kann ohne Uebertreibung einen Mitteldurchschnilt von 3 Hektaren per Gemeindckirchhof annchmen. Für Belgien allein wären das mehr als 7500 Hektaren, welche einen ungefähren Werth von 38—40 Millionen darstellen. Dieses Capital ist gegenwärtig der Circulativn entzogen; es wird diesmal buchstäblich von der Todten Hand inBe- schlag genommen, ohne Vortheil oder Nutzen für Irgendjemand. Endlich viertens verdient auch Reinlichkeit und Anstand billige Würdigung. Die Verbrennung ist jedenfalls ungleich practischer und ästhetischer als die Versenkung der Leiche in eine Grube zur Speise Von Würmern und anderem Ungeziefer. Schon die alten Griechen meinten, daß von den Scheiterhaufen, auf denen die irdischen Reste ihrer Angehörigen vom ^euer verzehrt wurden, die Geister derselben in reinerer ätherischer Gestalt gen Himmel fahre. Der Aufbewahr ungsort der Aschenurncn z. B. in schönen monumentalen Bauten (mo dernen Columkarien), soll in allen Religionen und Confcssioncn ein gemeinsamer sein. Es soll jedem Einzelnen freistehen, die Asche seiner Verstorbenen in öffentlichen Columkarien aufbewahren zu lassen oder dieselbe mit Erde vermischt in einem schönen Gefäß eine liebliche Rose oder andere Blume, gewiß ein herrliches Erinnerutigstnittel, zu pflanzen. Der Verfasser nimmt auch gebührende Rücksicht aus die iu der Tagesgeschichte. Wenn nur noch zehn Jahre ins Land gezogen sind, dann werden die ewigen erbitternden Gränzstreitigkeiten zwischen Kirche und Staat aufhören. Wie im Deutschen Reiche, so werden jetzt in Oesterreich durch gute Gesetze richtige Gränzsteine zwischen Staat und Kirche gesetzt und über diese hinaus darf kein Geistlicher Hirte hüten. Natur« lieh sind auch in Oesterreich die geistlichen Herren außer sich über diese Neuerung, sie nennen's Beeinträchtigung der Kirche oder auch Raub, und richtig ist's, daß sie in Oesterreich viel schlimmer daran sind mit ihren Klagen als in Deutschland. Da konnten sie die Neuerungen dem bösen Ketzer Bismarck in die Schuhe schieben, welcher der katholischen Kirche Gewalt anthue; aber wen wollen sie in Oesterreich anklagen? — Den Kaiser? Er ist kein Ketzer, sondern ein frommer, streng katholischer und dem Papste sehr ergebener Herr! Oder das Volk und die Abgeordneten? Auch sie sind allesammt gute Katholiken und denken an nichts weniger als der katholischen Kirche wehe zu thun. Kaiser und Abgeordnete wollen nur das Haus recht des Staates wahren. Das Volk selbst beginnt schon einzusehen, daß es sick nicht um Religion und nicht um die Kirche handelt und um deren Beeinträchtigung, sondern darum, der herrschsüctigen Curie in Rom ihre Gränzen zu weisen zum Wohl und zum Frieden der Völker. Danzig, 14. März. Der Kulmer Bischof v. d. Marwitz ist, wie der „Danziger Ztg." aus Stargardt vom gestrigen Tage gemel det wird, wegen wiederholter, den Gesetzen zuwiderlaufender Anstell ung von Geistlichen zu einer Geldstrafe von 2400 Thlrn. event. l6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Ein großer Theil französischer Blätter sieht in dem Wider stand, der sich in der Militair-Commistion gegen daS deutsche.Mili- tairgesetz findet, ein Anzeichen der bevorstehenden Auflösung des deut schen Reichs. Die „Liberto" meint, der Widerstand Deutschlands ge gen die Preuß. Eroberung hat begonnen; mögen Molkte und Bismarck über die Ursache des Falles der Reiche Nachdenken. ÄcMslt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dafts Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme biS Montag resp. Donnerstag Mittag.