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den Freistaat Sachsen Staatsan^eiger sür Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Erscheinung-tage». Be-ug-prei«: Monatlich S Mart. Einzeln« Nummern 18 Pf. Vernsprecher: Geschäft-stelle Nr. 212S8 — Schriftleitung Nr. 1487«. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486 — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 35 Pf, die 66 mm breite Grundzeit« oder deren Raum im amtlichen Teil« 76 Pf-, unter Ein« gefandt 1RM. Ermäßigung auf Geschäft-anzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 16 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der StaatsschuldenvernEung, Holzpflanzen - BerkaufSliflen der Staatsforstverwaltung, verantwortlich sür die Redaktion: Oberregterungsrat Han» Block in Dresden. Nr. 21S Dresden, Freitag, 12. September 1930 Oer Völkerbund zu Briands Paneuropaplan. Der englische Außenminister fordert dir Abrüstung der VSlterbnndsstaaten. Genf, 12. September. Tie VülkerbundSoetsammlung hat gestern ihre sachlichen Beratungen mit der allgemeinen Aus sprache ausgenommen. Der Vertreter KanavaS, Sir Robert Borden, führte aut: Ta» größte Verdienst de- Völkerbundes sei, daß er eine ständige Erziehung der Rationen zum Frieden bewirke. Ter Kelloggpakt sei ge schaffen worden, trotzdem dauern die Rüstungen an. ES ist zu bedauern, daß gleichzeitig mit dem Ver zicht auf den Krieg nicht auch der Verzicht aus Rüstungen ausgesprochen ist. Ter französische Außenminister Briand erklärte zunächst, daß er in zweifacher Eigenschaft vor die Versammlung trete, al- Delegierter Frankreichs. Als solcher habe er in dieser Aussprache über die Tätigkeit de» Völkerbundes das Wort zu ergreifen und al- Mandatar von 26 europäischen Staaten, in deren Namen er der Völkerbundsversammlnng eine Mit teilung zu machen habe. Ich habe mich, so rief Briand mit starker Betonung auk, in den Gedanken geradezu verbohrt, daß, so lange ich bi» rind wirke, eS keinen Krieg geben darf. A«G« trg<«dwelch« Schwi erigkeite« »«stauche«, werden wir sie t« Friede« und dnrch de« Frieden regel«. DaS «st «lne vhreupslicht gegenüber den Rationen, die «hr vertrauen aus «nS setzen Man hat soeben vor diese Tribüne die Frage der Abrüstung gebracht. Es ist felbstvnständltch daß alle Friedensbemühungen, wenn ste nicht begleitet werden von riner Beschränkung und Herabsetzung der Rüstungen, unzureichend sind und den Völkern, die guten Willens sind, Ent täuschungen bereiten. TaS darf nicht geschehe«. TaS, waS die Uutrrzetchner dev VSltrrbundSpakteS versprochen habe«, muß verwirklicht werde«. Mit der Bemerkung, daß der Völkerbund sich mit allen die internationalen Beziehungen be rührenden Strömungen in Fühlung halten müsse, leitete Briand auf die europäische Frage über. Briand bezeichnete seinen Plan al» eine weitere große Anstrengung im Dienste Les Friedens. Soweit die Bemühungen, Len Frieden zu sichern, im Rahmen des Völkerbundes geschehen müßten, werde auch di<e Idee vom Geiste des Völkerbundes getragen. Eine Reihe von Tatsachen zwänge geradezu zu einer engeren Zusammenarbeit der europäischen Völter. ES läge tn der Logik dieser Tatsache, daß die Böller, auf deren Territorium sich der Weltkrieg abgespielt habe und die heute immer noch unter den Folgen des Kriege» litte«, sich zu einer gemeinsamen Anstrengung zur Überwindung dleserFolgen ausraffen. Briand führte weiter au?, daß er von Anfang an die Schwierigkeiten der Verständigung über feine Idee ins Auge gefaßt habe. Diese müßten tm Interesse de» Friedens überwunden werden. In ihrer Antwort auf sein Memorandum hätten die 27 europäischen Staaten sich grundsätzlich in bejahendem Sinne ge äußert und die kürzlich von ihm einberufene Konferenz dieser Siaaten habe ihm einmütig den Auftrag gegeben, die Frage der europäischen Eini gung vor den Völkerbund zu bringen. Er habe die Überzeugung, daß der Völkerbund dem Plan gleichfalls seine Zustimmung gäbe, handle eS sich doch um die Verwirklichung einer Idee, die auch den Zielen des Völkerbünde? entspräche ES sei selbstverständlich, daß keine neue Organisation neben dem Völkerbund geschaffen werden soll, sondern daß die europäischen Einigungsbestrebungen, deren ökonomische Be deutung er immer wieder hervorhob, nur im Rahmen deSVölkerbundeSverwirllicht werden lönnten. Auch lönne selbstverständlich keine Rede davon sein, daß dw geplante Vereinigung sich gegen andere Staaten oker Stoatengruppen richte. Tie Bundesversammlung habe setzt da» Wort. Er Hosse, daß ste tm Verlauf dieser Tagung den euro päischen Völkern zurufen werde: Marschiert weiter k Ihr seid auf dem Wege de« Frieden«! Irr Fortsetzung der Aussprache über de« Tätig» keiisbertcht ergriff gestern nachmittag der britische RuhenminifierHenderson da« Wort zu einer groß angelegten Programmrede. Er schloß sich zunächst den ehrenden Worten an, die der Rattpräsivent für Reichsminister vr. Stresemann und für Nansen, als Mitarbeiter und Vorkämpfer des Böllerbundes gesunden hatte rind kam dann sogleich auf die Vorschläge der französischen Regierung zur europä- ischen Union zu sprechen, die, wie erhoffe, zu prakrischen Ergebnissen führen werde. Im Sinne der englischen Regierung sei die in der Entschließung der europäischen Staaten enthaltene Feststellung, daß die angestreble Zusammenarbeit in vollem Einvernehmen mildem Völkerbund herbeigesührt werden soll. Im Verlauf seiner Rede wie» Staatssekretär Henderson auf da» Interesse hin, daS die britische Negierung an der Generalakie über die Schieds gerichtsbarkeit und an der Konvention über die finanzielle Unterstützung angegriffener Staaten, wie überhaupt an allen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung de» Krieges nehme. England sei bereit, alle derartige Sicherheitsmaßnahmen zu ratifizieren, doch unter einer Bedingung, daß ein allgemeiner Vertrag zur Herabsetzung und Beschränkung der nationalen Rü- stungen durchgesührt werde. Deshalb werde England seine Zustimmung zu neuen Sicherheit» maßuahmen nur unter der Bedingung effektiv werden lassen, daß die Abrüstung aufhöre nur eine Frage zu sein und eine Wirklichkeit werde. Die Urheber der Bölkerbunvisatzung. so rief HtUdcrso«, haben «ie geglauvt, Laß die inter nationale Zusammenarbeit Erfolg habe» könnte, wenn die nationale Rüstung unbeschränkt fort- besteheil und wen« daS Wettrüsten wieder aus- leben werde. Deshalb habe« ste in Artikel 8 die Verpflichtung ausgenommen, eine allgemeine Herabsetzung u»d Ei«schrL«k»ng der nationale« Streitkräfte durch iuternattonalt Verträge herbeiz«sühren. Diese Verpflichtung »st noch nicht eiu,el» st worden, obwohl sie vor elf Jahren ein- grgangr« worden ist. Die Jahre gehe« dahin und doch bildet dtefe Vrrpjltchiung etnru Teil de« Friedenkverirages und ist nicht weniger ge heiligt al» irgeudeiue andrre Verpflichtung, die tn diesen Verträgen enthalten ist. Dnrch diese verpslichlnug ist jede Regierung im Völkerbund gednnde«. ES ist eine Znfage, die »st ernenert worden ist vor zwei Jahren erklärte die ver- sammlnng, daß »ter den gegenwärtigen Sichre heitSverhältnijsen der Abschluß eiuer erste» all- gemeiueu AbrSstuugSkonventio» möglich fei. Zwei Jahre find »orüdergrgangen uud wir habeu diese allgemeine Konvention nicht ab geschlossen. Die Völker der Welt werden nn- gednldig »d zoeifrln an «nsrre« gnten Willen. Nach einem Hinweis aus die Londoner Flotten- konserenz schloß Henderson seine Rede mit folgen den, stark betont vorgetragenen Sätzen: Kenn die Flottenabrüstung nicht all gemein burchgeführt werden kann, wenn sie nicht ergänzt werden kann durch die Ei»schrL»kw«g und Begrenzung der Land- und Luststreitkräfte, so werden dieFriedenSoerträgenichtauSgeführt worden sein. Briands Antrag offiziell gestellt. Gens, 12. September. Ter französische Außenminister hat gestern beim Präsidenten der Bunkrioersammkung offiziell den Antrag gestellt, die Entschließung, die die Vertreter der europäischen Staaten am 8. Sepie m berzur Frage der europäischen Föderation angenommen haben, auf die Tagesordnung der Bundesversammlung zu setzen. Er hat dem Präsidenten TituleScu die Entschließung überreicht. Ein amerikanischer Bankier über Deutschlands irtschaftslage. New Nork, 12. September. „New York Time»" veröffentlichen ein Interview mit dem Teilhaber eines altangesehenen Bank hauses Lee Higginson, George Murnane, der in diesem Jahre längere Zeit in Europa weilte, und sich besonders eingehend mit der deutschen Wirtschaftslage beschäftigt lM Murnane führte auS: Der deutsche Handel und die deutsche Industrie befinden sich zweifellos in einem Zustande der Depression, der tn Deutschland früher einsetzte, als in den meisten anderen Ländern. Abgesehen von der aus der zeitlichen Ausdehnung dieser Depression folgenden allgemeinen Belastung der Wirtschaft vermag Deutschland auch nicht den seelischen Folgen dieser Lage zu entgehen, denn in jedem Lande bedeutet eine lang andauernde Depression nicht nur eine starke Inanspruchnahme aller Wirtschaftskräfte, sondern auch der seelischen Energien. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich während de» vergangenen Jahre» so gut wie verdoppelt und die Notwendigkeit, un erwartet große Summen zu ihrem Unterhalte beizusteuern, bildet, ebenso wie die Tatsache, daß die Steuereinnahmen wett hinter den Voranschlägen zurückbleiben, einen wesentlichen Falior in der Depression, die sowohl di« deutsche Finanzgebarung im allgemeinen als da» RetchSbudget tm besonderen ungünstig be einflußt«. Ein besonderer Umstand jedoch, der die wirtschastliche Krise tn Deutschland über Lebens und ohne ernstliche Verschlechterung seiner Lebenshaltung zu tragen. Diese Besorgnisse finden einen weiteren Aus druck in der Frage, ob nicht zwischen der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise und den Reparationszahlungen ein Zu sammenhang besteht und ob Deutsch lands Kaufkraft, von der unter anderen Um- ständen der Leltmarit Vorteile haben winde, nicht beträchtlich durch die Reparation», zahlungen eingeschränkt wird, da die Zahlungen Deutschland ja zwingen, auch den Teil seiner Erzeugnisse auf den Weltmarkt zu bringen, für dessen Verbrauch im Jnlande die deutsche Kaufkraft nicht auSreicht. Diese und ähnliche Faktoren sind zweifellos Elemente, die da- gegen wärtige Sinken de« deutschen Selbstvertrauens be günstigen. Tie erwähnten Besorgmsse und die durch die langwierige wirtschaftliche Depression verursachte Entmutigung werden von einigen Seiten al- die Ursache der Kapitalflucht angeführt, die zweisello» tm Verlause diese» Jahres noch zugenommen hat und die allgemein mit großem Interesse erörtert wird. Sin weiterer Faktor mag die ungewöhnliche Spannung zwischen den aus den Geldmärkten geltenden Zinssätzen sür kurzfristige und für langfristige Kredite sein, ebenso auch die dauernde Depression der deutschen Effektenmärkte mit ihrem Rückgang der Aktienkurse auf ein Niveau, dal nach rein »irtschastltchen Gesichts punkten nicht g.rechtsertigt erscheint. In den flatifltschen Angaben über Deutschland« allgemeine wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich die un- ersreuliche Situation wider Indessen sollten diese Zahlen nicht, wie meist üblich, lediglich mit den den au« wirtschaftlichen Erwägungen heran« zu entsprechende« Angaben über da« vergangene Jahr schafüichen und schwindende Schichten der seinen Ausdruck Selbstvertrauen in breiten Bevölkerung, ' da« naturgemäß in ernsten Besorgnissen der wirt- politischen Kreise Deutschland« erwartenden Umfang verstärkt hat, «st da« finde», ob e« Deutschland auf di« Dauer mög- verglichen werden. S» sollte beispielsweise die kich sein wird, dl« Lasten de» Young- Tatsache nicht übersehen werde«, daß der plane» ohne Schädigung seine» wirtschastliche»'M,nat»d«rchfch«itt der deutsche» A»« fuhr von 1927 b>S 1929 von 852 guf 1057 Millionen NM., al,o nahezu das Doppelte stieg, während eS zutrifft, daß sie im Laufe der letzten Monate dem Werte und Lem Umfange nach einen beträchtlichen Rückgang gegen über den entsprechenden Monaten de» Vorjahres auswies Ten Ertläiungen eines hervorragenden Sach kenners der deutschen Wirischajt zufolge hat die Produktion der elektrischen Industrie, die al- typisch für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands angesehen werden darf, in der Zeit von 1913 bi- 1928 solche Fortschritte gemacht, daß die Gesamterzeugung an elektri schem Strom In diesem Zeitraum von 2,8 auf 14 Milliarden Kilowattstunden, d. h. aus den Kops der Bevölkerung berechnet von 42 aus 219 Kilowattstunden gestiegen ist. Diese Zahlen, die durch andere Beispiele vermehrt werden können, zeigen den Fortschritt der deutschen Wirtschaft «rotz aller bedenllichen Folge» der Nachkriegszeit. Ein ausländischer Besucher kann sich dem Eindruck nicht entziehen, den dieses Deutschland macht, WS ungeachtet seiner beschränkten Mittel abermals mit solcher Energie aus den Gebieten arbeitet, aus denen e» vor dem Kriege eine so starke Stellung einnahm. Tie auf den landwirtschaftlichen Ver suchsstationen wie z B. i« Müncheberg geleistele Arbeit zeigt die ersokgreicheLSsung von Problemen innerhalb von »irz Ld«r zwei Jahren, oie anoerswo de« wissenschäst- lichen Bemühungen von Jahrzehnten trotzten, wie beispielsweise die Entfernung bitterer Sub stanzen aus de» Lupinen und die damit zusammenhängende Erhöhung ihres Nähr wertes. Leistungen wie diese erhöhen das Ver trauen der Besucher TeutschlanLs, daß es durch seine wissenschaftliche Gewandtheit wie durch seine energische Arbeit auch seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden wird. Mir wenigstens scheinen solche Vorgänge und Entwick lungen eine Gewähr dafür zu bieten, daß Deutschland namentlich angesichts der bereit- über wundenen Schwierigkeiten sicherlich einen Ausweg aus seiner gegevwärligen Lage finden wird. Eine weitere Gewähr sür Lie Wieder» erholung und den Fortschritt de» deutschen Wirtschaftslebens findet sich in der gegenwärtigen Position der Deutschen Reichsbank, deren Leitung unbeirrt an den einfache» Giundsätzen einer konservativen Währungspolitik sesthält. Dem steigenden Rückgang der von Handel und Indu strie während der letzten Jahre und Monate an die Reichsbank gestellten Ansprüche entsprechend, ist auch der Diskontsatz herabgegangen. Die Gold- und Devtsenveserven der Bank sind beträchtlich vermehrt worken mit dem Er gebnis, daß die Reichsbank gegenwärtig be trächtliche Reserven zu ihrer Versagung hat. Zudem ist Deutschland heute derart in die Weltwirtschaft verflochten, daß es gar nicht aus eigener Anstrengung aller« sich aus seiner gegenwärtigen Depression erheben könnte. In wachsendem Maße benötigt Deutsch land heute die Nachfrage fremder Länder nach seinen Waren und sür absehbare Zeit wenig stens die Deckung seines Kredit» und Kapitalbedarfes seitens der Auslandes. Die deutsche Industrie erfreut sich eine- hohen Ansehens im Auslands und sie besitzt jede« Grund für die Annahme, daß ihr von den Finanzmärkten der Welt beträchtliche Beiträge zu ihrem Kapitalbedarf zu fließen wenngleich diese naturgemäß den Bedingungen unterliegen, die zu gegebener Zeit in diese« Finanzmärktcn obwalten. Mut und Selbst vertrauen von feiten des deutschen Volkes sind indessen nicht die in letzter Linie al- bedeutsam in Betracht kommenden Faktoren zur Erhöhung de- deutschen Kredit- nn Ausland«. Die deutsche Regierung selber hat durch finanzielle und durch wirtschaftliche Maßnahmen zur Stärkung diese» Ver trauen» beigettagen, namentlich durch ihre Po litik der weitmöglichsten Lkimiaternng der Laste« der Ardeit«lose«versiche» ru«g au» dem Budget, wodurch ei« Element der Unsicherheit beseitigt wurde, da- während der letzten Jahre «nederhoU da- Gleichgewicht der Reichtsmanzen gefährdete. Ferner wurde et» großzügig«» Plan öffentlich«» «»gelte«