Volltext Seite (XML)
14A, LMKilU M WMa ZkcheiiW N r. 340. r« Nr. l 4S des HauMatte»: 1926. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. 187. Sitzung Donnerstag, den 24. Juni 1926. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 12 Minuten. Am Regierungstifche Ministerpräsident Heldt, sämt liche Minister und eine Anzahl Regierungsvertreter. Das Haus beschließt, die Vorlage Nr. 230 mit auf die heutige Tagesordnung zu nehmen fowie den Punkt 1, Anträge, betreffend Abänderung des Landeswahlgefetzes, zbr anderweiten Beratung an den Ausschuß zurück- zuverweisen. Des weiteren wird der Antrag Nr. 1892, eine Rnhe- ständlerangelegenheit betreffend, ohne weitere Vor- beratnng dem Befoldnngsausschuß überwiesen. Abg. Licberasch (Komm.) fragt an, ob es zutrisft, daß auf Grund der Beratnng des Punktes 2 der heutigen Tagesordnung rund 30 Kriminalbeamte, unter Führung von 2 Oberkommissaren in den Landtag herein kommen sollten, nm die Verhaftung des Abg. Böttcher dnrchzuführen. Präsident: Der Präsident hat nicht nur die Polizci- gewalt im Hanse, sondern auch gegenüber dem Land tage die Pflicht, für Ruhe und Ordnnng in: Betriebe und im Haufe zu sorgen. Er wird infolgedessen das jenige tun, was er für richtig hält. Abg. Siewert (Komm.) beantragt, daß der Herr Präsident sofort Anweisung erteilt, daß die Polizei ans dem Hause sich zu entfernen hat. Dieser Antrag wird abgelehnt. Das Haus tritt in die Beratung der Tagesordnung ein. Punkt 2: Strafverfolgung und Verhaftung des Abg. Böttcher. (Drucksache Nr. 1809). Der Rcchtsausschuß beantragt: Der Landtag wolle beschließen, die Strafverfolgung und Verhaftung des Abg. Böttcher zn genehmigen. Berichterstatter Abg. Gündel (Dtschnat.): Ich habe für den Rechtsausschuß über den Antrag des Ober reichsanwalts zn berichten, der dahingeht, die Straf- Verfolgung und Verhaftung des Abg. Böttcher zn ge nehmigen. Aus dem Schreiben des Oberreichsanwalts, das an die Regierung gelangt ist und an den Rechts- ansschnß abgegeben worden ist, will ich bekanntgeben, daß darauf hingewiesen ist, daß bereits in zahlreichen Fällen Verurteilungeir wegen der Vorkommnisse, die den Gegenstand auch dieser Anklage bilden, stattgefnnden haben, daß pellen Reihe von Kommunisten, die nicht durch die Immunität geschützt waren, bereits Ver handlungen durchgeführt worden sind. Ans der Anklageschrift, die hier vorliegt, die einen Band von über 200 Seiten nmfaßt, will ich Ihnen das Wesentliche vortragen. Die Anklageschrift ist wie alle diese Sachen als geheim bezeichnet, aber die Dinge haben schon in zahlreichen öffentlichen Verhandlungen den Gegenstand der Verhandlung gebildet. Außerdem ist es nötig, daß das Haus in die Lage versetzt wird, zu er kennen, um was es sich hier handelt, welche Tatsachen vor liegen. In formeller Beziehung habe ich noch zu sagen, daß die Anklageschrift gegen 8 Angeklagte gerichtet ist. unter denen sich bisher der Herr Abg. Böttcher nicht befand, weil ja seine Immunität bestand nnd die Straf verfolgung bisher vom Landtage nicht genehmigt war- mithin konnte auch eine Anklage gegen ihn bisher nicht erhoben werden. Es richtet sich die Anklage gegen die Mitglieder der Zentrale der KPD., zu der — ich werde das noch hervorheben — in der in Frage kommenden Zeit auch der Herr Abg. Böttcher gehört hat. Sie werden angeklagt, und zwar handelt es sich in der Hauptsache um die Zeit des Oktobers 1923, einmal des hochverräterischen Unternehmens, die Ver fassung des Reichs und der Länder gewaltsam zu ändern, durch Handlungen vorbereitet zu haben, dann einige weniger wichtige Punkte, dann kommt weiter die Anklage, bis dahin verheimlichte Waffenlager im Eigentum und Gewahrsam gehabt und es unter lassen zu haben, der Behörde davon Kenntnis zu geben. Dann die Anklage, es unternommen zu haben, ohne die Genehmigung der zuständigen Dienststellen Per sonen zu Verbänden militärischer Art zusammenschließen, und endlich schwere Anklagen wegen Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz. Die Anklageschrift, die eine eingehende Darstellung der hier in Frage kommenden Vorgänge umfaßt, ist genau gegliedert, und es wird in erster Linie allgemein über die Kommunistische Partei als Teile der kom munistischen Internationale gehandelt. Es wird darauf hingewiesen, daß in den Leitsätzen und Statuten, die 1920 in Moskau beschlossen worden sind, es ausdrück lich heißt: Mit allen Mitteln, auch mit den Waffen in der Hand für den Sturz der internationalen Bourgeoisie und für die Schaffung einer internationalen Sowjet ¬ republik als Ubergangsstufe zur vollen Vernichtung des Staates zu kämpfen. Es wird dargelegt, daß der Umsturz darauf hinaus lief, mit bewaffneter Hand die Verfassung zu stürzen und eine Arbeiter- und Bauernregierung zu schaffen. Bei einem jugendlichen Kommunisten rst auf dem Personenbahnhof in Halle ein politisches Rundschreiben der Zentrale der KPD. vom 25. Oktober 1923 beschlag nahmt worden. Dieses Flugblatt liegt also zwei Tage nach dem Zeitpunkte, wo die Sache in der Hauptsache abgeblasen war. In diesem Flugblatte wird ausdrück lich gesagt, daß dem Entscheidungskampfe noch aus gewichen werden müsse infolge des Verrats der linken SPD. und ihrer Vereinigung mit der rechten SPD. Es wird auch darauf hingewiesen, daß in den Äußerungen, die nach dem 25. Oktober von kommunistischer Seite erfolgt sind, gesagt ist, und zwar von dem früheren sächsischen Ministerialdirektor Brandler in seinem Mos kauer Referat: Der Zweck des Eintrittes in die sächsische Re gierung war nicht ein parlamentarisches Manöver, der Zweck war die Beschaffung von Waffen. Ganz besonders bezeichnend für die bewaffneten Vorbereitungen der KPD. sind die von dem „Zentral ausschuß der proletarischen Hundertschaften Berlin" herausgegebenen, im Kreise Senftenberg beschlagnahmten „Richtlinien für die Bildung proletarischer Hundert schaften". Ich bemerke, daß ich von vornherein in der Hauptsache aus derartigen Schriftstücken etwas vor tragen werde, weil in einer der letzten Sitzungen Herr Abg. Renner erklärt hat, es seien zu 90 Proz. Spitzel aussagen, die in dieser Anklage zusammengetragen worden seien. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Ich werde deshalb hauptsächlich das vortrageu, was durch Schrift stücke bewiesen ist, die beschlagnahmt worden sind. In diesem Schriftstück wird ausdrücklich der „Aufruf zur Tat" erhoben. Ein Zentralausschuß der Hundertschaften ist gebildet worden. Uber die Menge derjenigen Per sonen, die man zu diesen militärischen Verbünden zusammengeschlossen hat, gibt ein Schriftstück Aus kunft, das man in Berlin gefunden hat, in dem die einzelnen Provinzen mit Zahlen angeführt sind und wonach im ganzen 132300 Mann in proletarischen Hundertschaften zuiammenaeschlossen waren, also eine Zahl, die oie Starke der Reichswehr übersteigt. Dann wird eine Aufforderung zuin Bürgerkriege nnd ZUM „roten Terror" gerichtet. Ich will diese Einzelherten übergehen. Ein am 21. Oktober 1923 in Güstrow ge fundenes Flugblatt der KPD. läßt erkennen, daß es bei den fortgesetzten Aufrufen zum Kampf für die Dik tatur des Proletariats weniger darauf ankommt, einen faschistischen Angriff abznwehren, als ihre eigenen Ziele zu erreichen, und daß dieser Kampf darin als unmittelbar bevorstehend geschildert wird. Auch ein weiterer Aufruf mit der Überschrift „Der Kampf beginnt" wird erwähnt. Dann wird die Beeinflussung der kommunistischen Ju- gend näher dargelegt und endlich der politische General streik. Da ist die Aussage des Arbeiters Harborth in Ratibor, der in einer Strafsache vernommen worden ist, nicht uninteressant. Er sagt, daß die Ersetzung der bestehenden Regiernng durch eine Arbeiter- und Bauern- Regierung dadurch erreicht werden sollte, daß in ganz Deutschland der Generalstreik durch übertriebene Lohn- fordernngen provoziert und durch von der Zentrale entsandte Hetzer zum Ausbruch gebracht werden sollte. (Abg. Renner: Das ist die Formulierung eines typischen Spitzels!) Die Hamburger Kommunisten haben vor dem dortigen Ausnahmegericht zugeben müssen, daß der po litische Generalstreik im Sommer und Herbst des Jahres 1923 für die Leitung der KPD. nur als Maske und Deckmantel für den gewaltsamen hochverräterischen Um- stnrz dienen sollte lind gedient hat, und daß insbesondere der Generalstreik nicht, wie sonst, eine allgemeine Arbeits- rnhe bedeuten sollte, sondern den Beginn des bewaffneten Kampfes der Arbeiterschaft gegen die bestehende Staats gewalt, den Beginn der umstürzlerischen Aktion selbst darstellte. Die Zentrale, zn der auch der Abg. Böttcher damals gehört hat, hielt Mitte September 1923 eine Sitzung des Zentralausschnffes ab, in welcher für den Fall der Erlangung der Macht die zunächst zu ergreifen den Maßnahmen bekanntgegeben wurden. Ta heißt es: 1. Ein Aufruf an die Bauernschaft zur freiwilligen Abgabe von Getreide und Lebensmitteln, 2. die Beschlagnahme sämtlicher Lebensmittelvorräte, falls der Aufruf erfolglos blieb, 3. das Verbot der gesamten nichtkommunistischen Presse (Heiterkeit rechts.) 4. die Festnahme aller nichtkommunistischen Partei führer, 5. die Verhängung der Todesstrafe bei jedem Wider stand gegen die kommunistische Gewaltherrschaft (Hört, hört! rechts.) Leiter des Revolutionskomitees wurde der Angeschuldigte Guralsky. Iwan Katz war der Leiter der Ernährungsabteilung. Dann werden zwei Sitzungen abgehalten, in denen un mittelbar vor dem beabsichtigten Ausbruch für die Zen trale das Nähere festgestellt wurde. Es wird dabei erwähnt, daß an diesen beiden Sitzungen der Abg. Böttcher persönlich teilgenommen hat. In Württem berg hat die Bezirksleitung durch den Landtags- abgcordneten Stetter ebenfalls am 1. Oktober 1923 den Genossen mitgeteilt, daß die Partei sofort in Alarm zustand zu setzen sei. Unter dem 17. Oktober 1923 hat sie mit der Überschrift „Parole Anton" — also fünf Tage vor dem beabsichtigten Losschlagen — an die Kampfgebietsleitungen geschrieben, daß die Truppen- Verschiebungen der Reichswehr, die nach den neuesten Meldungen jetzt vorgenommen würden, sofort mit allen Mitteln unterbunden werden müßten, und zwar durch Sprengungen, Entgleisungen und dergl., also mit den brutalsten Mitteln. Auf dem schnellsten Wege seien sämtliche Hundertschaften, sowie die kommunistischen Eisenbahner zn benachrichtigen. Sprengmittel, soweit noch nicht hergestellt, müßten sofort durch „Wumbo" angefordert werden. (Zuruf rechts: Massenmord! — Abg. Renner: Das steht Ihnen gut, wenn Sie das sagen!) Tann wird ein Rundschreiben der Zentrale vom 4. Oktober 1923 „ An das deutsche Proletariat" erwähnt, wo auf die in wenig Tagen entbrennenden schweren Kämpfe hingewiesen wird. Es wird dann auch hervorgehoben, daß einen Tag nach der Abfassung dieses Rundschreibens der Abg. Böttcher sächsischer Minister geworden ist, als welcher er auch den Eid auf die Verfassung geleistet hat. (Hört, hört! rechts.) Bei Durchsuchungen in Eottbus bei dem Bezirksleiter der Lausitzer KPD. hat man Notizzettel gefunden, in denen aus die Mobilisation und Organisation, aus Kampf leitungen nnd die Transportkontrolle der Eisenbahnen hingewiesen wurde, nnd »voraus sich ergibt, daß für die nächsten Tage init dem bewaffneten Aufstande in Mittel deutschland zu rechnen sei. Auch bei einem Breslauer Kommunistenführer ist ein Rundschreiben gefunden worden, wo daraus hingewiesen ist, daß in wenigen Tagen der Aufstand beginnen müsse. Er ist dann in den letzten drei Tagen abgeblasen worden, und zwar, wie die Anweisungen hinausgegangen waren, durch Kuriere, die in die einzelnen Orte geschickt worden sind. In Hamburg ist der Kurier zu spät eingetrosfen. Tort ist der Ausstand zur festgesetzten Stunde mit dem Mitternachtsschlage des 22. Oktober 1923 ausgebrochen. (Hört, hört! rechts.) Der Aufstand hat dazu gesührt, daß in schweren Straßenkämpfen, bei denen die Polizei 17 Tote und 54 Verwundete hatte (Hört, hört! rechts.), und bei denen die Aufrührer 61 Tote und 267 Verwundete zu beklagen hatten, gekämpft worden ist. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit der Zer setzungsarbeit, die in der Reichswehr und der Polizei geübt werden sollte. Auch ein Nachrichten dienst ist eingerichtet worden. Tann ist die Parti sanenorganisation, die ausreichende Versorgung mit Licht und Kraft. Eine graphische Tarstellung zeigt die Organisationseinteiluna von der Zentrale herab in die Unterteilungen, Oberleitungen, Bezirksleitungen, Unterbezirksleitungen, Ortsgruppen bis herab zu den Fünfergruppen, die in Aussicht genommen sind. Tann wird die Propaganda unter den Erwerbslosen geschildert und empfohlen und die Abteilung Verkehr, d. h. Instandhaltung der Eisenbahn, näher geschildert. Wichtig ist auch hier, daß nach einer Mitteilung der Kampfleiter für den Oberbezirk Südwest, ein gewisser Wollenberg, am 14. Oktober 1923 in einer Waldver- sammlung der Hundertschaften ein Bild vom kom munistischen Terror entwickelt und verlangt hat, daß im Kampfe gegen das Bürgertum der Kommunist sein menschliches Gefühl ausschalten (Hört, hört! b. d. Ttschnat.) und mit jeder geeigneten Mordwaffe geradezu viehisch den Gegner kaltmachen müsse. (Lebhaftes Hört, hört! rechts.) Ter Rechtsansfchuß hat sich mit der Angelegenheit befaßt. Er hat in seiner Mehrheit auf Grund des Be richtes beschlossen, dem Landtag die Genehmigung zur Strafverfolgung und zur Verhaftung vorzuschlagen. Maßgebend hierfür war die Erwägung, daß cs sich um denkbar schwerste Angriffe gegen die Verfassung handelt, ans der der Landtag selbst beruht, daß es sich hier nicht bloß nm Agitation handelt, sondern um eine wirklich schwere Gefahr für unsere staatliche Ordnung. Aber es ist auch die Erwägung maßgebend, daß gerade damals, als diese Vorbereitungen in unmittelbarem Gange waren und mit Ernst betrieben wurden für den Termin des 22. Oktober, Herr Abg. Böttcher, um den es sich hier handelt, sächsischer Minister geworden ist und gerade damals, als er mitten in den Vorberei tungen stand, den Eid auf die Verfassung geleistet hat. Abg. Renner (Komm.): Die persönlichen Beschuldi gungen gegen Herrn Abg. Böttcher sind durch die Aus führungen des Herrn Abg. Gündel durchaus unbewiesen. Aber worauf stützt sich die Anklageschrift des Staats anwalts überhaupt ? Sie stützt sich auf die Verwischung der verschiedenen zeitlichen Abschnitte und damit auf Rekonstruktionen, indem sie Dinge, die weit vor dem Sep tember 1923liegen, verschiebt undverbindet mitDingen,die nach dem September 1923 liegen. Ich habe die Anklage schrift studiert, ich habe eine Denkschrift gegen die Anklage schrift, die in den nächsten Tagen von uns veröffent licht wird, studiert und habe mir die Mühe genommen, noch einmel die Enthüllungen über den Kommu- nistenprozeß von Karl Marx 1848/49 zu studieren. Ich finde bei beiden Prozessen so viel Parallelen, soviel Berührungspunkte, die zeigen, daß in beiden Prozessen ein- und dieselbe Tendenz liegt, nämlich unbedingt einen Monstreprozeß durchzuführen und gleichzeitig politische Gegner, ganz gleichgültig, ob sie durch ihre persönliche Tätigkeit und Haltung an den Taten be teiligt sind, die dort aufgezählt werden, und ob diese Taten überhaupt erwiesen sind, damit zu treffen. Nun entsteht die Frage: wann kann man die Im munität eines Abgeordneten aufheben, wann wird man dazn berechtigt sein? Es müßte zuerst einmal ganz klar und unumwunden festgestellt sein: der beschuldigte Abgeordnete ist an diesen Taten persönlich beteiligt und träat für diese Taten die persönliche Berant-