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Wochenblatt für für siir die Königl. Amtshmiptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Bierzigster Jahrgang. Cisch e nt wöchentli ch 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Abonncmentspreis vierteljährlich I Ma rk. Eine einzelne Nummer' kostet 10 Pf. JnseratenannaLme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Ulr. Trfcheint dicht ntlich 2 Mal Dienstag und Freitag) AbrnnementspreiS dierteljährlich 1 Mark, kine einzelne Nummer kostet 10 Pf. rMA Wilsdruff, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden 188». Nr. 62. Freitag, dm 3Ü. Juli Deutschlands übnsccische Haudclsbeziehuugcn. aare, Federn, In einem Zeitpunkt, in welchem Deutschland an verschiedenen Nellen seinen überseeischen Handels- und Verkehrsinteressen durch völker- ^chtliche Verträge oder durch wirthschaftliche Abmachungen theils schon, weitere Ausdehnung gegeben hat, theils noch zu geben im Begriff ist, scheint ein Blick auf den Umfang und die Natur der Beziehungen, Welche der Handel zwischen dem Mutterland und den verschiedensten Gebieten der Culturwelt geschaffen hat, als ein beachtenswerther Bei- ^8 Zu der Geschichte der modernen wirthschaftlichen Entwickelung. harmonischer Uebereinstimmung mit der seit nunmehr fast einem ""hrzehnt von ihm eingenommenen politischen Rangstellung ist das "tu geeinte Reich auch den national-ökonomischen Impulsen gefolgt, solche sich mit unwiderstehlicher Kraft und gleichsam wie Naturgesetze Leben der Völker fühlbar machen, und lebendigen Antheil an der Megung genommen, deren Richtung immer mehr dahin geht, die seinen Volkswirthschaften, ohne sie ihrer Individualität zu entkleiden, iur Betheiligung an der Weltwirthschaft heranzuziehcn. . Unter Weltwirthschaft ist dabei die weiteste wirthschaftliche Ge- "ultung verstanden, welche die einzelnen Bolkswirthschaften-zur voll- sMstcn Geltung bringen und ihrerseits den Ausgleich zwischen Be- "Ulsnissen und Gütern auf der breitesten Grundlage sichern soll; be- Lründet auf fundamevtale Elemente des modernen Culturlebens, wie die internationale Gleichartigkeit der Verkehrseinrichtungen der ^rwaltung und gewisser Zweige der Gesetzgebung, die kosmopolitische ^deutung der Capitalien und des Credits, welche sich nicht mehr "uüonal abschließen lassen, ist die Weltwirthschaft ihrer eigensten Natur "uch ein Verband, der über die politischen Grenzen deS Staats hiuaus- und den Betrieb der einzelnen Wirlhschaftsbranchen dem Ge- iummtinteresse unterwirft. Um einen ungefähren Ueberblick über das «»wachsen und die Ausbreitung des deutschen Handels in den letzten >Eiren zu gewinnen, genügt es, sich zu vergegenwärtigen, daß sich "verhalb der Jahre 1872 bis 1878 die Einfuhr von 3468 Millionen Mk auf 3722 Millionen, die Ausfuhr von 2494 Millionen auf ^2 Millionen Mark Waarenwerth erhöht hat. Davon waren die "Zigsten Artikel: Getreide (eingeführt 1878 für 612 Millionen, aus- Whrt für 375 Millionen», Spinnstoffe (eingesührt 1878 für 587 Miauen, ansgeführt für 228 Millionen), Thiere und animalische Ärungsmittel (eingeführt 1878 für 396 Millionen, ausgefnhrt für ^Millionen), Zucker, Kaffee, Gewürz (eingeführt 1878 für 202 Mionen, ausgeführt für 121 Millionen), dann noch Hi Mte (176 resp. 99 Millionen), Droguen, Chemikalien (1 ^165 lesp. 110 Ti'llionen), Bau- und Nutzholz (199 resp. 70 Millionen) und Harze, Mne und Sämereien (in kleineren Umsätzen). Im Jahre 1871 zählte .^ deutsche Handelsflotte 4519 Fahrzeuge, darunter 147 Dampfer, A'2 Segelschiffe mit im Ganzen 39,500 Mann Besatzung; am 1. M>ar 1879 stellten sich diese Zahlen dahin, daß es 4804 Fahrzeuge von denen 351 Dampfer und 4453 Segelschiffe mit zusammen >M7 Mann Besatzung vorhanden waren. Ein Blick ans die Saison /»tschcr Schiffe während der letzten Jahre zeigt, daß die Fahrten bischer Schisse zwischen Deutschland und dem Auslonde sich nicht .fruwhrt haben, sondern auf demselben Umfang nach Zahl und Trag- Mgkeit der Schiffe stehen geblieben sind, daß dagegen die Betheiligung Es deutschen Flagge am Handel zwischen den äußerdcntschen Handels- nicht unbedeutend und ziemlich stetig zngenommcn hat. Es Mrden im Ganzen zwischen außerdentschen Häfen von deutschen Schiffen 0,780 Reisen gemacht, d. h. etwa 200 Reisen mehr als im Vorjahre, ^.größte Steigerung des Verkehrs fand nach den Handelsplätzen Asiens statt; auch verkehrten in den Häfen Brasilieus und Süd- . Erikas füdlich von Brasilien mehr deutsche Schiffe als in den Vor- lahren. Der Branntwein und die Selbstmorde. Bon allen Seiten ertönt die gleiche Klage über die Zunahme der ^anntweinpest. „In immer steigendem Maße treten die Verheerungen i" Tage, welche der übermäßige Branntweingenuß unter der Bevöl- ^ung anrichtxt", schreibt ein Schweizerisches Blatt. „Die Zahl der Mwer, größtentheils Familienväter, welche jährlich der Trunksucht, »ebesondere dem Schnapstenfel, zum Opfer fallen, ist eine erschreckend „Man ist allenthalben bestürzt über die Ausbreitung der ^sanntweinpest unter der wenig begüterten Bevölkerung unseres Landes", es in einer Eingabe aus dem Elsaß an die Reichsregierung, »d bemerkt wird, daß sich in Mühlhausen der Branntweinverbrauch j» letzte fünf Jahren verzehnfacht habe. vr. Bär, der Oberarzt Staatsgesüngniß Plötzensee in Berlin, beziffert in seinem Buche ".^er Alkoholismus" die Opfer dieses Menschenfeindes in Nordame- ora von 1860—70 auf 300,OM Menschenleben, 100,000 Kinder in ^uhäusern, 150,0M Personen im Gefängniß, 2000 Selbstmörder, .Mülion Waisen. In Europa perbraucht England am meisten Al- Ml, dann kommen Belgien, Holland, Dänemark u. s. w. Or. Bär Vltcht dem Alkohol jeden Nahrungsstoff ab, erklärt ihn dem gesunden rzaiusmus gänzlich entbehrlich und fordert, daß fein täglicher Ge such entschieden vermieden werden solle. Ein Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses hat bei Anlaß der Verhandlungen über das Schanksteuergesetz erklärt, es sei konsta- tirt, daß V» aller Gefangenen, ferner die Hälfte aller Landarmen, die den Gemeinden zur Last fallen, Branntweintrinker seien. Die Brannt- weinnoth und das Branntweinelend sei in allen Provinzen des preu ßischen Staates gleich groß. „Die wüste Nachtschwärmerei, die zahl reich zerrütteten Ehen, die gemißhandelten Frauen, die Vermehrung der Verbrechen, die Zunahme der Selbstmorde, die steigenden Kosten der Polizeiverwaltung und vieles andere Schlimme sind Folgen des übermäßigen Bramüweingenusses." Was insbesondere die Zunahme der Selbstmorde anbetrifft, welche zu einem großen Theil dem Alkohol auf Rechnung geschrieben werden können, so hat auf einer neulichen Konferenz für innere Mission der Vorsteher des Trinkerasyls zu Lintorf, Pfarrer Hirsch, auf Grund eines umfangreichen, statistischen Materials nachgewiesen, das eine Steigerung der Selbstmorde stattgefunden in Preußen seit 1820 um 90 Proz., in Sachsen seit 1830 um 90 Proz., in Bayern seit 1840 um 87, in Württemberg seit 1850 um 68, in Baden seit 1850 um 149, in Mecklenburg feit 1850 um 165, in Deutsch-Oesterreich seit 1820 um 430, in Frankreich seit 1830 um 186, in Dänemark seit 1840 um 31 Proz. Eine Abnahme der Selbstmorde weise allein Nor wegen aus, und zwar um 9 Proz., in Folge der dortigen scharfen Gesetzgebung gegen den Alkohol. Die Schweiz nimmt laut der Sta tistik in Bezug auf das Verhältniß der Selbstmorde zur Bevölkerung eine der höchsten Stellen ein und das übermäßige Schnapstrinken wird in erster Linie als Grund derselben bezeichnet. Die Börse und der Geldmarkt. Kaum ist nur eine kleine Besserung im Geschäftsleben und in der Industrie bemerkbar, als auch die Börse bereits wieder, ähnlich wie im Januar dieses Jahres, ein wildes Hochlrciben der Conrse inscenirt. Die Preise für Rohprodukte und Jndnstrieartikel haben etwas angezogen, insbesondere ist die Nachfrage nach Kohlen und Eisen wieder stärker geworden, aber im Ganzen sind die Marktpreise keineswegs derartige, daß bei dem Verkauf ein großer Gewinn zu verzeichnen ist. Die Börse indessen eseomptirt wie immer die Hoffnung weiterer Steigerungen und fo ist der Geldmarkt ein fester gewesen und die Hauffe erstreckte sich nicht nur auf Bergwerks- und Jndustriepapiere, sondern fast auf alle Effecten. Die leitenden Speculativnspapiere wurden in den Tagen der Vorwoche in so bedeutenden Posten und mit so lebhafter Steigerung umgefetzt, daß sich daraus eine sehr bedeutende Betheiligung des Pri- vatkapitals erkennen läßt. So wenig auch die Warnungen der Presse von dem kleinen Ca pital, das sich von der Spielsucht und Gewinnlust fortwährend be herrscht zeigt, beachtet werden, so muß doch immer und immer wieder darauf ausmcrkfam gemacht werden, daß die von Zeit zn Zeit ein- tretenden Conrssteigcrungen in der augenblicklichen Lage der Industrie und des gesummten Geldmarktes keinen reellen Hintergrund besitzen. Der Export ist nur in wenigen Branchen gestiegen und der einheimi sche Bedarf macht bei der geringen Unternehmungslust keine außeror dentlichen Ansprüche an die Production. Es ist dringend geboten, die alte Erfahrung noch heute zu beherzigen, daß jede Besserung des Ab satzes eine möglichst weitgehende Attsdehnung der Production im Ge folge hat und die jetzt eingetrelcne Besserung sich nur auf einzelne Branchen beschränkt und überhaupt durch die bestehende Production leicht zu befriedigen ist, so dürfte die rafche Ausdehnung der Produe- tion sehr rasch zu einer nenen Ucberproduction führen. Der rasche Wechsel von Hanße und Baiße an der Börse beweist, wie rasch Aufschwung und Rückschlag auf einander folgen, und es ist keine Prophezeihung, sondern eine klare Wahrheit, daß schließlich mir die Speculation aus diesem Treiben Nutzen zieht. Das Privatcapital sollte daher lieber warten, bis sich eine dauernde Besserung des Han dels und der Industrie erkennen läßt und es findet sicher eine solidere Anlage daheim, als an der Börse. Die schönen Hoffnungen, die Aus sichten der Speculation sind trügerischer als je und die Erfahrungen des kleinen Capitals werden abermals üble sein. Mit großer Hast schickt die Specnlation die Papiere, welche sie abzuwälzen wünscht, in den privaten Besitz und darum ist nicht allein Vorsicht gut, sondern die Enthaltsamkeit von jeder Speculation besser. Tagesgeschichte. Berlin. Die immer zunehmende Agitation gegen das Gerichts kostengesetz hat auch im Reichsjustizamte und im preußischen Justiz ministerium Beachtung gefunden. Wie es heißt, werden von diesen beiden Ministerien Gutachten über die thatsächlich obwaltenden Ver hältnisse eingeholt, und es liegt nicht außer dem Bereiche der Möglich keit, daß, wenn man sich an amtlicher Stelle von der wirklich vor handenen Kalamität überzeugt haben wird, man auch nicht zögern wird, so schnell als möglich an eine Abänderung des Gerichtskvsten- gesetzes zu gehen. An die hiev wohnenden Abgeordneten gelangen täglich Beschwerden in dieser Angelegenheit, und es bereitet sich im ganzen Lande ein wahxer Petitionssturm vor,