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Sächsische SlaatZMng Staalsan^eiger für den Freistaat Sachsen Dresden, Montag, Oktober Nr. 230 192« Ankündigungen: Die 32 nun breite Grundzeile oder deren Raum 35 Pf, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 76 Pf-, unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung auf GeschäftSanzrigen, Familienaachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Srscheinungstage». BezugSprei»: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 1k Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Etadtgirokonto Dresden Nr. 140, Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Berkaufsvste von Holzpslanzen auf den Staatsforstrevieren, verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Karl Bethke in Rähnitz-Hellerau. Sie SPD.-Mnister wollen in der Regierung Sitzfleisch behalten. Severing über seine Pläne. In einer Bundesgeneralversammlung des Reichs banners Schwarz-Rot-Gold in Hannover nahm der Bundesvorsitzende Hörsing auch Bezug auf die politische Lage. Dabei machte er sowohl wie der ReichSinnenmimster beachtliche Ausführungen über die gegenwärtige Regierung. Hörsing betonte unter anderem: Tas Reichsbanner habe immer gefordert, daß in der Republik Republikaner regieren sollten, oder, falls sie allein nicht die Macht dazu hätten, sich so stark wie nur möglich an der Regierung beteiligen. Es habe das Kabinett seines Kameraden Müller als das zurzeit allein mögliche begrüßt Der Panzerkreuzerrummel der Kommunisten sei eines der schlimmsten Zeichen unserer Zeit für alle die, di« ihn mit verschuldet Hütten. DaS Reichsbanner sei gegen jede« übertriebenen und überflüssige« Militarismus, aber eS meine, man solle den Antimilitarismus weniger im ent. wafsnetcn Drutjchland a>S in den Ländern um uns, und nicht zuletzt im wasfenstarrenden Ruß land, daS sich znr größten Gefahr für Europa und für die WrU tzeranSbilde, in erster Linie betreiben. Deshalb lehne daS Reichsbanner anch das Volksbegehren der Kommunisten, daS weiter nichts sei alS ein volksbetrug, ab. Zum ge planten Volksbegehren des Stahlhelm bemerkte Hörsing, der Stahlhelm wisse noch nicht, was sein Volksbegehren soll, oder richtiger, was er begehren wolle. Ter Redner kam dann auf Genf zu sprechen und sagte, dem Reichskanzler sei ein so fort greifbarer Erfolg nicht beschicken gewesen. Das sei immer noch die Folge des Mißtrauens, das das letzte Kabinett zurückgelassen habe und heute immer wieder entfacht werde. Nach der Konstituierung der Generaloersamm lung mit Otto Hörsing als erstem Vorsitzenden er hielt Reichsinnenminister Severing das Wort, der etwa folgendes aussührte: Die Mahnung HörsingS, in der Regierung Sitzfleisch zu behalten, sei bei «hm selbst nicht nötig. Die republikanischen Minister könnten in der Reichs, regiernng nur dann Wertvolles und Lauerndes für die Republik leisten, wenn sie mindestens eine Legislaturperiode in der Reichsregierung sitzen. Rach diesem Prinzip werde er seine Mtuisterkvllege» beeinslnssrn. Wer da glaube, bei künftigen Verhandlungen um die Neubildung der Regierung die sozialdemokratische Absicht, in der Regierung zu bleiben, unsere Forderungen, «usere republikanischen, demokratischen, sozialen Forderungen zurückschrauben zu können, wer da glaube, daß wir um jeden Preis in der Regie rung bleibe« müßte«, der irre. Wir würden das Vertrauen der republikanischen Massen nicht täuschen. Der Redner beschäftigte sich dann mit der Bewegung des Jungdeutschen Ordens und des Stahlhelms, die er als Kesselneiber der Teutsch- nationalen bezeichnete, und fuhr u. a. fort: Jetzt kommt es darauf an, daß wir weiter alle die Pläne zerstören, die der Stahlhelm gegen die Republik auszusühreu beabsichtigt. Der Stahlhelm ist nicht» andere» al» eine äußerliche Kraft der Teutschnationalen Bolkspartei. Der Stahlhelm ist «Icht ernst zu nehmen. So weit er versuche« sollte, die Kaiserkrone wieder- zuholen, genügt die Polizei, genügt vielleicht sogar schon die Feuerwehr. Tas Reichsbanner war noch niemals so notwendig wie heute. Tas Geschäft der Kommunisten findet jetzt Nachahmung beim Stahlhelm und bei der Teutschnationalen Volkspartei. Die Herrschaften handeln nach dem Grundsätze: es muß etwas gemacht werden, sie wißen aber nicht was. Es ist sehr wohl möglich, daß sie durch eine unvorsichtige Führung eines Volksbegehrens den Reichsinnenminister dazu zwinge«, ihr Volksbegehren abzulehnen. Meine Bitte geht dahin, daß heute auch eine Art Volks begehren ausgestellt wird: Tas Verbot eines Volks- begehrens von gewisser Art. Vor Zeppelins Skandinavien- sahrt. FriedrichShasen, 29. September. Nach dem gestrigen Fluge des „Graf Zeppelin" sind die Reparaturarbeiten, vor allein die Straffung der AußenlMe, fortgesetzt worden. Tie reparierte Funkanlage hat auf dem gestrigen Fluge aus gezeichnet funktioniert. Tie nächste Fahrt findet nun am Dienstag statt. S'e geht zunächst nach Berlin über Ulm, Hof, Chemnitz, Plauen, Leipzig, Dresden, Breslau. In Berlin findet per Radio ein Rede wechsel zwischen dem Berliner Oberbürgermeister vr. Böß und vr. Eckener statt. Tie Wetter aussichten scheinen günstig zu sein. Man rechnet damit, daß die erste Amerika-Fahrt des „Graf Zeppelin" schon in der nächsten Woche stattfindet. Auf diesem Fluge soll ausschließlich daS neue Blaugas verwendet werden. Wie der Sonderberichterstatter des W. T. B. von vr. Eckener erfährt, hat Reichsminister vr. v. Gusrard mitgeteilt, daß er wegen Arbeitsüber lastung leider nicht an der großen Teutschlands- und Nordfahrt deS „Graf Zeppelin" teilnehmen könne, die sich über zwei Tage erstrecken würde und damit länger dauern wird, als ursprünglich in Aussicht genommen. Ter Tag der Abfahrt wird am morgigen Montag auf Grund der Wetter- karten bestimmt werden. Am liebsten möchte vr. Eckener am Dienstag in aller Frühe ausfleigen, um Reichspräsident v. Hindenburg zu seinem Ge- burtstage mit dem „Graf Zeppelin" eine besondere Huldigung darzubringen. Leider sehen die Wetter- Verhältnisse sehr schlecht aus. Uber dem Bodensee gingen heute starke Wetter nieder, die offenbar die Vorläufer eines sck weren Tiefs sind, das vom Kanal herüberzieht. Tazu kommt noch, daß die Atmosphäre sich jetzt in einem Stadium horizon taler Stürme befindet, die sich im Herbst aus dem Kampf der warmen und der kalten Luft- strömungen zu entwickeln pflegen und so lange dauern, bis der Ausgleich beider Kräfte vollzogen ist. Unter diesen Umständen ist es nicht aus- geschlossen, daß der nächste Aufstieg erst am nächsten Mittwoch erfolgen kann. Im Anschluß an diese Dauerfahrt ist noch eine besondere Werk- stättenfahrt für besondere Messungen in Aussicht genommen, und dann wird der „Graf Zeppelin" für die Amerikafahrt klar sein. Es werden alle Anstrengungen gemacht, um die Fahrt so bald als möglich anzutreten, und man rechne jetzt mit etwa dem 7. Oktober als spätesten Termin, vor ausgesetzt, daß nicht noch schwere Weilerhinder nisse auftreten. V-r dem Amtsantritt de- neuen Marinechefs. Berlin, 1. Oktober. Der nach dem Rücktritt des Admirals Zenker lürzltch zum Chef der Marineleitung ernannte Vizeadmiral vr. Raeder tritt seinen neuen Posten dieser Tage an. Dem neuen Marinechef war von einem Teil der Presse vorgeworfen worden, daß er „republikfeindlich" eingestellt sei. So habe er sich im Januar 1920, als er Stabschef beim Admiral v. Trotha war, am Kapp-Putsch be- teiligt, indem er in Kiel die Bildung von Kapp- Organisationen duldete. Außerdem wird ihm der Vorwurf gemacht, daß während seiner Tätigkeit in Kiel sich die kürzlich aufgedeckten Beziehungen zwischen der Reichsmarine und dem Kapitän Ehrhardt und dessen Freunden entwickelten Schließlich wird ihm die Verantwortung dafür zu geschoben, daß Prinz Heinrich seinerzeit dem Kapitän der Reichsmarine Kolbe auf dem Schul- kreuzer „Berlin" einen Besuch abstattete. Wie wir hören, ist der Reichswehrminister Groener dabei, all diesen Dingen auf den Grund zu gehen. Schon jetzt läßt sich feststellen, daß die Vorwürfe gegen Raeder zum größten Teil nicht berechtigt und zum anderen maßlos über trieben sind. Die angebliche Beteiligung de» neuen Martnechef» am Kapp-Putsch könnte höchsten» derin bestanden haben, daß Raeder von den damaligen Machenschaften seine» Vorgesetzten v. Trotha gewußt habe. Aber auch da» scheint nicht der Fall zu sein, denn Raeder ist «m die damalige Zeit auf Urlaub ge ¬ wesen. Raeder soll sich während seiner Kieler Tätigkeit sogar im entgegengesetzten Sinne betätigt haben, indem er den Admiral v Trotha zu ver anlassen versucht habe, den Admiral v. Levetzow, der während des Kapp-Putsches Stationskomman dant in Kiel war, nach Berlin zu versetzen, da sein politisches Temperament gerade in jener Zeit gefährlich hätte werden können. Admiral Raeder soll ferner nach dem Käpp-Putsch und nachdem er Kommandant der Ostseestation geworden war, mit aller Entschiedenheit sich bemüht haben, die Reichsmarine von unwillkommenen Elementen, wie z. B. den Vertrauensleuten des Wiking, zu reinigen. So gehe die Entlastung deS Wiking- mannes, Rittmeister Lieder, auf das Konto Raeders. Für den Besuch des Prinzen Heinrich bei dem Kommandanten des SchulkreuzerS „Berlin" wäre Admiral Raeder allerdings verantwortlich zu machen, wenn er um jene Zeit in Deutschland gewesen wäre. Er hat sich damals aber gerade auf einer Amerikareise befunden und von jenem Vorgang nicht das geringste gewußt. Bestehen bleibt dagegen der Vorwurf, daß Raeder sich in einer Versammlung de» Kaiser lichen Jachtklubs einem „Hoch" auf den ehemaligen Kaiser angeschlossen hat. Jedenfalls wird von den zuständigen Stellen betont, daß Admiral Raeder ein in jeder Be- ziehung auf dem Boden des heutigen Staates stehender Offizier wäre. Schwere Zusammenstöße -ei einer nationalsozialistischen Kundgebung in Berlin. Berki«, W. Septemder. Die Nationalsozialistisch« Deutsche Arbeiterpartei veranstaltete Henle nachmittag im Sportpalast in der Potsdamer Straße eine Knndgebnng gegen den DaweSplan, an der etwa 1900» Per- sonn» teilnahme«. «ährend der Knndgedmeg sammelte sich i« der Potsdamer Straße etne große Menge an, die i« den Vorhof deS Sport. Palastes einzudringen versuchte. SS kam zu schwere« Zusammenstößen zwischen den National sozialisten und der eindringrnden Menge. Die Polizei griss ein und mußte von ihren Gummi, knüppeln nnd auch von der Schußwaffe Gebrauch mache«. Nach den bisherigen Feststellungen sind 2r Nationalsozialisten verletzt worden, von denen 16 in die Nnfallstelle deS SPoripalasteS ge. bracht und sechs von der Polizei abtransportiert wurden. Zwei der verwundeten haben ernstliche Verletzungen erlitten. Rach den Zusammenstößen wurden die anliegenden Straßen durch die Polizei geräumt. Geheimmission des Obersten Lawrence in Afghanistan? London, S0. September. „Daily Expreß" will wissen, daß der bekannte Oberst Lawrence, der während der zweiten Hälfte deS Weltkrieges bei dem Ansstand der Araber gegen die Lürken eine wichtige Rolle spielte, in geheimer Mission in Afghanistan weile, um die Verhandlungen über einen Vertrag »wischen Groß britannien und Afghanistan zu erleichtern. Dem Blatt zufolge werde geglaubt, daß gegenwärtig über einen Handelsvertrag verhandelt wird, dem möglicherweise Verhandlungen über rin Militär- abkommen folge« würde«. Sanierung der Kopenhagener privatsbanl ohne Staatshilfe. Kopenhagen, 1. Oktouer. Wie nach Abschluß der Sonntagsitzung in der dänischen Nationalbank gegen Mitternacht bekannt wird, haben die Verhandlungen der interessierten Finanz- und WirtschaftSkreise den Erfolg gehabt, daß genügend private» Kapital zur Verfügung steht, die Erhaltung der Bank auch ohne Staats- Hilfe zu ermöglichen. Außenpolitischer Kurswechsel? Ter Reichskanzler ist mit völlig leeren Händen heimgekehrt. Alle deutschen Ansprüche fanden in Genf eine ausgesucht kalte Schuller. Selbst die persönliche Behandlung, die Hermann Müller er fuhr, war ehrkränkenv und verletzend. Es scheint fast, als wollte man ausgerechnet dem Sozial demokraten, der die Völkerversöhnung und Völker verständigung programmatisch als außenpolitische» Ziel vertritt, übergebührlich und eindringlich fühlen lassen, daß man in den kapitalistischen Staaten von solchen Theorien nichts hält. Deutschland stand, sieht man von dem kleinen Ungarn ab, völlig isoliert da, so daß selbst Staaten, die sich bisher stets auf seine Seite geschlagen hatten, es diesmal für ratsam hielten, von solch einer Unter- slützung abzusehen. Tas alles hat im deutschen Volke fast ohne Ausnahme berechtigten Unwillen ausgelöst. Hält diese Mißstimmung an, gelingt es, sie in kluge Bahnen zu lenken so kann fie für kommende Verhandlungen die Grundlage deutscher Erfolge werden. Ein Völkerbunds- Vertreter, der sichtlich von seinem Bolle -um An kläger und Förderer getrieben wird, findet willigere Ohren, als wenn diese eindringliche Resonanz sehlt. Aber es liegt in der Natur der Sache, daß diese Mißstimmung nicht negativ bleiben, sondern positiv sich auswirken will. So wird denn die Reichsregierung ersucht, die Locarnopolitik aufzu geben, aus dem Völkerbund auszuireten und An schluß an andere Mächte zu suchen. Alles Forde rungen, die von dieser oder jener Seite als un umstößlich notwendig hingestellt werden, die aber gerade deshalb eine äußerst gründliche Überprüfung erfordern. Nichts ist in der Politik nachteiliger als das starre Festhalten an einmal gefaßten Ideen, selbst wenn die Voraussetzungen für diese Ideen verloren gegangen sind. Eine lluge Politik findet ihre Merkmale wohl in dem Erkennen einer vor sich gehenden Änderung der Grundlagen der bisherigen Politik und dem Sichanpassen an die veränderten Verhältnisse. Nichts Ware den« auch verkehrter als ein Festhalten unter allen Umständen an der Loearnopolitik, selbst wenn diese uns nicht einen Schritt vorwärts bringt. Die Loearnopolitik war so lange gut, alS sie unseren berechtigten Wünschen entgrgenkam. Sie wird zwecklos, wen» sie dazu nicht mehr in der Lage ist. Lie angebahnte Bündnispolitik zwischen Frankreich und England, daS innige Zusammengehen beider Staaten in Genf, unter- stützt stark die Auffassung, daß der Völkerbund Gesahr läuft, zu einem Werkzeug beider Mächtegruppen zu werden, das seine Spitze nicht nur gegen Amerika, sondern auch gegen Teutschland richtet. Wenn daher Rufe nach Austritt Deutschlands aus dem Bunde immer starker ertönen, dann geschieht das nicht ohne Grund. Doch so eindeutig liegen die Dinge noch nicht: noch steht nicht sest, ob es zu dieser Bündnispolilik überhaupt kommen dürfte. Dann aber ist Deutschland weder ein Amerika noch ein Rußland, die beide durch geographische Lage und ihre militärischen Machtmittel ihre Interessen gegenüber den anderen Völkern auch ohne den Völkerbund zu wahren vermögen. Solange daS Rrcht der Schutz des Schwache« bedeutet, solange ist selbst das geringe Recht, daS der Völkerbund feinen Mitgliedern zu gewähren vermag, für daS machtpolitisch schwache Deutschland nur unter außergewöhnlichen zwingenden Umständen zu entbehre«. Diese besonderen Umstände, so wird behauptet, sind gegeben. Wir könnten uns mit Amerika, Rußland und Italien alliieren und da mit dem französisch-englischen Block ein Paroli bieten, und uns mit Hilse dieser Verbündeten au» der bestehenden Zwangslage besreien. Teutschland hat sicher die Pflicht, alle Wege zu untersuchen und zu gehen, die es aus seiner unhaltbaren Situation herausbringen. Nichts könnte uns genehmer sein, als mit den genannten Staaten in ein engeres Verhältnis zu kommen, falls solch eine BündniSpolitik überhaupt möglich ist. Ob sie eS ist, scheint vorderhand noch sehr zweiselhaft. Sicher ist die seit Jahren ausgestellte These, daß Amerika sich sür da» verarmte Europa nicht inter essiere, falsch. Im Gegenteil, in dem Maße, wie Amerika immer mehr Geldgeber Europas wird, in dem Maße wächst sein Interesse an den euro päischen Staate«. Aber beute fühlt sich Amerika