Volltext Seite (XML)
ÄMKilW M UW UtsBNS Nr. 80. zu Nr. 143 des Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Braube in Dresden. LandtaMerhandlungen. (Fortsetzung der 3«. Sitzung von Donnerstag, de« 1«. Juni 1927.) Abg. Entertet» (Wirtsch.): Stundenlang hat heute die linke Seite des Hauses über Klassenjustiz geredet, hat von Ungerechtigkeiten und Greueln gesprochen, die innerhalb unserer Justiz bestehen sollen. Wenn das, was hier erzählt worden ist, wahr wäre, dann wäre unser Staat meiner Meinung nach eine Hölle, und wir alle wären die Knechte darin. Ich darf aber sagen, daß sehr weite Kreise unserer Bevölkerung, darunter auch viele von Wählern der Linken, sich in diesem Staate sehr wohl fühlen und mit der Kritik, die die Linke an der Justiz geübt hat, nicht einverstanden sind Aber diejenigen, die so reichlich über die rngebliche Klassen« justiz gesprochen haben, nehmen die Freiheit, die ihnen diese angebliche Klassenjustiz gibt, reichlick in Anspruch. DaS hat die heutige Aussprache zur Genüge gezeigt. Wenn man dann weiter gehört hat, wie heute Herr Abg. Roscher über Äußerungen von Regierungsvertretern tm Rechtsausschuß gerade in das Gegenteil umgekehrt hat, dann, muß man schon einmal durch einen kräftigen Zwischenruf diese Art und Weise kennzeichnen, selbst wenn man sich dadurch einen Ordnungsruf zuzieht. Mit der Berichterstattung aus dem Ausschuß ist es eine eigene Sache. In der Zeitschrift des Reichsverbandes der Justizbureaubeamten vom 1. Juni d. I. befindet sich z. B. ein Bericht über „der sächsische Juitizetat im HauShaltausschuß des sächsischen Landtags". Dort wird folgendes festgestellt: Am 11. und 16. Mai 1927 fand im Haushaltaus« schuß die Beratung der Justizkapital 22 und 23 Der Abgeordnete Herr Landgerichtsdirektor Neu (SPD) stellte für die sächsischen Justizkanzleibeamten bei Kap. 23 folgende Anträge: — nun werden die Anträge im einzelnen aufgeführt. Weiter haben Anträge gestellt die Kommunistische Partei: — und nun kommen diese. Weiter steht hier, daß der Abg. Göttling als Bericht erstatter die Überweisung der Anträge der Justitbeamten an den BefoldungSauSschuß beantragt hat; und nun wird festgestellt, daß der Ausschuß die Überweisung an den Besoldungsausschuß beschlossen hat. Abg. Neu war gegen Überweisung an den Besoldungs ausschuß und rst mit allem Nachdruck für Annahme der berechtigten Anträge der Justizkanzleibeamten im Haushaltausschuß eingetreten. Nicht einmal der Abgeordnete, Herr Justizinspektor Enterlein, hat sich von der Berechtigung der von dem Herrn Abg. Neu gestellten Anträge überzeugen lassen. Hier wird die Wahrheit völlig verkehrt. Ich möchte zu- nächst feststellen, daß ich nur in der Sitzung vom 11. Mai im HauShaltausschuß anwesend war, nicht aber am 16., als die Abstimmung stattfand. Tort war der ordnungsmäßige Vertreter meiner Fraktion anwesend. Aber auch wenn ich anwesend gewesen wäre, hätte ich das gleiche tun müssen wie unser Fraktionsvertreter; denn es ist ein Ding der Unmöglichkeit, die Besoldungs reform für einzelne Gruppen, für einzelne Beamte vorwegzunehmen. (Sehr richtig! rechts. — Abg. Neu: Das ist gar keine Besoldungsresorm!) Das ist eine Be- foldungsreform, Herr Kollege, Sie wollen für Beamte eine andere höhere Einstufung, deren Berechtigung ich für die künftige Besoldungsordnung durchaus anerkenne. Es kann also die Annahme dieser Anträge jetzt über haupt nicht in Frage kommen. Tas wissen alle Par teien ganz genau, und es ist parteipolitische Agitation, wenn hier die Sacke falsch dargestellt wird. (Sehr wahr! b d. Wirtsck5 Ich möchte nun kurz noch auf die Sache selbst entgehen und mir zunächst namens der mittleren Justizbeamtenschaft die Bitte erlauben, daß die Ent- lastungsgesetzgebuna erweitert wird, die den Richtern minderwichtlge Geschäfte abnimmt und sie den mittle ren Justizbeamten, den sogenannten Rechtspftegern, über- trägt. Wenn auf dieser Bahn weitergeschritten wird, so wird auch die überaus große Inanspruchnahme der Richter, von der heute wiederholt gesprochen worden ist, gemildert. Da- Institut der Rechtspflegcr hat sich außerordentlich bewährt. Mir ist zwar bekannt gewor den, daß einzelne Behördenvorstänke Berichte an das Justizministerium gegeben haben sollen, in denen gesagt wird, daß diese Recht-Pfleger, diese mittleren Justiz beamten, den ihnen übertragenen Aufgaben nicht ge wachsen seien. Ich möchte demgegenüber feststellen, daß der Herr Justizminister in der Sitzung des Haus- haltauSschußeS X ausdrücklich festgestellt hat: die RechtS- pfleger werden vom Ministerium als eine gute Ein richtung angesehen, die sich durchaus bewährt hat. Man muß nur tatsächlich vollwertigen Kräften, die die vorgeschriebenen Prüfungen in der ordnungsmäßigen Weise bestanden haben, diese Geschäfte übertragen. In einem Punkte kann ich dem Herrn Justizminister nicht beitreten (Hört, hört! und Heiterkeit links ), da- lst auf dem Gebiet der Geschäftsordnung. Der Herr Kollege Neu hat den Antrag gestellt, diese Geschäft ordnuna neu zu fassen und zu drucken. Dem kann man nur -«stimmen. Die Geschäftsordnung ist dicker wie eine Bibel, und da sind noch nicht einmalalle Einfügungen von Deckblättern und Nachträgen drin. Bei einem Neudruck bleibt der Mangel der massenhaften Nachträge und der Unübersichtlichkeit bestehen. Man muß sich deshalb die Fortschritte der Technik zunutze machen und die Geschäftsordnung in den einzelnen Teilen m Klappenformat mit auswechselbaren Blättern emrichten, dann wird die Geschäftsordnung eine dauernd brauch bare Einrichtung sein. (Lachen links.) Ich möchte dann noch einige Worte nicht nur für die mittlere Justizbeamtenschaft, sondern auch für die mittlere Beamtenschaftimallgemeinensprechen. (Abg^ceu: Und die untere?) Ich habe schon erklärt, daß ich die berechtigten Wünsche der unteren Beamtenschaft an- erkenne und bei Beratung der Besoldungsreform sür die Erfüllung dieser Wünsche eintreten werde. (Abg. Neu : DabrauchenwirnichtbiszurBesoldungsreformzuwarten.) Ich möchte nämlich den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß schon in der Gegenwart bet Besetzung der gehobenen Stellen, die für die mittlere Beamtenschaft vorgesehen sind, auch die Provinz mehr als bisher berückuchtigt wird, daß auch die tüchtigen Kräfte aus der Provinz hier herangezogen werden, und ich möchte weiter dem Wunsche Ausdruck geben, daß bei der Besoldungs neuregelung überhaupt auch für die Provinz Auf- lückungsstellen in dem jetzt fast nur für die Großstadt vorgeschriebenen Maße geschaffen werden möchten. Wenn der Herr Kollege vr. Gelfert darauf zu sprechen gekommen ist, daß eine Gleichstellung der mittleren Beamten mit den Lehrern verlangt wird, so möchte ich das hier ganz nachdrücklich unterstreichen. Es kann dabei von einer Mißgunst der Beamtenschaft gegenüber der Lehrerschaft keine Rede sein. Die mittlere Beamten schaft will weiter nichts, als daß sie das gleiche Recht erhält wie die Lehrerschaft. Wir haben heute erst wieder im Beamten- und Besoldungsausschuß gehört, daß jedem Lehrer gesetzlich garantiert ist, daß er nach 30 bis 40 Dienstjahren in die Gruppe IX kommt. Wir sind der Meinung, daß dieses Recht auch den mittleren Beamten zuteil werden muß. Ihre Arbeit ist für den einzelnen wie auch für die Gesamtheit mindestens ebenso wert voll wie die Volksbildungsarbeit der Lehrer. (Hört! Hört! b. d. Dem. — Bravo! rechts.) Damit ist die Aussprache erschöpft. Nach tatsächlichen Berichtigungen derAbg vr. Wagner (Dnat.) und Neu (Soz.) werden die Anträge auf Druck sache Nr. 380 unter 1 alle mit Ausnahme von Ziff. b und 6, unter III, 1—6, 9,10,11 und 14 abgelehnt, die Anträge I, 5 und 6, II — jedoch ausschließlich deS Tit. 17b —, III 7, 8, 12 und 13 angenommen. Tie Anträge auf Drucksache Rr. 381 werden unter I ab gelehnt, unter II und III angenommen. Gegen das Gehalt des Justizministers, über das getrennt abgestimmt wird, stimmen die Sozialdemokraten und Kommunisten. Tie Anträge aus Drucksache Nr. 10, 38, 192, 235 und 354 werden dem Rechsausschuß überwiesen. Die Anträge auf Drucksache Nr. 392 unter I werden abgelehnt, unter II und III angenommen. Punkt 9: Erste Beratnng über den Antrag des Abg. Arzt u. Gen., die Reform des Ehescheidung», und des eheliche« Güterrechts bctr. (Drucksache Rr. 247) wird von der Tagesordnung abgesetzt. Damit ist die Sitzung zu Ende. (Schluß der Sitzung 9 Uhr nachmittags.) 37. Sitzung. Dienstag, den 21. Juni 1927. Präsident Schwarz eröffnet die Sitzung 1 Uhr 4 Minuten. Am Regierungstisch Ministerpräsident Heldt, sämt- liche Minister sowie eine Anzahl Regierungsvertreter. Bor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort zu einer Erklärung Abg. vr. Kast«er (Dem.) Ter Herr Abg. Aßmann hat in der vorigen Sitzung am 16. Juni 1927 im Namen der Reichspartei deS deutschen Mittelstände- eine Er« klärung abgegeben. Diese Erklärung enthielt zunächst objektive Unrichtigkeiten (Abg. Liebmann: Hört! hört!) und bedarf insoweit der Klarstellung. Die Erklärung beginnt nämlich mit den Worten: „Der Abg. vr. Kastner hat in der letzten Landtags sitzung im Eingang seiner Rede die Behauptung aufgestellt, die Regierungsparteien im Reichstage hätten eine von seinen politischen Freunden einge- brachte Interpellation gegen die beabsichtigte Porto- erhöhung abgelehnt. Dabei seien die Regierung-- Parteien von der wirtschaftlichen Bereinigung unter- stützt worden." Zunächst ist e- varlamentarisch unmöglich, eine „Inter- pellation" al- solche abzulehnen. Infolgedessen habe ich auch da- nicht behauptet. Wa- ich behauptet habe, ist vielmehr folgende- (ich verweise dabei auf den Bericht in der LandtagsbeiLge der „Sächsischen Staats- zeitung" Rr. 77, S. 281, Spalte 1), -Meine Freund« im Reiche hatten bereit- «n- laß genommen, tm Reichstage am 11. Mat eine sehr ausführliche Interpellation, Drucksache Nr. 3367, „ der Sache einzubringen. Tie Besprechung dieser Interpellation im Reichstage über die Beschwerden, die mein verehrter Vorredner vorgebracht hat, wurde von der Regierung abgelehnt, die Regierungsparteien haben sie dabei unterstützt, auch die Wirtschaftliche Vereinigung im Reichstage." Tiefe von niir getroffene Feststellung ist von Herrn Abg. Aßmann nicht bestritten, weil sie den Tatsachen b"^Wenn im übrigen in der Erklärung des Herrn Aba. Aßmann darauf verwiesen wird, daß m der Reichstagssitzung vom 15. Juni 1027 die Besprechung der Interpellation über die Portoerhohung tatsächlich im Reichstage stattgefunden hat und daß dabei nicht nur der Abg. Mollath gegen die Por'oerhöhung Stellung nahm, sondern daß auch die Wirtschaftliche Vereinigung zusammen mit meinen politischen Freun den und den Sozialdemokraten dem Antrag der letzteren auf Zurückziehung der Portoerhöhungsvorlage zu- gestimmt hat, so ist diese Tatsache sehr erfreulich, gegen- über meinen Ausführungen aber belanglos. Es ist dem Herrn Abg. Aßmmn scheinbar ent gangen, daß meine Ausführungen bereits am 14. Juni, also am Tage vor der Reichstagsverhandlung, gemacht worden sind und sich auf die Zeit vor dem 14 Juni bezogen, und daß mail, wenn man einen anderen Abgeordneten eines Irrtums zeihen will, nicht aus Tatsachen verweisen kann, die im Augenblicke, wo er seine Ausführungen machte, überhaupt noch nicht vorlagen, sondern erst später in die Erscheinung ge treten sind. , , Ich darf also meine in der Verhandlung vom 14. Mai 1927 gemachten Ausführungen aufrechterhalten und das Urteil über die Bedeutung der von Herrn Abg. Aßmann abgegebenen Erklärung dem Hause und der Öffentlichkeit überlassen. (Hört! hört! b. d Lvz. Abg. Aßmann: Tas war sehr billig!) Punkt 1: Erste Beratung über die Vorlage Nr. 18 zur Ergänzung des Entwurfes eines Gesetzes über den Staatshaushalt auf das Rechnungsjahr 1927. (Vgl. Landtagsbeilage Nr. 71 S. 260 zu Hptbl. Nr. 116.) Abg. Böttcher (Komm.): Tie Regierung hat eine neue Vorlage eingebracht, in der sie einen Kredit in Höhe von 30 Mill. M. fordert. Es wäre sehr interessant, von der Regierung zu erfahren, wie sie sich die Finanz gebarung in den nächsten Monaten weiterhin überhaupt vorstellt. Die Regierung hat ja bereits im Etat darauf hingewiesen, daß eine große Reihe ungedeckter Ausgaben im Etat zum Ausdruck kommt, u. a. auch die Beamten besoldung. Ter Reichsfinanzminister wies darauf hin, daß die Länder und Gemeinden von der Reichsregierung auf keinerlei Zuschüsse bei der Durchführung der Beamtenbesoldnngsreform rechnen dürften. Nun frage ich die Regierung, wie sie sich denn ihrerseits die Durch führung der Beamtenbcsoldungsreform denkt, wenn bereits für den Bedarf an laufenden Mitteln ein solches Loch in der Kasse ist und die Regierung von einer Anleihe zur anderen schreiten muß. Ter Landtag hat bereits bei der Etatberatung von der Regierung gefordert, daß sie über die von ihr gestundeten bzw.crlassencnGrund-und Gewerbesteuern in Sachsen Rechenschaft ablegen soll. Wir warten heute noch auf die Mitteilung der Regierung darüber, wie hoch der Betrag an gestundeten und erlassenen Steuern in Sachsen ist. Tie breite Masse will beurteilen können, ob die Regierung ihre Politik auf Grund von Anleihen durchführen muß, oder ob nicht die gestundeten und geschenkten Steuern eine solche Höhe ausmachen, daß diese Anleihen überflüssig wären. Ter Herr Abg. vr. Eberle hat am 6. April in seinem Ausschußbericht über die Vorlage der Regierung erklärt, daß von der Partei des Herrn Abg. Großmann ein Antrag gestellt worden sei, daß die gesan ten Kredite 130 Millionen Mark betragen sollen. Tas wären nach Abzug der 60 Millionen Schatzanweisungen 70 Milli onen Mark neue Anleihen. Tas war bereits damals ein Kompromißvorschlag der Wirtschaftspartei. AuS der jetzigen neuen 30-Millionen-Borlage der Regierung ergibt sich ein Gesamtbetrag an neuen Anleihen von 70 Millionen Mark. Die Vorlage der Regierung bewegt sich also auf der Linie des Kompromisses der Wirtschaftspartei. Herr Abg. vr. Eberle erklärte weiter, daß die Teutsck nationalen nicht in der Regierung seien, sie könnten einer Regierung, an der sie nicht beteiligt lmd, diese Mittel in einer solchen Höhe nicht bewilligen. Daraus ging hervor: Wenn die Teutschnationalen in der Regierung wären, würde eS ihnen nicht schwer fallen, diese Blankovollmacht zu geben. Wir haben hier ein Beispiel dafür, wie die Deutschnationalen ihre Position ausgenutzt haben, um Liebesgaben auS der Regierung herauszupressen. Wir können das erbauliche Schauspiel erleben, daß nunmehr im Zusammenhang mit der Vorlage auch wieder die Regierungsfrage in alle diese Dinge hinein- 'plelt. Die Deutschnationalen nehmen e- ja mit ihren Drohungen nicht allzu ernst. Wir werden auch dies« neue Pumpvorlage der Regierung dazu benutzen, dl« Arbeiterschaft darauf aufmerksam zu machen, welch« nnanz,elle Mißwirtschaft die Regierung betreibt. Wir lehnen die Vorlage ab. Die Vorlage wird dem HauShaltausschuß M«» wiese«. (Abg. vr. Blüher, und »V